Einheitsstaat

Body: 

Einheit durch Gewalt und Unterdrückung

Disziplin in Dschingis Khans Militärstaat

Nun entstand ein einheitlicher Staat, der die Form einer straff geführten, auf Gewalt und Unterdrückung aufgebauten Monarchie besaß. Er wurde zur Grundlage für eine weitere Machtentfaltung nach außen. Im neuen Militärstaat wurde die alte Stammesorganisation zerschlagen. Die Einheit eines Stammes blieb nur bewahrt, wenn sich Dschingis Khan der Loyalität der betreffenden Horde völlig sicher war oder sie sich besondere Verdienste erworben hatte. Die Tausendschaften setzten sich in der Regel aus Angehörigen verschiedener Stämme und Völker zusammen.

Das turkomongolische Volk wurde in Einheiten von zehn, hundert und tausend Familien eingeteilt. Mehr als 30 Völkerschaften mit etwa zwei Millionen Menschen, unter ihnen 400.000 Mongolen, waren unter Dschingis Khans weißer Standarte mit den neun Jakschwänzen vereinigt. Bei Dschingis Khans Tod hatten die Mongolen etwa 230.000 Mann unter Waffen.

Die strenge Zucht der Mongolen lobte vor allem Giovanni di Piano Carpini, der als päpstlicher Bote zu den Mongolen gesandt worden war:


In der ganzen Welt gibt es weder bei den Laien noch bei den Ordensbrüdern gehorsamere Untertanen als bei den Tataren (d.h. Mongolen). Sie erweisen ihren Herren mehr Ehrfurcht als alle anderen Leute und wagen es nicht, sie anzulügen. Selten oder niemals stoßen sie Scheltworte gegeneinander aus, nie jedoch artet dieser Zank in Tätlichkeiten aus. Krieg, Streit, Körperverletzung und Totschlag kommt unter ihnen nie vor, und Menschen, welche Räuberei und Diebstahl im großen Stil betreiben, findet man bei ihnen nicht. Daher haben sie auch an ihren Ordas und Wagen, in denen sie ihre Schätze aufbewahrten, weder Schloß noch Riegel.

Ein Weltreich entsteht

Dschingis Khan war bei seiner Erhebung wahrscheinlich fünfzig Jahre alt – zu einer Zeit, die nur eine geringe Lebenserwartung kannte, also bereits ein alter Mann. Nichts sprach dafür, dass er einer der größten Eroberer der Weltgeschichte werden sollte.

Zwischen 1206 und 1209 wurden die Oiraten und Kirgisen im Nordosten der Mongolei besiegt und eingegliedert. Zu Beginn des Jahres der Schlange (1209) konnte Dschingis Khan, dessen Ruhm sich in Mittelasien verbreitete, einen wichtigen Erfolg verbuchen. Die muslimischen Uighuren, Vasallen des Kara-Kitai-Reiches, rebellierten erfolgreich und boten Dschingis Khan ihre guten Dienste an. Zum erstenmal unterstellte sich ein Volk außerhalb des mongolischen Machtbereichs freiwillig der Souveränität des »ozeangleichen« Herrschers.

Militärisch war nun die rechte Flanke des Heeres gesichert. Zunächst ging es 1209 gegen das tangutische Königreich Hsia-hsia, dessen Hauptstadt Dschingis Khan nach anfänglichen Mißerfolgen im folgenden Jahr einnehmen konnte. Die Tanguten, ein Volk alttibetischer Herkunft, hatten unter chinesischem Einfluß eine eigenständige Kultur mit eigener Schrift entwickelt.

Für Dschingis Khan waren die Oasenstädte der Tanguten entlang dem uralten Karawanenweg der Seidenstraße ein Übungsgelände besonderer Art. Er konnte die Kampfkraft der Armee unter bis dahin unbekannten Bedingungen erproben, denn zum erstenmal kämpften die Mongolen gegen ein seßhaftes Volk.

Erneut gegen China

Mit der Unterwerfung der Tanguten hatten sich die Mongolen der Großen Mauer auch von Nordwesten genähert. Auf der Basis eines intakten Staatsapparates und eines gut organisierten und ausgerüsteten Reiterheeres konnte der Krieg gegen das verhaßte Goldene Imperium (China) beginnen. Zwischen 1211 und 1215 überrannte Dschingis Khan mit seinen Söhnen Gutschi, Tschagatai, Ögödei, Tolui und seinen besten Generalen das Reich der Dschurdschen und eroberte Pekin (Beijing; 1215).

Ein Gefangener dieses Feldzuges, der Dichter und Gelehrte Ye-lu Chu-zai, Abkömmling der Liao-Dynastie, wurde sein oberster Verwaltungsbeamter. Ye-lu Chu-zai führte später unter Ögödei eine Verwaltung nach chinesischem Muster ein. Er organisierte die mongolische Kanzlei, für die er chinesische, tungusische, uighurische sowie persische Schreiber einstellte. Er schuf ein festes Budget für das Reich, das auf festen Abgaben der Unterworfenen fußte, und förderte die Bildung der jungen mongolischen Adligen durch Errichtung konfuzianischer Schulen, u.a. in Peking.

In Erkenntnis seiner Stärke begnügte sich der Khagan in Nordchina mit der Oberherrschaft, ließ um 1218 im Altai Widerstandsreste der Naiman und Merkiten zerschlagen und seine Oberhoheit über Kara-Kitai (Westturkestan) ausdehnen. Damit war das Mongolenreich Nachbar eines anderen mächtigen Staates geworden. Die Herrschaft von Choresm-Schah Mohammed II. (1200-1220) erstreckte sich vom Syrdarja im Osten bis zum Kaspischen Meer und umfaßte fast ganz Iran sowie Afghanistan.

Die Ermordung von 450 unter dem Schutze der Mongolen stehenden muslimischen Kaufleuten durch einen Gouverneur des Schahs in Otrar und die Tötung eines Gesandten auf Befehl Mohammeds II. im Jahre 1218 provozierte den wahrscheinlich nicht beabsichtigten Angriff. Er begann 1220 und war 1225 mit der Eroberung des gesamten Staates abgeschlossen.

1226/27 vernichtete Dschingis Khan den Staat Hsia-hsia, der die Truppenstellung verweigert hatte, und ließ in Nordchina die Ordnung wiederherstellen.

Dschingis Khans Tod

Es waren die Kriegskunst Dschingis Khans und seiner Feldherrn, die Beweglichkeit der Reiterarmeen, die Treffsicherheit der berittenen Bogenschützen, die allgemeine Disziplin der Krieger, die den Mongolen ihre Siege ermöglichten. Die brandschatzenden, gefürchteten Truppen stießen unaufhaltsam weiter nach Westen und Süden vor und besiegten jedes Heer, das sich ihnen entgegenstellte.

Als Dschingis Khan kurz nach seinem Sieg über die Westlichen Xia und Tanguten am 18. August 1227 nach einem Sturz vom Pferd starb, reichte das Mongolenreich vom Stillen Ozean bis zum Kaspischen Meer.

Dem Willen Dschingis Khans entsprechend wurde auf dem »Qurultai« von 1229 Ögödei zum Khagan gewählt. Damit begann die zweite Phase des mongolischen Weltreiches. Sie umfaßte die Regierung Ögödeis (1229-1241), seiner Witwe Töregene (1241-1246), seines Sohnes Güjük (1246-1248) und schließlich Möngkes, des Sohnes von Tolui (1251-1259).