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Stadterkundung

Plätze, Türme und berühmte Orte

Campanile (Schiefer Turm): vom Bahnhof Buslinie 1; für die Öffentlichkeit seit 1990 wegen Einsturzgefahr gesperrt. Wie alle anderen Touristen auch werden unsere Leser zuallererst dorthin pilgern ... um überrascht festzustellen, dass der Torre pendente Teil eines harmonischen Komplexes aus drei anderen Bauwerken ist, die einträchtig auf einer Wiese stehen: Duomo (Dom), Battistero (Baptisterium) und Camposanto (Friedhof).

Beim Campanilen handelt es sich um einen der berühmtesten Türme der Welt; wer »Schiefer Turm« sagt, meint Pisa, wer »Pisa« meint, sagt »Schiefer Turm« Der elegant-verspielte romanische Torre wurde 1174 begonnen. Nur wenige wissen, dass sich der Boden bereits beim Bau des dritten Stockwerks zu senken begann. Zwei allzu nahe Grundwasserschichten weichen den Untergrund auf und machen ihn anfällig für Klima- und Feuchtigkeitsschwankungen, was logischerweise die Stabilität beeinträchtigt. Danach ruhte die Arbeit neunzig Jahre lang. Aufmerksamen Beobachtern fällt auf, dass vom vierten Stock an bis ganz oben der Umfang der Etagen geringfügig kleiner ist als an der Basis. Offensichtlich war der Architekt bestrebt, die untere Neigung auszugleichen. Die durchschnittliche Senkung beträgt 2,40 m und nimmt pro Jahr um einen Millimeter zu - in letzter Zeit gar 1,26 mm. Selbst wenn der Turm sich mit der Geschwindigkeit weiterneigen sollte, werden noch zweihundert Jahre ins Land gehen, bis er - nach einem Jahrtausend schiefer Existenz - von der Bildfläche verschwinden wird. Einige Zahlen: Höhe auf der einen Seite 55 m, auf der anderen 53 m, Durchmesser 15 m, Gesamtgewicht 15.000 t. Abweichung an der Turmspitze von der Vertikalen: 5 m. Obendrein dreht sich das architektonische Kuriosum anscheinend auch noch um die eigene Achse.

Galilei, der als Physiker und Astronom in Pisa lebte, veranstaltete von der Spitze des Turmes aus jene Experimente, die ihm die Aufstellung der Fallgesetzte erlaubten. Er ließ Äpfel herunterfallen, und als Newton als englischer Tourist auf der Durchreise vorbeikam, bekam er einen auf den Kopf. So entsteht wissenschaftlicher Fortschritt (für die Details legen wir unsere Hand nicht ins Feuer).

Seit Jahrzehnten lösen sich übrigens Untersuchungskommissionen zur Verhinderung des drohenden Einsturzes ab, ohne das Ei des Kolumbus zu finden. Seit der kerzengerade Turm von Pavia 1989 einstürzte, hat man es besonders eilig. Seit 1992 soll ein Korsett aus Stahlseilen Verschiebungen der Steine verhindern. Ihre Teflonverkleidung ist der Farbe des Marmors angepaßt. Außerdem wurde das Fundament zur Verstärkung mit einem Betonring umgeben. Zusätzlich soll auf der Nordseite des sich nach Süden neigenden Turms ein Gegengewicht von 700 t versenkt werden. Die Hauptgefahr droht aber von den auseinanderbrechenden Steinen im ersten Stockwerk, auf denen das ganze Gebäude nun mal ruht. Modernste Technik soll Abhilfe schaffen: zwischen den Marmorblöcken sind neunzig an einen Videoschirm angeschlossene Sensoren verteilt, die das kleinste Beben des Turms registrieren. Das verrückteste unter den tausend Projekten zur Rettung des Turms ist zweifellos der Vorschlag, ihn mit einer gigantischen Colaflasche zu stützen. Ökologen schlagen vor, den Boden durch die Anpflanzung von Mammutbäumen (Sequoias) zu sichern. Manche plädieren auch für die Abu-Simbel-Lösung: abbauen und weiter weg wieder hochziehen.


Pierro Pierotti hält das alles für totalen Blödsinn. »Laßt den Turm in Frieden« lautet seine Parole. Seiner Meinung nach hat die Bebauung der Umgebung von 1838 sowie der Versuch von 1934, 100 t Beton in den Sockel zu spritzen, bedeutende unterirdische Wasserströme verursacht. Der Architekturhistoriker hat übrigens ein Buch mit dem bezeichnenden Titel »Der Turm ist nicht zu retten« verfaßt.

Erzbischöflicher Palast: Piazza Arcivescovado. Hier residiert heute die theologische Fakultät. Zu besichtigen gibt es zwar nichts, aber würdigen wir wenigstens den Innenhof aus dem 15. Jh. Vom Eingang aus schöner Blick auf die Arkaden und Statuen in den althergebrachten Toskaner Farben.

Via Santa Maria: wird gesäumt von eleganten Palazzi. Hinter den Portalen tun sich verborgene Schätze auf; viele Häuser sind tagsüber zugänglich. An den Fassaden läßt sich manch skurriles Detail entdecken, insbesondere im Umkreis der San-Nicola-Kirche (unten in Arnonähe), wo alle Gebäude in wunderlicher Weise gleichsam durchgeknetet, nachgebessert und notdürftig zurechtgeflickt wurden. Die Kirche selbst erscheint als Flickwerk, zu dem jedes Jahrhundert seinen Teil beigetragen hat. Den achteckigen Turm umlaufen feingearbeitete Säulchen; auch er ist leicht geneigt! Nr. 19 hat eine Riesentreppe mit Gewölbe, Doppelsäulen und allen Schikanen zu bieten.


Galileo Galileis Geburtshaus, gewährt von 9-12 und 15-18h Zutritt und präsentiert einige Erinnerungsstücke an den 1564 in Pisa geborenen Begründer der mathematischen Naturwissenschaft. Galileo ergründete mit wissenschaftlichen Methoden Fall- und Wurfbewegung, entdeckte mit seinem Fernrohr Marke Eigenbau die Phasen der Venus, die Unebenheit der Mondoberfläche und die Jupitermonde und geriet so in einen scharfen Gegensatz zum Aristotelismus als herrschender kirchlicher Lehre. Anläßlich der Frage des kopernikanischen Weltbildes entzündete sich ein offener Konflikt, der 1615/16 in einem Inquisitionsprozeß zu Rom mündete. Da die selbsternannten Rechthaber Galileo nun nichts entgegenzusetzen hatten, verurteilten sie ihn zum Schweigen. Dicker kam´s 1632, als sich Galileo in seiner Schrift über das ptolemäische und kopernikanische Weltsystem zu seiner Lehre bekannte und ihm 1633 ein zweiter Prozeß gemacht wurde, bei dem er unter Androhung der Folter zum Widerruf gezwungen werden sollte. Noch in kirchlicher Haft tüftelte er weiter an seinen astronomischen und mechanischen Untersuchungen. Bis seine verbotenen Werke endlich vom Index gestrichen wurden, sollten noch zwei Jahrhunderte vergehen. Vergleiche auch die Einführung, »Renaissance«.

Anstatt sich voller Scham Asche aufs Haupt zu streuen, entblödet sich die Amtskirche nicht, ihre unschuldigen Opfer noch Jahrhunderte später »rehabilitieren« zu wollen. Erinnert werden soll hier an einen weiteren berühmten Gelehrten, dessen »Rehabilitierung« wir noch harren.
Giordano Bruno, dem philosophischen Mönch, ereilte im Jahre 1600 der Tod auf dem Scheiterhaufen auf dem Campo dei Fiori in Florenz. Bert Brecht setzte ihm mit »Der Mantel des Ketzers« ein Denkmal.



Geboren 1548 in Nola, trat Filippo, so sein eigentlicher Taufname, 1563 dem Dominikanerorden bei, den er wegen seiner Anschauungen 1576 aber wieder verlassen mußte. Filippo ging daraufhin erst einmal auf Wanderschaft: durch die Schweiz, nach Frankreich, England - hier verfaßte er am Hof der Königin Elisabeth seine Hauptwerke - und Deutschland. Nach seiner Rückkehr 1592 nach Italien lieferten ihn Denunzianten der Inquisition aus. Nach siebenjähriger Gefangenschaft starb er den Feuertod, weil er ein mit der Kirchenobrigkeit nicht zu vereinbarendes (pantheistisches) Weltbild propagierte. Dieses gründete sich auf die Lehren des Kopernikus und des Nikolaus von Kues: das Universum sei unendlich, durchwaltet von einer göttlichen Weltseele; die einzelnen Dinge seien in einer Weltvernunft begründet, in ihnen spiegele sich die Einheit des Universums wider usw. Wenn nun schon die Erde als Planet die Sonne umkreiste, warum sollten dann nicht auch um andere Sterne Planete kreisen? Und warum sollten nicht manche dieser Planeten bei fernen Sternen genauso bewohnt sein wie die Erde, von Lebewesen, die genauso Gottesgeschöpfe wären wie die Menschen? Und plötzlich hatte der Kosmos Platz bekommen für zahllose Schöpfungen, Paradiese und Bethlehems! Zuviel für die engstirnigen Verfechter des aristotelischen Weltbildes, denen abertausende Wissenschaftler, »Hexen« und vernünftige Menschen ihre Einäscherung zu verdanken hatten.

Botanischer Garten (Orto Botanico): zwischen Via Roma und Via Maria, Eingang in der Via L. Ghini. T. 56 17 95. Einlaß von 8-13 und 14-17.30h; samstags nur am Vormittag. Cosimo Medici stiftete den Orto im 16. Jh. Im unteren Teil des Gartens das Mineralogische Museum.

San Frediano: Piazza San Frediano, neben der Piazza Dante. Kirchenfassade im Pisaner Stil. Das Innere wirkt recht uneinheitlich; bemerkenswert sind die korinthischen Säulen und die »Anbetung der drei Weisen« von A. Lomi; und die protzigen Beichtstühle aus Marmor - über einem prangt mahnend eine Allegorie des Todes. ebaWär doch gelacht, wenn man die Frommen durch dergleichen psychologische Finten nicht zum willfährigen Plaudern bekommen sollte. Wo doch Informationen aus erster Hand schon damals gleich Macht bedeuteten.
Im Süden der Piazza Dante erhebt sich die Universität: Università degli Studi.

Piazza dei Cavalieri: unser Lieblingsplatz. Hier passieren mehr Studenten mit Fahrrädern als Autos. In der Stille der Nacht entfaltet er seinen ganzen romantischen Zauber. Die umliegenden Palazzi dienen heute fast alle als Seminargebäude. Unter ihnen ragt der Palazzo dei Cavalieri aus dem 16. Jh. hervor (Scuola Normale Superiore), den der berühmte Giorgio Vasari tutto completto mit Graffiti verziert hat - nicht mit der Sprühdose, sondern indem er einen hellen Verputz über dunklem Untergrund zerkratzte. Sehenswert weiterhin die Doppeltreppe mit Balustrade und die reichverzierten Statuen der toskanischen Großherzöge in ihren Nischen. Vor dem Haus schmückt die Statue des ersten Medici einen niedlichen Brunnen (16. Jh.).



Gegenüber der Palazzo dell´Orologio, in dessen Anlage zwei vollständige mittelalterliche Türme einbezogen sind, die eine hohe, gewölbte Passage verbindet. Einer der Türme des leicht gewölbten Gebäudes mit anmutiger Loggia war das Stadtgefängnis. Im 13. Jh. schmachtete hier Graf Ugolino della Gherardesca, ehemaliger Podestà zu Pisa, zusammen mit seinen Kindern. Wegen Machtmißbrauchs hatte man ihn zum Hungertod verurteilt. Angeblich soll er eines seiner Kinder aufgegessen haben, wie Dante in seiner Divina Comedia behauptet. Goethes Zeitgenosse Gerstenberg verarbeitete die Geschichte übrigens zu einem wüsten Schauerstück. Unter der Passage bemerkt man eine Ecke des Turms, der sich von der Mauer absetzt.

Die Fakultät für Handelsrecht besitzt ein besonders schönes Portal mit Balkon darüber.