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Mumbai

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Logistisches Wunder im Westen Indiens

Mittagessen vom heimischen Herd ins Büro

Dabbawallah - Ess-Lieferant im einstigen Bombay

Analphabeten gelten häufig als Menschen zweiter Klasse. Die Geheimnisse der Schrift sind ihnen verborgen, was von Bildungslosigkeit und Armut zeugt. Dennoch leisten sie gerade im indischen Mumbai (ehemals Bombay) Großartiges.

Von den Briten aus sieben Inseln geschneidert, erstreckt sich die Stadt auf einer Landzunge. Einzig der Norden erlaubt weitere Ausdehnung, was die südliche Stadt zu einem Abenteuer macht. Teilweisewohnen über 300 000 Einwohner auf einem Quadratkilometer. Das Blut von Mumbai pulsiert durch drei Adern, drei Schienenstrecken, die Reisende aus dem Norden (Wohngebieten der Mittelschicht) in den Süden (Geschäftsviertel) befördern. Die Züge transportieren pro Tag sechs Millionen Passagiere ins Zentrum, bei jeder Fahrt ungefähr das Dreifache ihrer eigentlichen Kapazität, so dass sich zwölf Passagiere auf einen Quadratmeter pressen.

Autos sind keine Alternative, denn die Straßen sind so vollgestopft, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit bei zwanzig Stundenkilometern liegt. Wer also zu Stoßzeiten unterwegs ist, bedient sich der Eisenbahn. Doch: Platz für eine Box mit dem Mittagessen ist darin nicht.

Also kochen Frauen frühmorgens das Essen für ihren Liebsten, verpacken es in eine Dose (Dabba) und übergeben diese einem weißgekleideten Dabbawallah. Der sammelt die Dosen mehrerer heimischer Herde ein und bringt sie, gemeinsam mit Dutzenden seiner Kollegen, zum nächsten Bahnhof. Dort sortieren sie die stets neu zuströmende Ware in Kästen. Buchstaben, Farben und Zahlen auf den Dosen verraten Ziel und Herkunft: Eine Zahl für den Endbahnhof, eine für die dort übernehmende Gruppe, ein Buchstabe für das Gebäude, eine Zahl für das Stockwerk. Farben erzählen von den Herkunftsbahnhöfen.

Sind die Dosen sortiert, schnappt sich jeder einen Kasten mit ungefähr dreißig bis vierzig Stück und springt in den nächsten Zug. Ihnen steht der Gepäckwagen offen, Luxus angesichts der überquellenden Wägen.

Am Zielbahnhof angekommen, sortieren die ihre Fracht erneut. 150 Stück kommen auf einen Handwagen, den drei Dabbawallahs ziehen. Das Essen wird abgeliefert, pünktlich auf die Minute, wie jeden Tag. Hat der Kunde gegessen, bringen sie die Dose zurück nach Hause. Täglich sind 200 000 Esspakete bis zu siebzig Kilometer weit auf Reisen.

Dabei sind die einzigartigen städtischen Gegebenheiten von herausragender Bedeutung, denn in anderen Städten wäre der Lieferdienst nicht zu verwirklichen.

Für fünf Euro im Monat bekommt der Angestellte täglich seine Hauskost und somit ein Mittagessen. Da die Stadt zahllose verschiedene Essgewohnheiten aufweist, sei es aus moralischen, religiösen oder geschmacklichen Gründen, würde manch einer ohne die liebevoll bereitete Kost seiner Liebsten das Essen ausfallen lassen.

Bereits seit 120 Jahre funktioniert diese Dienstleistung. Die meisten Mitarbeiter sind Analphabeten, aus sechs Orten bei Poone, im Südosten von Mumbai. Ihr Dialekt ist derselbe und auch ihre Familie, denn die meisten sind untereinander verwandt oder verschwägert und bekennen dieselbe Hindu-Reformsekte.

Sie schließen sich zu zwanzig bis dreißig zusammen, die am Monatsende alle Einkünfte teilen, wobei für jeden ungefähr hundert Euro herausspringen (ein Straßenbauarbeiter empfängt nur ein Drittel davon). Zur Vermeidung von Konkurrenzkämpfen vereinigen sich diese wiederum im "Nutan Mumbai Tiffin Box Suppliers Charity Trust" (NMTBSCT). Für dreißig Cent monatlichen Mitgliedsbeitrag obliegt dem Trust Gebietsschutz, Kreditvergabe, Preisfestlegung, Bestrafung …

Der Lieferdienst erhielt sogar ein Six Sigma Rating des "Forbes Global Magazine", das nur Firmen erhalten, die ihre Versprechen in mehr als 99 Prozent erfüllen. Einzig eine Dabba von sechzehn Millionen verschwindet.

Indisches Fremdenverkehrsamt

Basler Str. 48

60329 Frankfurt a. M.

Tel: 069 242 94 90

www.mumbainet.com