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Drei Schluchten

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Desaster am Jangtse Kiang

Bändigung des großen Drachen

Der chinesische Drei-Schluchten-Staudamm am Jangtse-Kiang, das weltweit größte Wasserkraftwerk, erzeugt mit 26 Turbinen 18,2 Gigawatt Strom. Er sollte Chinas Prestige durch gewaltige Baukunst in die Höhe treiben, sollte beeindrucken, die Herrschaft des Menschen über die Natur aufzuzeigen - der drittlängste Fluss der Welt, gebändigt von Menschenhand … Nun wurde der Staudamm zum Zeichen der Misswirtschaft. Dabei wird der chinesischen Regierung nicht nur die Zerstörung des Lebens Tausender Einheimischen angekreidet sondern auch schwerste Umweltschäden.

Li Peng, Ingenieur und damaliger Ministerpräsident, leitete 1994 den Bau in die Wege. Dabei war vielen bereits damals der Wahn dieses Vorhabens bewusst: Kritiker argumentierten mit Versandung, Verschlechterung der Wasserqualität, fatalen Folgen der Riesenumsiedlungen und vielem mehr. Selbst im Volkskongress, der als Puppentheater gewöhnlich nur nach dem Willen der Mächtigen entscheidet, wehrte sich 1992 ein Drittel gegen den Staudamm.

Nun zeigt sich die Wahrheit der mahnenden Stimmen. Arbeitslosigkeit, Bodenerosion, Versandung und Umweltverschmutzung sind die schlimmsten Folgen.

Nehme man nur Chongqing als Beispiel, eine 28-Millionen-Stadt, am Seeufer. Ignoriere man das scheußliche Gesicht aus Autobahnen, Fabriken, Geschäften, Hochhäusern, ignoriere man die verpestet Luft (Abgas, Chemie) und wende man sich dem Wasser zu. Nicht nur den Ablagerungen, welche die Verlangsamung der Fließgeschwindigkeit mit sich brachte und die nun großen Schiffen den Zugang zur Metropole verwehren (ein neuer Hafen soll helfen), nein, betrachte man die Wasserverschmutzung. In der Chemiestadt Chongqing fließen die Abwässer tausender Fabriken in den Fluss, jährlich Millionen Tonnen, die früher im Meer landeten. Nun sammeln sie sich im Stausee, gemeinsam mit den Abwässern der Millionen Einheimischen, mit Düngern aus der Landwirtschaft, Fäkalien …

Das Flusswasser ist weder für die Äcker noch für Menschen verwendbar, sondern vielmehr eine Bedrohung. An Nebenflüssen des Jangtsekiang, deren Wasserstand sich stets um etliche Dutzend Meter ändert, wuchern Algen.

Wasserdruck und unsteter Wasserstand bewirken zudem eine Aushöhlung der Erde, was für Erdrutsche sorgt, die regelmäßig etliche Todesfälle fordern. Da scheinen Rattenplagen als weiteres Übel kaum einer Erwähnung wert.

Traumhafte Industrialisierung und Umsiedlung - auf dem Reißbrett

Die Idee der Führer endete nicht beim Staudamm sondern galoppierte weiter. Wo früher Felder bearbeitet wurden, sollte ein Industriegebiet entstehen, Landbewohner in Städte ziehen. Sie planten eine Veränderung der Wirtschaft im Jangtse-Tal, ein Umkrempeln seiner über hundert Millionen Einwohner. Die Energie zur Industrie liefert - natürlich - der Staudamm.

Doch was auf dem Reißbrett so schön klang, zeigt in der Wirklichkeit erst sein böses Gesicht. Nahezu alle der 1400 Fabriken des Bezirkes Chongqing, die man wegen des Stausees umsiedelte, meldeten inzwischen Bankrott an. Tausende Vertriebene zogen nach Chongqing, in der Hoffnung auf eine Arbeit, doch herrscht auch in den Großstädten Arbeitslosigkeit.

663 Kilometern lang staut sich der See, 175 Meter hoch. Die Trümmer der Häuser, welche die Dorfbewohner selbst zu zerstören hatten, verstreuen sich in der Tiefe. Stetig steigendes Wasser verschlang sie, ebenso wie die Felder, die einst zur Gewinnung des Lebensunterhaltes dienten, Schulen, Friedhöfe, Straßen …

1,2 Millionen Einheimische bekamen eine neue "Heimat". Doch auch hier zeigt die Wirklichkeit ihr grausames Gesicht, denn die Bewohner verloren nicht nur ihre Heimat sondern auch ihren Broterwerb. Trugen ihre Felder einst genug zum Leben, so ist das Land in den höheren Gefilden karg; der Ertrag genügt nicht zum Lebensunterhalt. Bauern greifen zu anderen Berufen, verdienen ihr Geld als Tagesarbeiter oder auf Baustellen.

Wer von der Regierung nicht in höhere Bergregionen geschickt wurde, fand seine neue Heimat in anderen Provinzen. Doch auch diese Umsiedlung lief nicht immer glimpflich ab, weshalb viele in ihre ursprüngliche Heimat zurückkehren. Diesen Rückkehrer (Hui liu) zeigen die Behörden ein abweisendes Gesicht, den für sie bedeutet der Staudamm tatsächlich ein Fortschritt. die Führer sandten Gelder in Milliardenhöhe in die Regionen, wo sie im Sparstrumpf korrupter Kader verschwanden. Andere machten als Grundstückschieber ihr Glück.

Tausende Chinesen erzählen von der Bösartigkeit der Regierung, von fehlenden Entschädigungsgeldern, von Korruption, von Ungerechtigkeit … Doch öffnen sie den Mund zu laut, kann es passieren, dass sie sich im Rollstuhl wiederfinden.

Chinas Regierung eröffnet unzufriedenen Einheimischen nun die Gelegenheit zu einer zweiten Umsiedlung. In den nächsten dreizehn Jahren steht der Umzug von vier Millionen Einwohnern der ländlichen Seeuferregionen in den Regierungsbezirk Chongqing an, was für viele eine erneute Aufgabe der Heimat bedeutet. Laut Regierung erfolgt diese Umsiedlung freiwillig, doch was bleibt den Bauern auch übrig, wenn sie zu Hause keine Arbeit finden?

Ob sie die in ihrer dritten Heimat entdecken, sei dahingestellt. Doch während Männer auch in den Städten verzweifeln, bietet sich Frauen dort zumindest ein Broterwerb: Prostitution. In neuen Riesenstädten warten sie auf ihre Freier.

Und so zerplatzt der chinesische Traum eines Dreischluchtenstaudamms an der Wirklichkeit. Die geplante Industrialisierung scheiterte. Die Bändigung des Flusses scheiterte. Die erfolgreiche Umsiedlung der Einheimischen scheiterte. Was übrig bleibt, ist ein Riesenbetrug von Vater Staat.

Arbeiten in China?