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Geschichte

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Bedeutsame strategische Position

Symbol des Wirtschaftswunders

Abstecher in die Historie

Mailand hatte zu jeder Zeit eine strategisch höchst bedeutsame Position inne. Kaiser Konstantin setzte hier seine Unterschrift unter ein Dekret, das den damaligen Christen freie Religionsausübung gewährte. Später gab es keinen Eroberungszug, keinen Krieg und keine Besetzung, ohne dass die lombardische Kapitale nicht im Spiel gewesen wäre. Wer Mailand besaß, besaß auch den italienischen Stiefel. Im 13. Jh. hätte eine Volkszählung bereits 200.000 Bewohner ergeben und über tausend Läden, getreu seinem Ruf als Handelsmetropole. Die Textilverarbeitung blühte auf und lieferte bereits damals einen Vorgeschmack auf Mailands spätere Funktion als Modestadt. Im 14. und 15. Jh. war die Region Mailand Großmacht: lombardische Bankiers knüpfen internationale Geschäftsbeziehungen – daher beispielsweise der Name Lombard Street in der City of London – die Baumeister der Gegend schöpfen aus dem Vollen (Duomo, Kartause von Pavia usw.). Die fruchtbare lombardische Ebene bringt beachtliche Überschüsse hervor und ruft unter anderem französische und spanische Besatzer auf den Plan. Die machen Bekanntschaft mit der Renaissance und bringen den frischen Wind, den neuen Stil, mit nach Hause. Im 17. Jh. wird Mailand spanisch, ein Jh. später österreichisch. 1796 bereitet es dem Befreier Bonaparte einen triumphalen Empfang. Die junge Französische Revolution bringt die überkommenen Machtverhältnisse ins Wanken, ihre subversiv-republikanischen Ideen fallen bei Intelektuellen und Angehörigen der jungen Generation auf einen fruchtbaren Boden. Als 1815 die verhaßten Österreicher nochmals zurückkehren, geht von Mailand der Widerstand aus. Die mächtige Welle der bürgerlichen europäischen Revolutionen läßt 1848 auch Mailand nicht aus, aber es sollte noch bis 1859 dauern, bis die Stadt mit dem Italienfeldzug Napoleons III. ihre Freiheit erlangt. Ein Jahr darauf schließt sich auch die Region Mailand dem geeinten italienischen Nationalstaat an.

Die industrielle Revolution gibt der Stadt ihren ersten Platz innerhalb Italiens zurück. Die Industriekapitäne tun, was sie nicht lassen können – nämlich sich bereichern – und überziehen die Mailänder Stadtmitte mit derart häßlichen Baudenkmälern, dass sie uns heute schon wieder schön anmuten. Unter Mussolini und zur Zeit des Nazi-Faschismus erhält Mailand ein weiteres Mal Gelegenheit, seinen Ruf als Hauptstadt des Widerstands unter Beweis zu stellen. Überhaupt drang das staatlich verordnete faschistische Gedankengut Mussolinis nie so tief in die italienische Gesellschaft ein wie Hitlers Nationalsozialimus in die deutsche; ganz einfach deshalb, weil Italiener traditionell nichts von staatlicher Macht halten. Zurück in die Mailänder Geschichte: in den fünfziger und sechziger Jahren erlebt die Stadt einen nie dagewesenen industriellen Aufschwung (Miracolo economico). Arbeitslose und Bauern aus dem verarmten Mezzogiorno, also dem Süden des Landes, entdecken Mailand als ihre Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten und strömen auf der Suche nach Arbeit und Brot nach Norden.

Mailand heute

Wir wiederholen uns: Mailand setzte sich nach dem Zweiten Weltkrieg wieder an die Spitze der ökonomischen Entwicklung und wurde so etwas wie ein Symbol für das italienische Wirtschaftswunder. Von den vierzig in Italien ansässigen ausländischen Banken entschieden sich sechsunddreißig für Mailand als Gesellschaftssitz. Hier finden sich auch die maßgeblichen Verlagshäuser, Werbeagenturen und privaten Fernsehsender. Das alles konnte freilich nicht verhindern, dass auch Mailand in den Siebzigern der ökonomische Wind mitten ins Gesicht blies: die Stadt scheint wie gelähmt, ihr Lebenswillen langsam zu erlöschen. Mit den industriellen Boomzeiten ist es vorbei, etwas anderes muß her, ein frischer Wind. Mailand besinnt sich auf seine Aufgabe als Dienstleistungszentrum, poliert sein Image als Mode- und Designkapitale auf und wahrt so die Kontinuität seiner jahrhundertealten Industriekultur.

Die traditionell eher nördlich orientierte denn mediterrane Metropole – behaupteten Lästerzungen nicht bis vor kurzem, Mailand werde von französischsprachigen Österreichern bewohnt? – fühlt sich von ihrem Selbstverständnis her New York und Tokio enger verbunden als Rom oder Neapel. Ein weiteres Indiz für traditionelle Weltoffenheit und eine empfindliche Antenne für internationale Entwicklungen. Der lombardischen Metropole macht heute jedenfalls niemand mehr ihren Ruf als Hauptstadt von Kreativität und Fantasie streitig – schon gar nicht das korrupte, bürokratische und intrigante Rom. Mailand hat ein postindustrielles Gesicht bekommen, geprägt von Dynamik und Modernität, und verdient mehr denn je seinen Beinamen Città delle occasioni, »Stadt der Gelegenheiten«.