Dschingis Khan

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Ein geradliniger Menschenkenner mit Charisma

Das Geheimnis Temüdschins

Über Dschingis Khans Persönlichkeit ist viel gerätselt worden. Es steht fest, dass er bis zu seinem Lebensende die geradlinige, spartanische Lebensführung, zu der er durch seine harte Jugend geführt worden war, beibehielt und schon aus diesem Grunde für fremde Verlockungen nicht anfällig war. Er war ohne Zweifel ein hervorragender Menschenkenner und Psychologe, unter bewußter Ausnutzung psychologischer Faktoren wie des Terrors. Und er besaß nach allen Zeugnissen ein außerordentliches »Charisma«.

In ihm lebten Gerechtigkeit und gleichzeitig Rachsucht, liebevolle Fürsorge für seine Familie, seine Untergebenen und Standesgenossen neben unnachsichtiger Strenge und Grausamkeiten, allerdings ohne Sadismus.

Er war der geborene Aristokrat in seiner Lebenshaltung, aber auch in der Art und Weise, wie er Macht zu delegieren verstand und die Organisation des Reiches auf aristokratischen Prinzipien aufbaute, wobei der Aufstieg in diese Klasse dem Tüchtigen stets offenstand. Ein typisches Merkmal war seine Aufgeschlossenheit sowie seine absolute religiöse Toleranz. Beides führte dazu, bestehende Verhältnisse nur so weit anzutasten, wie es zur Herrschaftssicherung erforderlich war, und verbürgte zu einem wesentlichen Teil den Bestand des Reiches.

Grossmeister der Organisation

Besonders kennzeichneten den Nationalhelden der Mongolei seine organisatorischen Fähigkeiten. Nicht nur war das Heer, beim Tode Dschingis Khans 129.000 Mann stark, anders als die gleichzeitigen Ritterheere Europas bis ins kleinste durchgegliedert. Dschingis Khan schuf darüber hinaus eine einwandfreie Intendantur und Logistik. Er besaß einen hervorragenden Belagerungspark – eine den Nomaden ursprünglich völlig fernliegende Einrichtung – und organisierte einen wirksamen Nachrichtendienst, mit dem er oft jahrelang den zukünftigen Gegner ausspähen ließ und der sogar »militärgeographische« Berichte zu liefern hatte.

Die Art des Ineinanderspielens von Politik und Kriegsführung zur Isolierung der Gegner sucht ihresgleichen. Vor allem aber besaß er die Fähigkeit, stets – z.B. im Kriege gegen Nordchina – den Scheitelpunkt einer Operation, der das »Auslaufen des Erfolges« (Clausewitz) einleitet, zu erkennen und auf diese Weise Rückschläge zu vermeiden.

Dschingis Khan und die Welt heute

1993 und 1994 suchten verschiedene internationale Expeditionen vergeblich nach dem Grab des Mongolenherrschers. In japanischen Werken aus den 30er Jahren wird Dschingis Khan als japanischer Samurai bezeichnet. Für den letzten Nachfahren Dschingis Khans, einen Staatsfunktionär namens Oqirhuyakt, angeblich in der 32. Generation ein unmittelbarer Nachkomme, arrangierten die chinesischen Kommunisten im Juli 1984 ein feierliches Begräbnis.

Im Westen dagegen ist der mongolische Herrscher als unbarmherziger Eroberer und Geißel Gottes in die Geschichte eingegangen. Er wird hier oft als Despot beschrieben, der aus Lust an der Vernichtung anderer sein Reich begründet habe und sich seine weltgeschichtliche Bedeutung darin erschöpfe, den Herrschaftsbereich immer weiter ausgedehnt zu haben. Das historische, schwer überwindbare Trauma der Russen, die zweihundertjährige Unterjochung durch die Mongolen (Tataren), geht auf den Begründer dieses Reiches zurück.

Dschingis Khan war jedoch nach Ansicht moderner Historiker ein Mann, dem Ehrlichkeit und Fairneß über alles ging und der unnachgiebig gegen jeden vorging, der gegen diese Tugenden verstieß oder korrupt war.