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Geschichte

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Ankerpunkt des Handels im Mittelmeer

Pakt mit dem Wasser - Schutz und Wohlstand

Im 5. Jh. fielen die Barbaren - so heißen unsere germanischen Ahnen im romanischen Süden und Westen Europas - über Venetien her. Die eingesessene Bevölkerung auf dem Kontinent fühlte sich damals bedroht und zog sich auf die Inseln der Lagune zurück, um vor Attila sicher zu sein, später zum Schutz vor den Langobarden. Der Mensch schloß einen Pakt mit dem Wasser; das Meer würde ihn zwar schützen, aber er mußte ohne Unterlaß gegen dieses Element ankämpfen, das immerhin später der Stadt Venedig zu märchenhaftem Ruhm und Reichtum verhelfen sollte. Rasch entwickelte die Stadt privilegierte Beziehungen mit Byzanz und wurde so zum Bindeglied zwischen Orient und Okzident. Praktisch der gesamte Mittelmeerhandel wurde über Venedig abgewickelt. Mit dem vierten Kreuzzug (1204) gelangte zusätzlicher Wohlstand in die Lagunenstadt. Die Kreuzfahrer heuerten bei venezianischen Händlern nämlich ihre Schiffe an. Eigentlich waren sie ja aufgebrochen, um die Heiligen Stätten in Jerusalem von den »Ungläubigen« zu befreien; die Venezianer überzeugten das kriegslüsterne Christenvölkchen dann aber von der Notwendigkeit, Konstantinopel auf den Pelz zu rücken, und es kam Blut und Feuer über die Metropole am Bosporus. Nach getaner Arbeit wurden die Kreuzfahrer dann zur Kasse gebeten, wegen der gecharterten Schiffe. Die Rechnung fiel gesalzen aus: über ein Viertel der Kriegsbeute fiel an die schlitzohrigen Venezianer!

Mit dem Untergang seiner Rivalin beherrschte Venedig jahrhundertelang den Mittelmeerhandel. Bis eines Tages Vasco da Gama den Seeweg nach Indien, vorbei am Kap der Guten Hoffnung, für die Portugiesen ausbaldowerte. Ein mächtiger Schlag ins Kontor Venedigs! Und dann »entdeckt« dieser Christoph Kolumbus auch noch Amerika! Spanische und portugiesische Kaufleute richten Handelskontore ein und sichern sich vorneweg die fettesten Brocken. Antwerpen reüssiert mit flandrischen Tuchen und Edelsteinen. Das mit Spanien liierte Genua, seit jeher eifersüchtige Gegenspieler Venedigs, sieht seine Stunde gekommen und nimmt zumindest teilweise dessen Platz ein. Der Anfang vom allmählichen Niedergang der Dogenstadt war gemacht. Sie konnte sich immerhin noch eine Armee leisten, die ihre Unabhängigkeit garantierte, jedenfalls bis 1797. Bis dahin hatte kein fremder Soldat je seinen Fuß in die Stadt gesetzt. Dann kam Napoleon Bonaparte, die Menschenrechtserklärung schwingend, und betrog das kleine Volk der Venezianer. Zuerst als großer Befreier willkommen geheißen und gefeiert, hob er die Stadtrepublik Venedig aus den Angeln und überließ sie danach dem österreichischen Kaiserreich. Nach dem deutsch-österreichischen Krieg von 1866 entschieden sich die Venezianer in einer Volksabstimmung für den Beitritt zum Königreich Italien.

Venedig und der Orient

Seine Vergangenheit als byzantinischer Besitz und später als Republik mit Vorherrschaft auf dem Mittelmeer und im Handel mit der Levante machte Venedig zur orientalischsten aller europäischen Städte. Venedig brachte auch ausgedehnte Ländereien im Orient in seinen Besitz, etwa Beirut, Antiochien oder Alexandrien. Venezianische Schiffe luden Gewürze und Baumwolle in Ägypten, Seidenwaren in der Levante und Farbstoffe in der Kreuzritterfestung Akko. Auch der Kaffee gelangte über Venedig ins christliche Abendland.

Wer die Hagia Sophia in Istanbul kennt, dem wird die architektonische Ähnlichkeit mit der Markuskirche ins Auge stechen. Außerdem ist Feilschen in manchen Geschäften noch gang und gäbe. Sobald man sich von den touristischen Trampelpfaden entfernt, stößt man auf Händler, die durchaus noch die Muße und das nötige Vertrauen in den Kunden haben, ein Geschäft nach allen Regeln des Basars abzuschließen. Und nicht zuletzt ist die Siesta geheiligt. Hier sind wir schon im Vorzimmer des Orient.

Als Beweis für die traditionelle Orientierung Venedigs nach Osten zitieren wir auch noch Marco Polo und sein »Livre des Merveilles« (Buch der Wunder). Dazu muß man wissen, dass er zu keinem Zeitpunkt eine schriftliche Fixierung seiner Reiseabenteuer vorgehabt hatte. Das Schicksal wollte es aber so und wir sind ihm dankbar dafür: bei seiner Rückkehr überprüften genuesische Zollbeamte sein Schiff und verbrachten ihn hinter schwedische Gardinen. Hier fand er genug Muße und Zeit, um einem französischen Mitgefangenen seine Reiseerlebnisse zu diktieren – so erklärt sich auch der Gebrauch der französischen Sprache. Sein in mehrere Sprachen übersetztes Buch war im Mittelalter dann grundlegend für die Kenntnis Zentral-, Ost- und Südostasiens.