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Rassismus und Gewalt

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Der 29. April 1992

Krawalle in Los Angeles

Wer sind die Täter, wer die Opfer?

Ein Leser berichtet: »Von dieser Stadt hatte ich ganz schnell die Nase voll. Alles wartete auf den Urteilsspruch im Rodney-King-Prozeß. Jeder war ein bißchen nervös, dass es wieder rund geht. Ich hatte das zweifelhafte Vernügen, mich mit zwei Mitgliedern der Cribs oder War Crips zu unterhalten. Der eine hatte eine Uzzi Maschinenpistole dabei. Die Jungs wunderten sich, dass ich soviel von der King-Sache wußte. Als sie feststellten, dass ich auch noch Malcolm X kannte, konnte ich nach bereitwilliger Gabe von zwei Büchsen »German beer« weiterziehen. Man hüte sich vor Watts und South Central. Leute, da gibt´s nichts zu sehen! Nur Ärger und Gewalt. Nachdem dann in der Nähe von Bel Air hinter mir einer erschossen wurde, bin ich ganz fix weiter.«

Wer´s vergessen hat: Rodney King war der Schwarze, der im März `91 von vier weißen Polizisten, wehrlos am Boden liegend, verprügelt wurde. Ein Amateurfotograf nahm zufällig die ganze Szene auf Video auf. Trotzdem wurden die Polizisten im ersten Prozeß Ende April 1992 freigesprochen, mit der Begründung, sie hätten nicht übermäßig brutal agiert, was bei dreitägigen schweren Unruhen 58 Todesopfer forderte, ferner durch Plünderung tausender Geschäfte sowie Brandstiftung Schäden in Höhe von über einer Milliarde Dollar sowie den Verlust von rund 100.000 Arbeitsplätzen. Die wenigsten Asiaten, die in dem Viertel am meisten gebeutelt wurden, haben ihre Geschäftstätigkeit dort wieder aufgenommen.

Eingedenk wilder Drohungen und Verwünschungen, gereckter Fäuste und aufblitzender Lichthupen, die einen in manchen 30-km/h-Vierteln unserer Städte erwarten, wenn man diese versehentlich mal mit 50 km/h durchquert, wäre aber auch anzumerken, dass niemand mit 125 Meilen/Stunde, also so rund 190 km/h, durch die Stadt rasen sollte.

Vor allem sollte besagter Raser das dann nicht tun, wenn er gerade nur wegen Raubes zur Bewährung auf freiem Fuße ist. Die Raserei würden viele schon als versuchten Mord werten. Ferner sollte sich dieser Rennfahrer nicht auch noch dem Zugriff durch Flucht entziehen. Unbestritten ist auch, dass King sich anfangs bei der Festnahme wehrte.

Die Strafen bei der zweiten Verhandlung fielen für die Polizisten entsprechend milde aus, mit dem Argument, Gewaltanwendung sei anfangs vonnöten gewesen. 1994 wurde King mit 3,8 Mill. Dollar entschädigt.

Im Oktober 1993 erging das Urteil im sogenannten Denny-Prozeß gegen die Schwarzen Damian Williams, 20, und Henry Watson, 28, die den weißen Lkw-Fahrer Reginald Denny während der Unruhen anhielten, aus dem Laster zogen und so brutal verprügelten, dass er lebensgefährliche Verletzungen davontrug und einer Gehirnoperation unterzogen wurde.

Wir zitieren die Süddeutsche Zeitung vom 2.10.93, Überschrift: »Schläge mit Ziegelstein kein Mordversuch«: »Die Geschworenen hielten es nicht für erwiesen, dass Williams den Lkw-Fahrer töten wollte. Die Attacke auf Denny war damals live im Fernsehen übertragen worden. Dort war zu sehen, wie Williams mit einem Ziegelstein auf den Kopf des Weißen einschlug. Die beiden Schwarzen ... hatten sich wegen versuchten Mordes an Denny und Attacken gegen sieben weitere Personen verantworten müssen. Insgesamt waren sie wegen 15 Verbrechen angeklagt worden. Nachdem Watson vom Vorwurf des versuchten Mordes freigesprochen worden war, befand die gemischtrassige Geschworenenjury auch Williams für nichtschuldig. Eine Verurteilung hätte lebenslange Haft bedeutet. Williams war mit einem Schuldspruch wegen Körperverletzung statt vorsätzlicher schwerer Körperverletzung davongekommen. Zusammen mit vier Verurteilungen wegen tätlichen Angriffs auf andere Personen droht ihm damit eine Höchststrafe von zehn Jahren. Watson wurde nur wegen tätlichen Angriffs auf Denny verurteilt, der nach einer weltweit ausgestrahlten Videoaufzeichnung u.a. auch mit einem Wagenheber lebensgefährlich zusammengeschlagen worden war. Darüberhinaus gab es nur Freisprüche.«

Wegen einfacher, unbeabsichtigter Körperverletzung wird ja z.B. schon jeder angeklagt, der versehentlich die Wagentür öffnet und einen Radfahrer zu Fall bringt. Wie kann ein Herumklopfen mit einem Ziegel oder Wagenheber auf jemandes Kopf keine vorsätzliche Körperverletzung bzw. kein Mordversuch sein? Offensichtlich entschied man sich für ein bescheidenes Strafmaß, um weiteren Aufruhr zu vermeiden.

Los Angeles zählt 450 Gangs, die alle ihr Viertel (hood) abgesteckt haben und ihren Tag mit hangin´, slangin´ and bangin´ verbringen (Rumlungern, Drogenhandel, Prügeln).

Ein prominenter Taugenichts wurde im Februar 1996 festgenommen: Robert Pilatus, »Sänger« des aufgelösten Popduos »Minni Vanilli«. Er hatte einen Wagen gewaltsam angehalten und einen Überfall versucht. »Milli Vanilli« waren Anfang der neunziger Jahre in die Schlagzeilen geraten, weil sie auf ihrem über zehn Millionen Mal verkauften Erstlingsalbum »Girl you know it´s true« nicht selbst gesungen hatten. Im Playback waren sie gut, denn bei einem Konzert fiel einmal der Gesang aus, die entgeisterten Besucher blickten in offene Münder, Minni Vanilli retteten sich hinter die Bühne, eine halbe Stunde nach geschäftigem Gewusel setzte der Gesang mit voller Lautstärke wieder ein. Pilatus und Fabrice Morvan mußten den »Grammy«, den begehrten amerikanischen Musikpreis, zurückgeben. 1991 unternahm Pilatus bereits einen Selbstmordversuch.