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Piazza Navona

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Piazza Navona und Umgebung

Zirkus, Brunnen und Tempel nebeneinander

Anfahrt:

Busse 26, 46, 62, 64, 70, 81, 87, 90b, 186 oder 492.

Wir befinden uns inmitten eines anderen Viertels der antiken Stadt, dem Marsfeld. Hier fanden regelmäßig Manöver bzw. Aufmärsche der römischen Armee und der Comices Centuriates, der »Volksarmee«, statt. Nachdem letztere durch Tiberius abgschafft worden waren, büßte das Marsfeld seine Bedeutung ein, die es zur Kaiserzeit innehatte. Zahlreiche neuerrichtete Bauten und Kunstwerke verwandelten das Areal in das eigentliche Vergnügungsviertel Roms.

Von der ganzen Pracht blieben nur die Umrisse des ehemaligen Domitian-Stadions, die in Gestalt der Piazza Navona auf uns gekommen sind. Kein Grund jedoch, dem verschwundenen Rom eine Träne nachzuweinen. Was man jetzt bei einem Bummel durch den Stadtteil zu Gesicht kriegt, ist kein übler Ersatz: zur Zeit der Renaissance beförderten die Päpste das Viertel zum Finanz- und Handelsmittelpunkt Roms, und das ist noch heute spürbar. Reiche Römer und Legionen von Künstlern folgten dem Geruch des Geldes und errichteten hier ihre Paläste, die Seite an Seite mit bescheidenen mittelalterlichen Behausungen die Piazza Navona säumen.

Piazza Navona:

in ihrer langgestreckten Gestalt erkennt man unschwer den Ursprung: die Piazza Navona war unter Kaiser Domitian ein römischer Zirkus, erbaut 81 bis 96 n.Chr., und dessen Maße (276 m Länge bei 54 m Breite) sind im wesentlichen erhalten geblieben. Einer der einladensten Plätze Roms abseits des Autoverkehrs, mit Cafés wie Sand am Meer, deren Terrassen zum Verweilen einladen. Auch wenn´s auf der Piazza nicht selten schon ab spätnachmittags wimmelt wie auf einem Ameisenhaufen: es bereitet ein derartiges Vergnügen, den Italienern zuzusehen, wie sie, das tragbare Telefon lässig am Handgelenk baumeln lassend, ihre Freundinnen ausführen, dass man gar nicht mehr weg möchte.

Für den vorüberziehenden Touristen, behängt mit Fotoapparaten und die Nase im Reiseführer, unterscheiden sich die römischen Plätze nur in architektonischer Hinsicht. Irrtum: jede Piazza hat ihre Stammgäste. Ein subtiler sozialer und politischer Kodex verteilt die Müßiggänger nach Alter, Milieu und politischen Ansichten. Jedem seine Piazza!

So wie die Piazza di Spagna eher ein Ort der Anmache ist, so herrscht auf der Piazza Navona eher eine vertraut-familiäre Stimmung. So geht die Famiglia hier spazieren und trifft man seine Freunde. Bei alledem geht´s auch jugendlich-sympathisch zu.

Touristen lassen sich gerne von Porträtisten à la Montmartre zeichnen, die dort ihr Gewerbe aufschlagen, sobald das Wetter es erlaubt.

Vier-Ströme-Brunnen: in der Mitte der Piazza erhebt sich übersehbar der sagenhafte Brunnen Berninis, im 17. Jahrhundert Mittelpunkt von Wasserspielen, zu deren Zweck man den ganzen Platz flutete. Aus einer Muschelgrotte, die von windgepeitschten Bäumen bestanden und mit einem Obelisken überhöht ist, steigen ein Löwe und ein Seepferd auf. Vier allegorische Statuen repräsentieren die vier großen damals bekannten Flüsse: Donau, Ganges, Nil und Rio de la Plata. Diese stehen wiederum für die vier Erdteile Europa, Asien, Afrika und Amerika. Der Nil verhüllt sein Gesicht in Schleier, nicht aus Abscheu vor der Fassade der Agneskirche, sondern weil seine Quellen zu der Zeit noch unbekannt waren.

Nördlich des Vier-Ströme-Brunnens sprudelt der Neptunbrunnen, südlich davon der Mohrenbrunnen.
Borromini, Berninis Rivale, wollte seine Geringschätzung diesem Meisterwerk gegenüber zum Ausdruck bringen und vollendete die Fassade von Sant´Agnese mit einer Statue, die in arroganter Pose den Kopf wegdreht. Kleinkariertes Volk!

Sant´Agnese in Agone: der Name »Navona« ist eigentlich eine Verballhornung des Namens dieser Kirche: Sant´Agnese in Agone, n´Agone, Navone, Navona. Wo sich heute die als griechisches Kreuz erbaute St. Agneskirche erhebt, stand im 13. Jahrhundert ein berüchtigtes Bordell. Hier wurde die Heilige Agnes dreizehnjährig von ihrem Hausherrn gezwungen, sich vor dessen Augen auszuziehen. Und das Wunder ließ nicht lange auf sich warten: plötzlich begannen ihre Haare so schnell zu wachsen, dass sie ihre Blöße verbargen! Nach dieser etwas an den Haaren herbeigezogenen Geschichte köpfte man sie trotzdem, um mal was zum Lachen zu haben. Da schritt Gott dann merkwürdigerweise nicht ein – finden wir gemein! – so dass wir nun eine Heilige mehr zählen.

Chiesa S. Maria della Pace: hinter der Piazza Navona, im Westen. Man schlage die Via di Lorenesi gegenüber dem Neptunbrunnen ein, dann in der Verlängerung den Viccolo di Pace. Die Kirche gewährt montags, dienstags, mittwochs und samstags von 10-13h und an denselben Tagen außer samstags auch von 15-18h Einlaß. Donnerstags und sonntags geschlossen, sonntags morgens ist allerdings das Kloster geöffnet. An einem entzückenden Plätzchen fällt zunächst die barock umgestaltete Fassade auf. Der Innenraum aus dem 15. Jahrhundert ist ungewöhnlich: ein kurzes rechteckiges Langhaus und ein achteckiger überkuppelter Raum. Hierin fesseln die Fresken von Raffael, die vier Sibyllen darstellend, den Betrachter. Das Kloster aus dem 15. Jahrhundert darf sich eines von Bramante entworfenen Kreuzgangs rühmen.

Palazzo Madama: Corso Rinascimento, neben der Piazza Navona. Wundervoller Palast des 16. Jhs., ursprünglich für die Familie der Medici gedacht, heute Sitz des italienischen Senats – daher das Aufgebot an Polizei und Militär.

San Luigi dei Francesi: an der gleichnamigen Piazza. Lohnt einen Abstecher allein wegen der drei Bilder von Caravaggio in der fünften Kapelle des linken Seitenschiffs. Dieser geniale Maler, Totschläger und Kuppler zugleich, erfand den Scheinwerfer. Er arbeitete in einem schwarz gestrichenen Atelier; die Sonnenstrahlen richtete er auf sein Modell, indem er die Fensterläden einen Spalt weit öffnete. Nicht zögern, 10 Cent in den Automaten zu werfen, um die ... Scheinwerfer einzuschalten. Ferner einige nette Fresken von Perugino.

Und noch etwas Klatsch: hier ließ Chateaubriand seine Mätresse, Madame de Beaumont, begraben. Empörend, nicht wahr?

Chiesa S. Agostino: Via di San Agostino, nördlich der San Luigi dei Francesi. Man folge der Via della Scrofa und biege die zweite Straße links ein. Unbedingt anschauen: das Fresko des Propheten Jesaia von Raffael und die Pilgermadonna von Caravaggio.

Palazzo Braschi: Piazza S. Pantaleo 10; Tel. 686 55 62. Von der Piazza Navona aus nach rechts die Straße in südlicher Richtung bis zur Piazza di Pasquino einschlagen. Die Statue des Pasquino, aus der es nur so heraussprudelt, fehlt in keinem Winkel des Palastes, der dem Palazzo Braschi vorgelagert ist. Letzterer birgt das Museo di Roma, der Volkskunst und Folklore gewidmet. Öffnungszeiten: von 9-13.30h mittwochs, freitags und samstags; von 17-20h dienstags und donnerstags und von 9-13h sonntags und feiertags. Montags geschlossen. Auf Fresken und Gemälden präsentieren sich die Geschichte und Gestalt Roms seit dem Mittelalter.