Die Altmongolen

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Dschingis Khans Geburt

Aufstieg zu einem neuen Reich

Mongolen

Die Altmongolen, aus deren Mitte Dschingis Khan geboren wurde, waren ursprünglich nur ein kleiner unbedeutender Stamm im Osten des mongolischen Kernlandes. Sie nomadisierten zwischen den Flußsystemen von Orchon, Onon und Cherlen und zerfielen in zahlreiche unabhängige Befehlsbereiche, die Ulus.

Ohne gemeinsames Oberhaupt lebte jeder Stamm allein oder zu zweit. Erst allmählich entstand eine Aristokratie, deren Führer die Titel Ba´atur (Ritter) oder Noyon (Edler) trugen. Unter ihnen standen die Krieger, das gemeine Volk, die Leibeigenen und die Sklaven.

Der Name der Mongolen taucht erstmals in einem Bericht aus der Zeit der chinesischen Tang-Zeit (618-907) auf. Die Völker, die das mongolische Kernland bewohnten, Türken die einen, Mongolen, Mandschu oder Tungusen die anderen, vermischt die meisten, lagen in dauernder Fehde. Die mit Grausamkeit und List geführten Machtkämpfe rivalisierender Fürsten erreichten Ende des 12. Jh. ihren Höhepunkt.

Kabul Khan

Einigungsversuche hatte es schon mehrmals gegeben. Mitte des 12. Jh. trug ein Häuptling namens Kabul den Titel Khan (Herrscher) und regierte, so sagt die »Geheime Geschichte der Mongolen«, »über die ganzen Manghol«. Dieses erste Mongolenreich oder Khanat war nur von kurzer Dauer. Zu groß waren die Gegensätze zwischen Bordschigid und Taitschiut, den wichtigsten Volksgruppen im ersten Reich. Die einen waren Hirtennomaden der Grassteppe, die anderen Waldleute. Bald versank Kabul Khans Reich, von sozialen Unruhen erschüttert, wieder in der Bedeutungslosigkeit.

Temüdschins Jugend

Die vollständige Vereinigung aller Viehzüchter-, Jäger- und Fischersippen, Unterclans und Familien der Manghol und dann der turkomongolischen Stämme gelang erst 1206 durch Temüdschin (»scharfer Stahl«).

Der neue Herrscher, der dem bis dahin unbekannten Namen Weltruhm verschaffen sollte, wurde Mitte des 12. Jh. als Mitglied des vornehmen Klans der Bordschigin am Fluß Onon geboren: nach Angaben des in Persien geborenen jüdischen Historikers Raschid ad-Din und dessen mongolischen Kollegen Boldschian im Jahre 1154, nach chinesischen und heutigen mongolischen Angaben 1162. Sein Vater, Esugei-Bagatur, ein großzügiger Aristokrat, hatte Temüdschin nach einem gefangenen Tatarenhäuptling benannt und wurde von einem Tataren vergiftet, als der Sohn noch jung war.

Nach Auflösung des väterlichen Haushalts blieb Temüdschin und seinen Brüdern nicht viel von den einstmals großen Herden übrig. Sie waren getreu der Überlieferung gezwungen, ihr Leben durch Jagd und Fischfang zu fristen. Trotzdem gelang es Temüdschin, ein kleines Gefolge junger, vornehmer Männer um sich zu scharen, den Grundstock seiner späteren Leibgarde. Durch Beteiligung an kleineren Fehden erwarb er sich rasch einen Namen als kühner und gleichzeitig überlegter Führer.

Schon in frühen Jahren fiel er durch organisatorische Fähigkeiten, den Aufbau eines eigenen Kurierdienstes und die unbedingte Disziplin seiner Truppen auf. Unter seinen frühen Feldzügen ist vor allem derjenige gegen die Merkiten zur Befreiung seiner Frau Börte bekannt, den er mit Unterstützung der Keraïten unternahm.

Die Daten seines weiteren Werdeganges sind nicht bekannt. Auf jeden Fall gelang es ihm, nacheinander die Tataren, die Keraïten, die Naiman, die als erste die Schrift der türkischen Uighuren übernommen hatten, sowie schließlich die Merkiten unter seine unbedingte Botmäßigkeit zu bringen.

Diese Ereignisse werden sehr anschaulich im ältesten mongolischen Geschichtswerk »Die Geheime Geschichte der Mongolei« (Manghol un niuca tobca´an) wiedergegeben. Von Raschid ad-Din im Auftrag der Mongolenkhane verfaßt, schildert es die gesellschaftlichen Verhältnisse zu Lebzeiten Dschingis Khans. Es beginnt kurz vor der Geburt des Herrschers und endet mit der großen Ratsversammlung im Jahre 1240. Die Überlieferung erfolgt in altmongolischer Sprache mit chinesischen Schriftzeichen.

Temüdschin wird Dschingis Khan

Im Jahre 1206 wurde Temüdschin nach heftigen Kämpfen mit seinen Rivalen von den vereinigten Fürsten der unterworfenen turko-mongolischen Stämme auf einem »Qurultai« in der Nähe der Ononquellen zum Khan ausgerufen. Hier nahm er seinen neuen Namen an. Dschingis ist wahrscheinlich auf ein türkisches Wort zurückzuführen, welches Ozean oder »Universalkaiser« bedeutet und auf diese Weise mit dem Begriff der Weite und Unermeßlichkeit verbunden wird. Die Stämme nannten sich von diesem Zeitpunkt an gemeinsam Mongolen.

Einzelheiten der Fürstenversammlung sind nicht bekannt, doch steht fest, dass der Schamane Köktschü (die Mongolen waren zumeist Anhänger des Schamanismus) entscheidend zur Ausrufung Dschingis Khans beitrug. Er verkündete, dass der »Ewige blaue Himmel« Temüdschin zum obersten Khan bestimmt habe. Die großen Schutzgeister der Nomaden, der »weiße« Geist der Ahnen und des Friedens und der »schwarze« Schutzengel der Krieger, von denen sich die beiden Fahnen Dschingis Khans ableiteten, seien mit ihm.

Auch die Anfänge der von Dschingis Khan stammenden »Yassaq«, der Rechtsordnung der Mongolen, gingen auf diese Versammlung zurück. Die »Yassaq« führte für Armee und Zivilleben eine strenge Disziplin ein. Auf Mord, schweren Diebstahl, Ehebruch, Sodomie und Hexerei stand fortan die Todesstrafe. Neben Strafen für Verbrechen und Vergehen enthält das »Yassaq« auch Regeln für die Gastfreundschaft und proklamierte die Religionsfreiheit.