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Rund um San Marco

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Rund um San Marco

Was man gesehen haben sollte

Markusplatz: sicher einer der bekanntesten Plätze der Welt, über dessen Ruhm wir kein weiteres Wort zu verlieren brauchen. Vaporetto-Station »San Marco«. Die Piazza – nebenbei bemerkt die einzige Venedigs; alle anderen Plätze nennen sich bescheiden Campo – ist ein längliches asymmetrisches Viereck, umrahmt von der Basilika San Marco auf der Ostseite und an den Längsseiten von langen zweigeschossigen Säulengängen – die Fassaden der Alten und Neuen Prokuratien – bei denen die drei klassischen Hauptstile, dorisch, ionisch und korinthisch, vertreten sind. Die westliche Schmalseite begrenzt eine Fassade, die Napoleon 1810 als »Eingangstrakt« zu seiner Residenz errichten ließ.

Hier steht auch die Torre dell‘Orologio, eine elegante Renaissancekonstruktion, bekannt wegen ihrer Mori, den zwei bronzenen Mohren, welche die Stunden schlagen. Drei Jahre lang tüftelten die Uhrmacher herum, bis der Mechanismus richtig eingestellt war. Und der Dank seitens der Herrschenden? Die ließen ihnen die Augen ausstechen, damit sie ihr Talent nicht andernorts anbringen konnten! Derart rüde Methoden kamen damals zur Anwendung, um »Industriespionage« zu verhindernebe. Man wird übrigens in den Uhrturm hineingelassen: von 9-12h und von 15-17h, sonn- und feiertags nur bis 12h. Montags geschlossen. T. 523 18 79. Wurde vor nicht allzu langer Zeit renoviert. Der Eingang, eine schwarze Tür neben einem Juweliergeschäft, befindet sich unter einem Portal. Hat man die beklemmend enge Treppe erst einmal erklommen, so tut sich ein großartiger Rundblick auf.

Sehenswert auch die schicken Caf‚s mit Kaffeehauskapellen; am bekanntesten ist das Caf‚ Florian (seit 1720) – ruhig einen Blick in die Salons werfen, die Einrichtung ist märchenhaft – und auch das Quadri, noch nicht ganz so betagt (19. Jh.).

Basilica di San Marco: im 11. Jh. als Ersatz für eine frühere Basilika fertiggestellt, welche bereits die Gebeine des Hl. Markus aufgenommen hatte. Zwei reiche venezianische Händler hatten den mumifizierten Körper des Heiligen 828 entdeckt – von jeher Gegenstand inbrünstiger Verehrung seitens der Christen – als sie vom damals herrschenden Dogen in besonderer Mission nach Alexandrien in Ägypten entsandt worden waren. Die Überführung konnte natürlich nur heimlich geschehen: um ihn vor den Blicken der Wächter zu verbergen, fiel unseren beiden Händlern nichts Besseres ein, als den Leichnam des syrischen Evangelisten, Ex-Bischof von Alexandrien, unter einer Lage gepökelten Specks zu verstauen. Den Muselmanen entwischte so die verehrungswürdige Mumie nach Venedig, und von diesem Tag an waren die Dogenstadt und der Evangelist ein Herz und eine Seele.

Die bewundernswürdige Architektur des allerheiligsten und berühmtesten Bauwerk Venedigs erinnert an die einstigen Verbindungen der Stadt mit Byzanz. Nicht zuletzt wegen ihres Grundrisses in Form eines griechischen Kreuzes, welcher einem dortigen Gotteshaus nachempfunden wurde. Die Hauptfassade weist fünf Portale mit orientalisch anmutenden Mosaiken auf. In ihrer Flächenhaftigkeit ist das eigentlich eine konservative Form, wenn man bedenkt, dass das gotische Europa bereits die plastische Figur entdeckt hatte und mit Skulpturen arbeitete, siehe z.B. die deutschen Kirchen aus der Zeit. Dahinter ragen die fünf bleigedeckten Kuppeln in den Himmel. Kein einziger Quadratzentimeter, dem im Laufe der Jahrhunderte nichts dekorativ hinzugefügt worden wäre. Der Markusdom geriet so zu einem weltweit einzigartigen stilistischen »Schmelztiegel« mit byzantinischen, islamischen, gotischen und Renaissance-Elementen. Während der Kreuzzüge erbeutete Kunstwerke und Materialen geplünderter Bauten trugen erheblich zur Ausschmückung der Basilika bei. Selbst Diebesgut mußte also zur Lobpreisung des Schöpfers herhalten ... Dabei heißt es doch in den Zehn Geboten, man solle seine Finger nicht lang machen. Aber wer hielte sich schon so genau an die lästigen Vorschriften, ob sie nun Altes Testament oder Grundgesetz heißen.

Den oberen Bereich der Fassade bildet eine Terrasse, von der aus der Doge die Zeremonien und Feierlichkeiten auf dem Platz verfolgte. Vor der Fassade postiert, stehen die vier antiken Bronzepferde – vorsichtshalber Kopien; Originale im Inneren – die vom vierten Kreuzzug als Trophäen aus Konstantinopel hergeschleppt wurden. 1797 ließ Napoleon sie nach Paris bringen, um den kleinen Triumphbogen vor den Tuilerien damit zu schmücken, 1815 wurden sie an ihren angestammten Platz zurückgeführt. Die Franzosen behelfen sich seitdem mit Kopien der Pferdchen.

Mit unbewaffnetem Auge werden die vier szenischen Darstellungen über der Balustrade nicht für jeden zu erkennen sein: Kreuzabnahme, Abstieg in die Vorhölle, Auferstehung und Himmelfahrt. Die dekorativen Fresken an den Portalen berichten von der Ankunft der Gebeine des Hl. Markus in Venedig.

Eine ganz eigenartige Atmosphäre nimmt uns beim Eintritt in die Kirche gefangen. Prunkvolle Mosaiken, die allein über viertausend Quadratmeter bedecken, und Marmorwerk aus den seltensten Steinen kleiden den gesamten Innenraum aus. Diese Mosaiken auf Goldgrund – daher der Beiname »Goldkirche« – wurden getreu der auf dem Athosberg kodifizierten orientalischen Tradition ausgeführt. Der goldene Altaraufsatz, die Pala d‘Oro, ist eine kostbare, teils byzantinische, teils venezianische Goldschmiedearbeit, die erst im Lauf von fünf Jahrhunderten (10.-14. Jh.) ihre endgültige Form erhielt. Auf Platten aus Goldemail sind Szenen aus dem Leben Jesu und der Apostel dargestellt (Besichtigung nur gegen Bares).

Auch wer sich sonst für religiöse Goldschmiedekunst begeistern kann, wird von der Besichtigung des Kirchenschatzes – gegen einen Obolus –enttäuscht sein: Kelche, Reliquiare, Weihrauchkessel, Schatullen usw., alles fein ziseliert und mit Edelsteinen besetzt. Der ganze Plunder fand den Weg von Konstantinopel hierher, nach Beendigung des vierten Kreuzzugs ...

Im Narthex – so nennt man in byzantinischen und altchristlichen Kirchen die typische Vorhalle – Zugang zur oberen Galerie (10-16h) und zum Museum (Eintritt!). Hier hat man Gelegenheit, sich die vier berühmten Pferde, die im Laufe der Geschicht so oft gegen ihren Willen auf die Reise geschickt wurden, aus der Nähe zu betrachten. Ihr letzter Ausflug führte sie übrigens in die Werkstatt eines Restaurators: Salz, Feuchtigkeit und industrielle Luftverschmutzung hatten bedrohlich an ihrer Substanz genagt. Um nicht der Luftverschmutzung Einhalt gebieten zu müssen, wurden sie nach der Frischzellenkur gegen vier Kopien ausgetauscht, welche nunmehr Schwefeldioxid und meterologischen Unbilden trotzen. Die geniale Lösung erinnert uns an das Motto »Sperrt die Kinder in die Garage, damit die Autos draußen spielen können« bei erhöhter Ozon-Konzentration der Luft ...