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Gedenkwürdige Plätze

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Stadt der Sünder und Kirchen

Fundgruben der Kunst und Geschichte

San Francesco: ausladende Fassade, deren sechs Pilaster (Wandpfeiler) mit der Untergliederung des Kirchenschiffs und der Gewölbefelder übereinstimmen. Kunsthistorische Fundgrube für religiöse Malerei, Grabsteine und Sarkophage.

Corso della Giovecca: zusammen mit dem Corso Ercole I Este das Rückgrat des »Neubauviertels« aus dem ausgehenden 15. Jh., dessen Planung (Addizione Erculea) ganz in der Hand eines Architekten lag: Biagio Rossetti. Sein besonderes Verdienst liegt darin, erfolgreich Städteplanung betrieben zu haben, indem er harmonisch mittelalterliche Alt- und Neustadt miteinander verband. Ja, beide verschmolzen miteinander zu einer modernen städtebaulichen Einheit, ohne dass es zu Brüchen zwischen den Wohnbezirken der Reichen und Armen gekommen wäre. In weniger als zehn Jahren wuchsen zwanzig Palais und ein Dutzend Kirchen in die Höhe.

Haus Nummer 47, der Palazzo Roverella, weist auf seiner Fassade hübsche Terrakottaverzierungen auf.

Palazzo dei Diamanti: Corso Ercole I Este. Besonders gelungenes Beispiel für die Kunst Biaggio Rossettis. Nachdem ihm der letzte Weltkrieg übel mitgespielt hatte, vollbrachten die Restauratoren eine wahre Glanzleistung. Allein für die Diamantspitzenfassade bedurfte es über zwölftausend Marmorblöcke. Folgendes Detail bringt die ganze Raffinesse des Architekten zum Ausdruck: der Schwingungs- und Lichteffekte wegen ließ er im unteren Teil des Gebäudes die Spitzen der »Diamanten« leicht nach unten zeigen; in der Mitte sind diese horizontal ausgerichtet und im oberen Teil weisen sie nach oben! Auch die Gesimsstreifen im Winkel zwischen Fassade und reich verziertem Balkon zeugen von hoher handwerklicher Kunst. Ihm verdanken die beiden imposanten Mauern an ihrer Schnittstelle eine gewisse Leichtigkeit und Flüssigkeit.

Die Nationalgalerie hat sich in den Räumen des Diamantenpalastes eingenistet. Zutritt täglich außer montags von 9-14h, sonntags bis 13h. Am zweiten und vierten Sonntag und zusätzlich am ersten und dritten Samstag jeden Monats kommt man sogar umsonst rein!

Hier ist alles versammelt, was in der Malerei Ferraras Rang und Namen hat: Saal 1 wartet mit kostbaren Fresken auf; Saal 2 mit Gemälden Benvenuto Tisis, genannt »Garofalo«, und einer »Schlafenden Jungfrau Maria« von Carpaccio;. Saal 3 ist ganz Garofalo gewidmet - hier lohnt ein Blick an die Decke. Saal 4 beschert uns eine ganze Apostelserie des Maestro dei Dodici Apostoli. Im hinteren Saal das Retabel »Jungfrau Maria mit Heiligen« von Garofalo gebührend beachten! Nach Durchschreiten des Freskensaals geht´s dann wieder mitten hinein in die religiöse mittelalterliche Malkunst: mit Giovanni de Modena;, Francia; und, last not least, den leicht überdrehten Manieristen ...

Zu ebener Erde die Städtische Galerie für Moderne Kunst mit wichtigen Wechselausstellungen.

Gleich neben der Pinakothek, am Corso Porta Mare, kümmert sich ein kleines Museum um die künstlerische Hinterlassenschaft des Malers Giovanni Boldini.

Bevor wir uns jetzt aus dem Staub machen, noch einen Blick auf das Portal des Prosperi Sacrati werfen, vis-à-vis des Diamantenpalastes. Ein Vorbild für Harmonie und Proportion, mit seinen grazilen Engelchen, welche die Marmorbrüstung am Herabfallen hindern.

Wer Friedhöfen etwas abzugewinnen vermag, sollte sich einen Bummel über zwei besonders malerische Exemplare im näheren Umkreis gönnen. Da wäre zunächst einmal jener von Certosa: hinter dem Diamantenpalast dem Corso Porta Mare folgen und nach links in die Via Borso abbiegen. Die Kartause aus dem 15. Jh. wurde im vorigen Jahrhundert zum Gottesacker umfunktioniert. Gleich vorne im rechten Flügel die ältesten Grabstätten, eingebettet in lauschige Patios oder große Säle mit geheimnisvollem Halbdunkel.

Da wir schon mal hier sind, gleich noch einen Blick in die Kirche San Cristoforo alla Certosa geworfen. Ganz abgesehen davon, dass es sich um ein Werk Rossetti;s handelt, sind hier allerei Retabel, Gemälde, Altarfronten und Tabernakel zu bewundern.

Von hier bietet sich ein Abstecher zum Jüdischen Friedhof an: einfach den Corso de Porta Mare zurücklaufen und links in die Via del Vigne einbiegen. Bei der Wächterin läuten, um Einlaß bitten und hoch und heilig versprechen, keine Fotos zu schießen. Die Mitglieder der berühmten Familie Finzi-Contini liegen hier begraben (vgl. den lesenswerten Roman »Die Gärten der Finzi-Contini« von Giorgio Bassani). Fast mutet der besinnliche, grünende Friedhof wie ein Park an, so weit sind die einzelnen Grabstellen voneinander entfernt.

Wer jetzt immer noch gut in der Zeit liegt, marschiert über den Corso de Porta Mare bis zur Via Ariosto zurück. Hier steht auch das überraschend schlicht gehaltene Wohnhaus des großen Lodovico Ariosto, in dem er über zwanzig Jahre lang an den vierzig Gesängen seines »Rasenden Roland« (Orlando Furioso) dichtete. Weiter über die Via Ariosto, dann die Via Alighieri (jenseits der Viale Cavour). Irgendwann kommt der Palazzo Bentivoglio in Sicht, von diesen Touristen zumeist schnöde übergangen da zu weit außerhalb. Bequemes Pack! Über dem mächtigen Eingangsportal prangen großtuerisch die Familienwappen. In den Fensterzwischenräumen jeweils liebevoll gemeißelte Fahnentrophäen. Die Fassade kann es mit ihren prächtigen Kolleginnen in der Stadt durchaus aufnehmen.

Ein geflügeltes Wort in Ferrara lautet: »Dass wir so viele Kirchen haben, liegt daran, dass bei uns die Sünder so zahlreich sind!« Noch haben wir die Stadt ja nicht verlassen ...