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Castello-Viertel

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Arsenale- und Castello-Viertel

Möglichkeiten zum idyllischen Bummel

Der dem Markusplatz am nächsten gelegene Teil Castellos ist mit diesem organisch verbunden. Hinweis für alle, denen die Zeit auch im Urlaub im Nacken liegt: in den Rundgang unbedingt einen Besuch der Kirchen Santa Zaccaria, Santa Maria Formosa und Ss. Giovanni e Paolo mit einschließen. Bleibt anzumerken, dass drei Viertel des Castello gar nicht mal sooo überlaufen sind. Ein idyllischer Bummel ist also allemal drin.

Ss. Giovanni e Paolo: Campo Ss. Giovanni e Paolo; Vaporettolinie 5 (Haltepunkt »Fondamenta Nuove« oder »Ospedale Civile«). Geöffnet 7.30-12.30 und 15.30-19h. Im Volksmund vertraulich »San Zanipolo« genannt, handelt es sich um Venedigs zweite große gotische Kirche, nach den Frari. Beim Anblick der Fassade wird augenscheinlich, dass den Bauherren mittendrin das Geld ausgegangen ist. Dabei ruhen hier die bekanntesten Dogen und verwandeln das Gotteshaus zu einem venezianischen Pantheon. Rechter Hand, dem Altar gegenüber, der »Hl. Vincentius Ferrerius zwischen St. Christopherus und St. Sebastian«, ein faszinierendes Polyptychon Giovanni Bellini;s – schon wieder der! – gefolgt von einem Monumentalportal und der völlig überladenen Dominikus-Kapelle mit einer Piazetta-Decke, die stark an Tiepolo erinnert. In der Rosenkranzkapelle eine hübsche »Anbetung der Hirten« von unserem alten Bekannten Veronese. Vis-à-vis die letzten Ruhestätten der Dogen, darunter die aufwendig gestaltete Grablege Morosinis (1382).

Auf der Piazza erwarten uns weitere Meisterwerke, wie z.B. das Renaissance-Reiterstandbild des Condottiere B. Colleoni – zählt in Italien sicher zu den schönsten – das in großen Teilen von Andrea Verrocchio gefertigt wurde (der Ärmste starb noch vor Vollendung seines Werkes).

Neben der Kirche erhebt sich die Scuola Grande San Marco, heute als Hospital genutzt, ein überragendes Beispiel für die Bauweise zur Zeit der Renaissance. Besonders die vier eigentümlichen Trompe-l‘oeil-Malereien auf der mehrfarbigen Fassade haben es uns angetan. Vielleicht die tollste Fassade in Venedig überhaupt. Was den Rio dei Mendicanti betrifft, so hat sich hier wahrscheinlich wenig verändert, seit er Guardi und Canaletto Modell gestanden hat. Im Hintergrund übrigens die San Michele-Insel.

Piazza und Kirche Santa Maria Formosa: auch hier bietet sich wieder ein anmutiges Zusammenspiel architektonischer Details. Was zunächst erstaunt: die Kirche besitzt zwei klassische Fassaden aus dem 16. Jh. Dazu gehören ein Campanile – mit einer lustigen, schiefen Fratze über dem Portal – aus dem Jahre 1688 und drei Rundapsiden. Im Kircheninneren das haarsträubende Triptychon Bartolomeo Vivarinis »Die Geburt der Jungfrau Maria«.

San Zaccaria: Campo San Zaccaria; Zutritt von 10-12 und 16-18h. Baubeginn im 9. Jh., umgestaltet während der Renaissance. Bemerkenswerte siebenstöckige Fassade. Nach der einen Seite hin der ehemalige Kreuzgang, heute von Läden in Beschlag genommen. Zur anderen Seite, deutlich abgesetzt, der alte romanische Glockenturm. Schauen wir uns kurz das Innenleben der Kirche an: eine »Jungfrau Maria mit Kind« von Giovanni Bellini; läßt kunstinteressierte Herzen höherschlagen. Ohne falsches Pathos: milde Gesichtszüge und lebhafte Farbgebung verleiten uns dazu, vor Rührung und Ergriffenheit auch den letzten Euro zu opfern. Geschnitztes und mit Intarsien verziertes Chorgestühl. Dem Eingang gegenüber ein »echter« Tintoretto und rechts davon ein ebensolcher Tiepolo. Gebührenpflichtiger Zutritt zu Kapelle und Krypta. Entschädigt werden Besucher u.a. durch drei sehenswerte Polyptychen.

Streifzug durchs Arsenale-Viertel

Willkommen auf einer der malerischsten Spazierrouten, die man sich nur vorstellen kann. Ausgangspunkt ist die Vaporetto-Station »Arsenale« (Linie 1). Von da geht‘s zum Campo Arsenale, wegen des originellen Eingangs zum Arsenal: zwei operettenhafte Türme bewachen Kanal und monumentales Eingangsportal aus dem 15. Jh. Als schmückendes Beiwerk dienen das Emblem der Stadt Venedig, eine Reihe von Statuen und natürlich das kräftige Löwenpärchen, Mitbringsel von weltweiten Expeditionen. Der Grundstein der Werften wurde im 16. Jh. gelegt; in der Folgezeit wurde sie aber stetig erweitert. Damals handelte es sich um das größte Industrieunternehmen der Christenheit, ja vielleicht sogar der ganzen Welt. Eine äußerste präzise Arbeitsplanung erlaubte den Bau eines Schiffes innerhalb nur eines Tages. Die Macht des Arsenale wuchs derart an, dass die Dogen es im 12. Jh. verstaatlichten – lange vor Post und Bahn! Dreitausend Arbeiter werkelten hier beim Bau schwerer Kriegsgaleeren.

Als Abschluß einer Arsenale-Besichtigung empfehlen wir die Route des Vaporettos Nr. 5, der den ganzen Komplex durchquert und uns so seine riesenhafte Ausdehnung vor Augen führt. Da es sich um ein militärisch genutztes Gelände handelt, ist eine Besichtigung nicht möglich – feindliche Kräfte könnten ja Geheimnisse des Galeonenbaus ausspähen. Gut, dann setzen wir eben unseren Streifzug fort und marschieren so lange wie möglich die hohe Befestigungsmauer entlang – mit ihrem typisch venezianischen Zinnenkamm und parallellaufendem Wassergraben – in Richtung Vaporetto-Anleger »Celestia« (Linie 5). Unterwegs haben wir ausreichend Gelegenheit, uns in Sackgassen zu manövrieren und an dörflich anmutenden Plätzen oder Gäßchen zu erfreuen. Einfach malerisch, die blumengeschmückten Giebelhäuser, die von Grünpflanzen, Blumen und Wildem Wein bewachsenen Mauerzinnen. Laufen wir bis zur Calle dell‘Anzolo (oder dell‘Angelo) und lassen ein völlig einzigartiges städtisches Lebensgefühl auf uns wirken. En passant riskieren wir den ein oder anderen Blick in allerliebste Gärtchen hinter hohen Mauern und erreichen schließlich die Ponte de la Scoazzera. Eine Augenweide auch der Campo de la Celestina (gleich hinter der Kirche San Francesco della Vigna).

Außerdem sehenswert im Castello-Viertel

Museo Storico Navale: Fondamenta dell‘Arsenale, T. 520 02 76; Einlaß von 9-13h, samstags nur bis 12h. An Sonn- und Feiertagen bleiben die Pforten geschlossen. Auf drei Stockwerken sind die erstaunlichsten Schiffsmodelle ausgestellt, darunter auch der Bucentaure, die Prunkgaleere der Dogen.
Jetzt die überbreite Via Garibaldi entlang, in früheren Zeiten ein Kanal. Die Gegend zählt in Venedig zu unseren liebsten Stadtbezirken, da gibt‘s gar kein Vertun. Touristen verirren sich kaum hierher – »weil‘s eh nichts zu bekieken gibt«, wie uns einer dieser besonderen Spezies Mensch anvertraute. Dabei haben auf dem unverfälschten, morgendlichen Markt noch die Einheimischen zahlenmäßig die Überhand. Ergreifen wir die Gelegenheit beim Schopf und gönnen uns eine kräftigende Mahlzeit in einem jener Restaurants mit Straßenterrasse, wie z.B. der Trattoria Giorgione (Via Garibaldi Nr. 1533; Montag Ruhetag). Ab hier sollte man seine Schritte in die unzähligen Gäßchen lenken, wo die Wäsche in Reih und Glied auf der Leine trocknet, einem farbenfrohen Fahnenschmuck für das ganze Viertel gleich. Tja, die damaligen Sozialwohnungen sahen halt noch malerischer aus als unsere heutigen ... Arbeiten wir uns vor bis zur Isola di San Pietro, wo der Campanile der ersten Kathedrale Venedigs jetzt allein auf weiter Flur steht.

Im San Pietro-Viertel schließlich umfängt uns die friedliche Atmosphäre eines ländlichen Fleckens; auf den Bänken im Freien versammelt sich gerne die ältere Generation zum Plausch. Zum Schluß sich wieder in Richtung Lagune halten und den Streifzug in den Giardini Pubblici (Schauplatz der Biennale) oder auf der Isola di Sant‘Elena an den Kais des Jachthafens beenden.