Schamanismus

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Vorbild für Esotheriker

Schamanismus

In frühesten Zeiten war das Schamanentum weit verbreitet. Die unwirtliche Steppe mit ihren rauhen Winden, schneidender Kälte und sengender Hitze formte nicht nur widerstandsfähige Menschen. Sie schufen ihnen auch Götter und Dämonen. Der Berg Burchan Chaldun, den Dschingis Khan und sein Volk als Sitz der Gottheit verehrten, war der mythische Mittelpunkt des Kernlandes der Mongolei. Im Norden liegen die undurchdringlichen sibirischen Wälder, während das Weideland im Süden geht in Sand- und Steinwüste übergeht. Dazwischen erstreckt sich die Grassteppe, die im Frühling zu einem freundlichen, aber kurzen Leben erwacht – mit einer Vegetation, die nur entlang der Flüsse üppig genannt werden kann, im Sommer verdorrt und in den langen Wintermonaten in einer Schneewüste erstarrt. Jenseits der Gobi, weit im Südosten, beginnt die Kulturlandschaft Chinas, das »goldene« Land, das stets die begehrlichen Blicke der armen Steppenmenschen auf sich zog.

Sterne

Auch den Mongolen ist die Vorstellung geläufig, dass die Sterne das Schicksal der Menschen bestimmen. Das Sternbild des Großen Bären, von ihnen als die Sieben Alten bezeichnet, ist der Schicksalslenker und wird als fruchtbarkeits- und segenspendende Gottheit verehrt, vor allem was Jagdglück und Kriegszüge anbelangt. Naheliegend ist die Art der Verehrung des Sternbildes durch Lichter, die an zehn Tagen in verschiedenen Monaten entzündet werden.

Schamanen Als Vermittler

Zwischen Göttern, Geistern und den Mongolen vermittelten die Schamanen. An Ansehen und Einfluß waren sie den Stammesfürsten gleichgestellt. In allen wichtigen Lebensfragen, von der Geburt über Krankheiten zum Tod, wandten sich die Mongolen an sie. Wilhelm von Rubruk beschreibt ihre Stellung:

»Die Weissager spielen bei ihnen die Rolle der Priester. Was sie anordnen, das wird ohne Verzug ausgeführt. Es gibt viele solcher Weissager. Sie haben stets einen Vorsteher, gleichsam einen Oberpriester, der seine Wohnung vor dem Hauptzelt des Großkhans aufschlägt, ungefähr einen Steinwurf entfernt. Einige dieser Priester verstehen sich auf die Astrologie, besonders der Oberpriester selbst, und eine Sonnen- oder Mondfinsternis kündigen sie im voraus an. Für alle Unternehmungen sagen sie vorher, welcher Tag Glück bringt und welcher Unglück. Ohne ihre Vorhersage stellt man niemals ein Heer auf oder zieht in den Krieg.«

Auf ihren Wanderungen kamen die Schamanen in die Ordu der verschiedenen Stämme und waren somit in der Lage, diese auch politisch zu beeinflussen. Besondere Autorität genoß Kökötschü mit dem Beinamen Tebtenggeri (Höchster Himmel), von dem das Volk behauptete, er reite auf einem Apfelschimmel zum Himmel und unterhalte sich mit den Göttern. Ihm hatte Dschingis Khan viel zu verdanken.

Das Recht eines Jeden, seinen Ahnen zu opfern und damit auch »seine Götter« selbst aufzusuchen, kommt in den Worten des Großkhans Möngke zum Ausdruck, der den christlichen Missionar Rubruk belehrte:

»Wir Mongolen glauben, dass nur ein Gott ist, in dem wir leben und in dem wir sterben. Auf ihn ist unser Herz gerichtet. Aber wie Gott der Hand verschiedene Finger gegeben hat, so hat er auch den Menschen verschiedene Wege gegeben, selig zu werden. Euch hat Gott die heilige Schrift gegeben, aber ihr Christen haltet sie nicht ein. Uns hat er die Weissager gegeben, und wir unsererseits tun, was sie uns sagen, und wir leben in Frieden. Du hast dich lange hier aufgehalten. Ich will, dass du nun wieder heimkehrst.«

Schamanenrituale

In seinem Ritus hat der Lamaismus viele Formen vom alttibetischen Schamanismus übernommen. Zauber, Gebetsmühlen, Fahnen, Posaunen und Trommeln sind stehen dafür, aber auch das stark entwickelte Mönchs- und Klosterwesen. Ein wichtiges Mittel zur religiösen Beeinflussung der nomadisierenden Viehzüchter waren die zahlreichen Feste, die zu Ehren der unzähligen buddhistischen Gottheiten alljährlich veranstaltet wurden. Eine große Bedeutung kommt den »Sabdag« (Erdherren) und den »Klu« (Drachen) zu.

Eine besondere Rolle spielten die mysteriösen Tänze, die von einer furchterregenden Musik begleitet wurden. Sie symbolisierten den Kampf der Götter gegen die Feinde des lamaistischen Glaubens. Nach den Vorstellungen des Animismus, in dem sich die ältesten Schichten der alten Religion erhalten haben, ist die ganze Natur belebt. Menschen und Tiere sind umgeben von guten und bösen Wesen. Für den Menschen ist es gut zu wissen, was ihm und seinem Vieh schadet oder nützt.

In Träumen und im Rausch können nach den Vorstellungen dieser Urreligion einige Menschen, eben die Schamanen, mit dieser unsichtbaren Welt in Kontakt treten und die Ursachen für Krankheiten und Unglücke erfahren. Damit kann das gestörte Gleichgewicht wieder ins Lot gebracht werden.

Heutige Beispiele

Die Namensgebung für Kinder und die Gestaltung der Jurten helfen, die Welt der Naturreligion besser zu verstehen. Obgleich diese Bräuche vom Sozialismus offiziell abgeschafft wurden, hat sich auf dem flachen Land doch einiges bis heute erhalten. Schamanen, die während der sozialistischen Herrschaft nur heimlich praktizieren, tun dies jetzt wieder offen.

Drei Tage nach der Geburt gibt der Vater dem Kind einen Namen. Jungen nennt man gerne Bat (stark, fest), Baatar (Held) oder Tsogt (flammend), Mädchen dagegen Gerel (Glanz), Altanzezeg (Goldblume) oder Saantujaa (Mondglanz), um die für das Kind gewünschten Eigenschaften schon im Namen auszudrücken. Ist ein Kind aber kränkelnd, so gibt man ihm vorerst keinen Namen, um so die Dämonen zu täuschen – was keinen Namen hat, das existiert auch nicht, glauben die Mongolen. Um das Kind für die Geister unattraktiv zu machen, wählt man auch Namen wie »Chünbisch« (das ist kein Mensch). Siehe Abschnitt Namen unter Sitten & Bräuche.

Wer bei den Mongolen früher ein hübsches, gesundes Baby betrachtete, machte die Eltern glücklich durch Ausrufe wie »Ach wie häßlich«, »schrecklich« oder »armes Würstchen«. So täuschte man die Seelen von Frauen, die kinderlos gestorben waren. Dagegen verzweifelten Eltern bei Sprüchen wie »Ist das ein schönes Kind« oder »Prachtkerl«. Das zog nach ihren Vorstellungen das Interesse der bösen Seelen auf das Kind, die ihm dann Schaden bringen konnten.

Auch für den Schutz der Jurten wurde viel getan. Tür und Rauchöffnung wurden rot gestrichen, um bösen Dämonen den Eintritt zu verwehren. Außen konnten gewisse Knoten Glück bringen. Bestimmte Muster und Ornamente umgeben die Jurte mit einem unsichtbaren Schutz. Unglück bedeutet es noch heute, wenn jemand durch die etwa 1,50 m niedrige Tür tritt und dabei die Holzschwelle mit dem Fuß berührt oder oben gegen den Türrahmen stößt. Das größte Unglück aber ist, den Tragpfosten in der Mitte der Jurte umzustoßen. Dann muß ein Schamane her, um Unheil von den Bewohnern abzuwenden.