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Märkte

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Schöne Tempel in Cuenca

Markt in Ottavalo

Mittlerweile appartmentlos unterwegs mit vollem Rucksack, stehen noch einige Berichte aus der Vergangenheit aus. Das schwarze Reisebuch gefüllt mit saftigen Prosa-Appetithäppchen zum Genießen, müssen wir jetzt einen Pulpfictionesken (!) Zeitsprung wagen.

Heute Cuenca, die schönste ecuadorianische Stadt mit einem Tempel von Dom, der fast so mächtig daherkommt wie Peters Stübchen im alten Roma. Klotzig, schwer, beeindruckend, (und gar nicht so dunkel und langgezogen wie die Tempel von Köln, Ulm oder Mailand) voll mit Marmor und Gold (wo kommt das alles her? Naja, die Konquitsa ...), da ist´s kein Wunder, dass die kleinen, winzigen Erdenmenschlein derart auf die Knie sinken. Besonders hübsch: Papst Johannes Paul der Zweite als vier Meter große Pappmaché, samt bunten - in Deutschland würde man angewidert kitschigen dazu sagen - Lichtchen und Discokugeln, die die Weihnachtskrippe erhellen.

Auch hier, wie auf allen Wegen, zahlreiche Eindrücke, Ausdrücke und Schwerelosigkeiten, die einen verwirren und gleichzeitig begeistern, Menschen, Pflanzen, Sterne, Sensationen und, mal wieder, und niemals endend, TIERE. Um dem Auge des Betrachters folgen zu können, ein Blick zurück nach Ottavalo im Norden des Landes und seinem berühmten samstäglichen Markt, der sich durch die ganze Stadt zieht und Tausende von Einheimischen und Touristen anlockt.

Um fünf Uhr morgens geht´s los, ausnahmslos die berühmten Indios aus Ottavalo, genau die übrigens sind meistens auf deutschen Straßen anzutreffen, bieten ihre Ponchos, Schals, Tücher, allesamt aus feinster Lamawolle, an und sind herrlich weich, wuselig und wunderschön gemustert. Wer hier nichts kauft, bleibt Märkten fern. Dazu alles, was das Menschenherz begehrt: Schuhe, Schmuck, Hüte, dazu billiger Nippes und! Mampferei.
Mais, in dreifacher Ausfertigung, weiß, gelb und schwarz, Obst und Gemüse en masse, Fleisch von frisch geschlachteten Schweinen, die entweder bäuchlings oder rücklings dem Betrachter entgegen grinsen. In Deutschland hat sich ja irgendwann (Lektorat LessingStraße!: bitte den entsprechenden Buchtitel anbieten! Foucault? Elias?) die Abkehr von der harten Wirklichkeit eingebürgert, so dass man das zarte Stück Rind unbefleckt beim Metzger erwerben kann. Den Schlacht-, Pökel- und Fleischwolf-Vorgang kennt keiner und will auch keiner wissen. Die Geschichte des Ekels und der Sitten im europäischen Bürgertum also ...

Zurück zu den hiesigen Schweinen: frisch geschlachtet, komplett gegrillt, liegen und hängen sie also auf den Märkten und werden meist von hinten her abgegrast. Heißt also, sich folgendes Robin Hoodeske (!) Bild vorstellen. Schweinekopf auf Blechplatte, nach vorne hin feist grinsend, Schwanz und Po fehlen schon, grad wird das Fleisch vom Rücken herausgeschnitten. Was hat denn die Verkäuferin, die mich so angrinst, grad in der Hand? Ach, die Niere ist´s, fein säuberlich wird sie in Scheiben geteilt und dem Gourmet kredenzt. Leckerchen!

Nebenan liegen die Barsche mit ihren Riesenaugen und glotzen die Welt aus dem Fegefeuer an, warten auf ein siedend heißes Fettbad, um knusprig, golden und supersaftig verschlungen zu werden. Also so was nicht zweimal sagen lassen. Für umgerechnet 70 Pfennige (wir sind stolz auf Omas Wortschatz!) gibt´s das Filet, das mit allen Händen, Sinnen und Genüssen in mehr als einer halben Stunden vermopst wird, plus Reis, Salat und Kartoffeln. Da kann man doch aus ökonomischer Sicht nicht meckern. Schmeckt übrigens so gut, dass einige der Tastaturen vor dem Leser vor Speichel jetzt triefen sollten. Hatt ich die frische Limonen als Überguss vergessen?

Tiere zu verkaufen

Frisch gestärkt dann weiterziehen zum berühmten Tiermarkt, jetzt, wo wir schon so herzhaft Bekanntschaft geschlossen hatten. Schade, der ist um kurz nach 10 schon vorbei, stehen nur noch ein paar vereinzelte Schweine, Kühe, Schafe und Esel rum, kacken alles voll, fressen allen Müll und werden dann das nächste Mal den Besitzer wechseln.

Zu bestaunen ist hingegen noch der Kleintiermarkt: Hundewelpen für zwei Euro, ganze Hühner für ebensoviel, Meerschweinchen und Küken für bedeutend weniger. Alles gequetscht, in Kisten, Schachteln, ein Gequieke, Gejaule, Gewinsel. Die Sache mit dem Mitleid hatten wir ja auf dem Dach des noblen Einkaufszentrums verstanden und so bleiben hier nur der nüchterne Blick und die zartfleischige Beobachtung. Vor allen das Federvieh rockt in Ecuador das Haus, billig zu kaufen, billig zu halten und ne gute Portion Eiweiß, garniert mit Eiern und, ja! und noch so ein paar Extrateilen, die man europäisch so richtig eklig finden kann, aber hier als Teil der Kultur gar nicht wahrnimmt. Der Sack mit den Füßen und Köpfen. Ist so was wie die Feinschmeckerecke, jedenfalls werf ich nen Blick in das Leinenbündel und darin tummeln sich frisch geschnittene Kompletthahnenfüße und wild drein blickende Köpfe samt Kamm. Hmmm, wer das wohl kauft?

Wo wir schon dabei sind, Krebse stehen ja nicht nur am Himmel, sondern auch auf dem Plan des Lukullus. Seh ich doch (auf einem anderen Markt wohlgemerkt, aber passt ja grad so gut hier hin), frisch gestapelt wie es Bob der Baumeister nicht besser hinkriegen könnte, circa dreißig der Krabbelmeertiere, in vier Reihen auf dem Tisch.

Also, wieder fürs Auge gesprochen. Man nehme eine Reihe Backsteine, darüber noch eine und so weiter, nur halt eben mit Krebsen. Der Clou: Die Dinger haben ja so seltsame Stielaugen, die mehr als nen Zentimeter lang, dazu herrlich anzuschauen auch noch dreifarbig sind und aus- und eingefahren werden können (ganz genau so wie die teutonische Weinbergschnecke das macht). Na, und dann kann man sich ja denken, was in diesem Krebsstapel los war. Neben den zuckenden Gliedbewegungen, die die Dinger aber keinen Schritt weitergebracht haben, lugten halt aus allen Fugen und Enden die Äuglein heraus und wieder herein, in gelb und blau und mit der schwarzen Pupille, nur damit irgendwann in einem heißen Bad ein Ende der Guckerei einsetzt.

Tja, das gibt´s dann also alles hier zu kaufen und zu sehen, und natürlich noch viel, viel mehr. Die geschätzten Reisebericht-Leser werden dementsprechend mehr erfahren.

Einstweilen der Grausamkeit des Universums ins Auge sehend, den Tod fühlend, den Magen füllend, fressen und gefressen werdend, sendet fein schmackhafte Grüße ...