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Rundgang

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Auf den Spuren der Geschichte

Sehenswerte Objekte in Bologna

Die Arkaden

Marschieren läßt es sich wunderbar in Bologna dank der »Portici«, die bei genauerer Betrachtung ein Stück Sozialgeschichte verraten. Schon vor 1249 müssen sie existiert haben, denn da legt die Stadt eine Höhe von mindestens 7 Fuß (hä?) fest (2,66 m), so dass ein Reiter zu Pferde ohne Mühe passieren konnte. In der Folge schrieb die Stadt sie zwingend vor. Erst zur Zeit der Adelsherrschaft im 15. Jh., der Signoria (s. später auch die Familie Bentivoglio) und ihrer Verlängerung unter päpstlicher Fuchtel, die sich architektonisch an Florenz ausrichtete und in den Bogengängen eine Beeinträchtigung ihrer Vorrechte sah, da sie nämlich das gemeine Volk zu nahe kommen ließen, wurde diese Vorschrift aufgehoben. Folglich durchbrechen die Renaissaincepaläste die einwohnerfreundliche, »demokratische« Front der Portici und stellen ihre Distanz vom Treiben der kleinen Leute auf der Straße, der Niederlassung von Händlern, Straßenkrämern usw. architektonisch zur Schau.



Die längste durchgehende Strecke mit 4 km ist übrigens die von der Porta Saragozza bis hinauf zur Wallfahrtskirche San Luca, die nebenbei einen eindrucksvollen Blick über die Stadt, die Emilia Romana und in den Appenin hinein beschert. 1674 wurde diese geschlossene Arkade fertiggestellt.

Rundgang durch Bologna

Bologna als geschichtsträchtige Stadt zu bezeichnen ist zwar nicht falsch, wäre aber untertrieben. Bologna strotzt geradezu vor Zeugnissen der Geschichte! Und da sich die Innenstadt herrlich zum Zufußlaufen eignet - wie auch sonst? - wird abends niemand seine Beine mehr spüren. Wir überlassen es jedermanns Spürsinn, dabei jene Hälfte der Kirchen zu erkunden, die wir aus Platzgründen aussparen mußten.

Piazza Maggiore ): ein Platz, wie es selbst in Italien nur wenige gibt. Hier liegt der Palazzo del Podestà mit einem Turm vom 13. Jh. und dem Hauptbau aus der Renaissance. Das Palais der Notal (Notare) präsentiert sich dem Betrachter mit zinnengeschmückter Fassade und ansehnlichen Fenstern.

Die Basilika San Petronio ist ein Kind des 14. Jhs. Die ungewöhnliche Fassade - lediglich für den Sockel hat man Marmor verwandt - wurde niemals fertiggestellt. So eine Faulheit aber auch!



Tatsächlich bezeugt die Basilika noch einmal den Sieg des Papsttums über die kommunalen Freiheiten, welche die Stadt eh nach kurzer Zeit zugunsten des päpstlichen Regimes wieder verlor, ohne dass der Konflikt nun innerhalb des welfischen Lagers überwunden gewesen wäre. Läuft man an der linken Flanke vorbei, so entdeckt man, dass der Bau der Kirche selbst abgebrochen wurde und dass das schon genügend beeindruckende Hauptgebäude der Basilika nur Teil eines weiteren Bauplanes war. In einem Nebenraum der Kirche findet man ein Modell des ursprünglichen Vorhabens, das St. Peter in Rom weitaus in den Schatten gestellt hätte. Dies konnte der Vatikan nicht zulassen. Um jeden Gedanken an einen Weiterbau auszutreiben, entschloß sich die Kurie - abgesehen von einem Verbot - zu einer an Klarheit und Eindeutigkeit nichts zu wünschen lassenden Maßnahme. Sie errichtete 1562-1563, in der Rekordzeit von unter einem Jahr, die Universität, »Archiginnasio«, parallel zur abgeschnittenen linken Domseite, und verdeutlichte damit, wer Herr im Hause war.



Bemerkenswert ist auch das Mittelportal. Im Inneren ergänzen sich Proportionen und Volumina zu einer beeindruckenden Raumwirkung: ein Fest von Spitzbögen in Rot- und Rosatönen. Die aufwenig verzierten Seitenkapellen haben wir gar nicht erst gezählt. Diejenige mit den drei Weisen aus dem Morgenland, es handelt sich um die vierte links mit der Marmorbalustrade, enthält ein schauerlich-schönes Fresko: »Die Hölle«. Aha, so wird´s also uns und allen ergehen, die nie ein gutes Haar an Mutter Kirche ließen ... Am Boden ist sicher schon die »Mittagslinie«, ein Kupfermeßband, aufgefallen, eine der ganz seltenen, noch erhaltenen Sonnenuhren: Genau mittags wandert ein Lichtstrahl aus einem Loch im Gewölbe flackernd das Band entlang; übrigens seit 1656. Die unruhig zitternden Ränder des Sonnenbildes rühren von Eruptionen auf der Sonnenoberfläche her.

Von besonderer Schönheit sind die Fenster in der S. Croce-Kapelle.

Im rechten Seitenschiff weitere Leckerbissen für kunstliebende Klosterbrüder: u.a. ein gemaltes Kruzifix von Francia, der »Hl. Hieronymus« von Lorenzo Costa und die »Grablegung« Amigo Aspertinis.



Im Chor mit Einlegearbeiten verziertes Chorgestühl in der Manier des 15. Jhs. Links geht´s zu einem bescheidenen Museum, u.a. mit einem nach ursprünglichen Plänen erstellten Modell der Basilika. Vorne links im Chor wurde dereinst Karl V. 1530 zum deutschen Kaiser gekrönt - nach finanzkräftiger »Wahlhilfe« durch Fugger und Welser. Den Job als König von Spanien erledigte er gleich mit. Insgesamt berappte er die ungeheure Summme von 850.000 Dukaten Bestechungsgeld, was die Indianer u.a. im südamerikanischen Potosí unter Vorhalten von Schwert und Kreuz - der Herr sei gepriesen! - dann wieder teils hereinschafften. Lesenswert dazu: »Die Offenen Adern Lateinamrikas«, Peter Hammer Verlag.

Palazzo Comunale (Accursio): errichtet im 13. Jh.; der Uhrturm entstand jedoch erst zweihundert Jahre später. Bologna war lange Zeit Besitzung des Vatikans. Die Bronzestatue des bolognesischen Papstes Gregor XIII. entging mit knapper Not dem Schmelzofen, als einer der zahlreichen Kriege in der Stadt wütete. Die listigen Bolognesen legten ihm einen Krummstab in die Hände und riefen bei den Angreifern so den Eindruck hervor, es handele sich um einen einfachen Bischof. Es lohnt sich, das Innenleben des Palazzos zu erkunden, schon allein der malerischen Höfe wegen. In den Mauern des Comunale ist auch eine städtische Kunstsammlung untergekommen (u.U. sind die Umbauarbeiten noch nicht abgeschlossen).

Piazza del Nettuno: begrenzt duch den Palast König Enzos. Den Mittelpunkt markiert ein wunderbarer Neptun-Brunnen, ein Meisterwerk des 16. Jhs. In der Unterführung zur Via Ugo Bassi sind noch die Überreste der alten Römerstraße von Mailand nach Rimini erkennbar sowie solche des Kanalisations- und Frischwassersystems. In der Folgezeit sollten die Bolognesen erst im 19. Jh. wieder mit ordentlichem Trinkwasser versorgt werden!

Der Brunnen ist eine kleine Entschädigung der Kurie an die Stadt, weil diese von dem Bau von S. Petronio in seiner ursprünglichen Form Abstand nehmen mußte. Da es sich bei dem Entwurf um ein heidnisches Motiv handelte, mußte es zunächst mal von Rom gebilligt werden.

Der Palast war als Sitz der Stadtregierung gerade fertiggestellt, als die Bolognesen im Mai 1249 einen Überraschungssieg über König Enzo (od. Enzio, Kurzform v. Enrico, Heinrich), Sohn Kaiser Friedrich II. von Hohenstaufen errangen, und jenen festsetzten. Konradin (1252-68), der letzte Hohenstaufe, wurde übrigens auf der Piazza del Mercato in Neapel geköpft. Ach wär er doch daheim geblieben! Die Geschichte Italiens »beginnt« mit dem langen Zwist zwischen Guelfen und den kaisertreuen Gibellinen. Erstere sind Partei der frühbürgerlichen, freien Kommunen und damit Geburtsstätte des Handelsbürgertums und der frühzeitig die kapitalistische Produktionsweise vorbereitenden Handwerkszünfte. Hätten die Gibellinen unter Friedrich II. gesiegt, so wäre Italien zum zentralistisch regierten, »modern« verwalteten Einheitsstaat geworden. Dies vermutlich um den Preis zumindest einer Verzögerung der Renaissance und all der von ihr ausgehenden Anstöße, nicht zuletzt die »Erfindung« des Frühkapitalismus, des Bankwesens und der modernen Naturwissenschaften. Der Sieg der Guelfen, in taktischer Allianz mit dem Papsttum, bedeutete zunächst dessen Vormacht und damit die Zersplitterung Italiens und die fortwährende Bedrohung der städtischen Freiheiten des frühen Bürgertums selbst.



Die Bolognesen setzten Enzo mit allen Ehren bis zu seinem Tode 1272, lange nach Erlöschen des hohenstaufischen Geschlechts, fest, ja gestatteten ihm einen regelrechten Hofstaat. Weltlich erzogen, gebildet und Anziehungspunkt für reiche Sprößlinge des Bürgertums wurde der »Hof« König Enzos eine der Wiegen italienischer (statt lateinischer) Kultur bzw. Literatur. Zusammen mit seinem Vater Friedrich II. wird Enzo als einer der ersten Lyriker italienischer Sprache in den Schulanthologien geführt und zitiert.