Russisches Roulette

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Russen in der Mongolei

Russische Unterstützung bei der Unabhängigkeit

Die Beziehungen Rußlands zur Äußeren Mongolei reichen bis zum Jahre 1675 zurück, als der Gesandte Nikolai Gawrilowitsch Spathari auf der Durchreise nach Peking das Land kennengelernt und auf seine Bedeutung hingewiesen hatte. 1689 kamen durch den mit Peking abgeschlossenen Vertrag von Nertschinsk die mongolischen Burjaten unter russische Herrschaft. Der Vertrag von Kjachta 1727 erlaubte den Russen, in der Mongolei Handel zu treiben. Er wurde 1860 durch eine Konvention erneuert, die gleichzeitig die Errichtung eines Konsulates in Urga genehmigte. Im Petersburger Vertrag von 1881 (verlängert 1891 und 1901) wurde dieses Recht auf Chowd und Javchalant ausgedehnt.

1914 folgten die Anleihe von drei Millionen Rubel gegen die Entsendung eines russischen Finanzberaters, die Entsendung von Militärberatern sowie Abkommen über Waffenlieferungen und den Eisenbahnbau. 1915 wurde die Mongolische Nationalbank errichtet und alsbald mit der Sibirischen Nationalbank vereinigt. Bald darauf folgten die Gründung der Bergbaugesellschaft Mongolor und große mongolische Viehlieferungen für die russischen Armeen.

Parallel zum wachsenden russischen Einfluß, der sich jeder Einmischung in die inneren Verhältnisse enthielt, entstand eine Art Staatsbewußtsein und Nationalgefühl. Konsequent betrieben der Khutukhtu und energische Fürsten den Aufbau der Verwaltung unter strikter Aufrechterhaltung ihrer Autorität.

Dagegen bemühten sich jüngere Adlige, junge Lamas und einige Intellektuelle, unter ihnen die »offiziellen« Nationalhelden Suchbaatar (1893-1923, ermordet) und Tschoibalsan (1895-1952), um die Entwicklung und Verbreitung neuer Ideen. Ihnen allen war die Kenntnis russischen Wesens und Geistes sowie der Wille zu evolutionärer Modernisierung gemeinsam.

Endgültige Teilung

Die Unabhängigkeit der Nordmonoglei wurde im wesentlichen durch Rußland gestützt, das in einem Vertrag finanzielle und technische Hilfe bei der Aufstellung einer Streitmacht zugesichert hatte. Nun kam es auch in der Südmongolei zu einer erfolgreichen Erhebung und zur kurzfristigen Vereinigung beider Gebiete. Bis zum Herbst 1912 waren alle Mongolen unter der Regierung in Urga vereint.

An dieser Entwicklung hatte allerdings das Zarenreich kein Interesse. Es war außerdem durch Geheimverträge mit Japan seit 1907 gebunden, sich in seiner Einflußsphäre auf den Norden zu beschränken. Entsprechend erkannte Rußland die Südmongolei als japanisches Interessengebiet an.

Als die Zentralregierung in Urga Truppen in die Südmongolei entsandte, um dessen Bevölkerung in ihrem Unabhängigkeitskampf zu unterstützen, verlangte die russische Regierung deren sofortigen Rückzug und machte jede weitere Hilfe von diesem Abzug abhängig. Durch diese Erpressung gelang es dem chinesischen Präsidenten Sun Yatsen und seinem Nachfolger, General Yuan Shihkai, bald, den Aufstand in der Südmongolei blutig niederzuschlagen.

Erst als chinesische Truppen anschließend auch die Nordmongolei besetzen wollten, um die Autonomie mit Waffengewalt rückgängig zu machen, rückten im Winter 1912/13 russische Truppen ein und zwangen die Chinesen zum Rückzug. Durch diesen Schritt rettete Rußland die unter vielen Opfern errungene mongolische Autonomie. Im dreiseitigen Vertrag vom 20. Juni 1915 zwischen Rußland, China und der Nordmongolei in Kjachta wurde die Autonomie endgültig auch von China bestätigt.

Von diesem Zeitpunkt an wird die Nordmongolei offiziell als »Äußere Mongolei« und die Südmongolei als »Innere Mongolei« bezeichnet. Bis 1969 gehörte das gesamte Gebiet nordöstlich und südlich der Mongolei zur Inneren Mongolei, dann wurde diese auf ihre heutige Größe verkleinert.

Kurze Rückkehr der Chinesen

Die Autonomie der Äußeren Mongolei sollte jedoch nur von kurzer Dauer sein. Den Sturz der Zarenregierung und den Oktoberputsch Lenins nutzte China zum Gegenschlag aus. Unter dem Vorwand, seine Grenzen gegen die Bolschewisten schützen zu müssen, schickte es im März 1918 eine über 6000 Mann starke Streitmacht in die Äußere Mongolei und besetzte sie. Der Bogd-Khan und die führenden Fürsten wurden gezwungen, nach Peking eine Petition zu richten, worin um die Aufhebung der Autonomie gebeten wurde.

Am 27. November 1919 erklärte die chinesische Regierung offiziell die Autonomie der Äußeren Mongolei als beendet. Besatzungsbehörden begannen, ihre Macht mit blutigem Terror wiederaufzubauen. Der Widerstandswille wurde dadurch aber nicht gebrochen, sondern nur noch verstärkt.

Im Bestreben, die Unabhängigkeit wiederzuerlangen, suchte man nach Hilfe von außen. Die erste Unterstützung kam von General Roman Nikolaus Max Baron v. Ungern-Sternberg, einem baltendeutschen Adligen, Mitglied der zaristischen Mission in Urga (zu der auch ein Verwandter des Autors gehörte). Ungern drang mit einer weißgardistischen Truppe, hinter der japanische Hilfe stand, von Sibirien in die Äußere Mongolei ein. Er gehörte zu den gefährlichsten Gegnern der Bolschewisten in Sibirien. Am 3. Februar 1921 eroberte er Urga und vertrieb die Chinesen aus der Stadt. Dann machte er unbarmherzig Jagd auf Kommunisten und ließ zahlreiche von ihnen hinrichten.

Bolschewisten in der Mongolei

Schon Ende 1918 waren als Antwort auf die chinesische Wiederbesetzung des Landes in Urga zwei geheime, voneinander unabhängige Zirkel mongolischer Bolschewisten gegründet worden. Sie wurden von zwei jungen Mongolen geleitet: Suchbaatar und Tschoibalsan.

Suchbaatar stammte aus Urga. Er wurde am 2. Februar 1893 als Sohn eines verarmten Araten geboren. Mit 16 Jahren arbeitete er als Fuhrmann und dann als Schriftsetzer in der kleinen russisch-mongolischen Druckerei in Urga. Dort begann er unter dem Einfluß russischer Bolschewisten seine Untergrundtätigkeit.
Tschoibalsan, der ebenfalls einer armen Aratenfamilie entstammte, wurde am 8. Februar 1895 in der Ostmongolei geboren. Mit 13 Jahren kam er in ein lamaistisches Kloster. Da ihn das Klosterleben jedoch in keiner Weise befriedigte, floh er nach Urga, wo er für kurze Zeit als Transportarbeiter tätig war und dann in die Schule des russischen Konsulats aufgenommen wurde. Nach dem Besuch des Lehrerinstituts in Irkutsk kehrte er 1917 nach Urga zurück und schaltete sich ebenfalls aktiv in die revolutionäre Arbeit ein.

Am 25. Juni 1920 vereinigten sich die beiden Zirkel zur Mongolischen Volkspartei. Als im benachbarten Sibirien die Rote Armee im Frühjahr Irkutsk erobert und die Weißgardisten aus Transbaikalien verdrängt hatte, baten Suchbaatar und Tschoibalsan die russischen Bolschewisten um Hilfe im Kampf gegen Chinesen und Weißgardisten. Daraufhin organisierten die Sowjets in der Grenzstadt Kjachta die Bildung einer mongolischen Volksarmee.

Am 1. März 1921 fand dort der erste Parteitag der Mongolischen Volkspartei statt. Suchbaatar wurde zum Oberbefehlshaber der neuen Volksarmee ernannt. Noch im März bildete sich in Kjachta eine »provisorische Volksregierung«. Am 18. März 1921 stürmten die roten Truppen mit sowjetischen Einheiten die kleine Grenzstadt Majmatschen (heute Altanbulag) und vernichteten die chinesische Garnison.

Nun unternahm Ungern-Sternberg von Urga aus im Auftrage des Bogdo-Gegeen eine Gegenoffensive, in Richtung Kjachta und weiter bis zur Transsibirischen Eisenbahn am Baikalsee, um die Rote Armee vom Fernen Osten abzuschneiden. 11.000 Mann, neben mongolischen Araten auch zahlreiche Weißgardisten, rückten über die mongolisch-russische Grenze vor. Doch nördlich von Kjachta wurde der Baron zwischen dem 11. und 13. Juni von sowjetischen Truppen geschlagen. Er entkam zwar knapp, wurde jedoch im Juli von roten mongolischen Truppen gefangengenommen. Zwei Monate später wurden der Baron und Unterführer seiner Armee in Nowonikolajewsk (heute Nowosibirsk) von einem Militärgericht zum Tode verurteilt und gleich standrechtlich erschossen.