Zur Zeit der Dahabias
Stromabwärts
Wie eine Atempause unter Segeln
  an einem Wind- und Wettertag.
Zur Zeit der Dahabias
Reisende, wenn Ihr Euch nur Zeit lassen wolltet, Eure Zeit einfach verlieren
  könntet in diesem Land, wo Zeit nicht zählt. Jenes lächerliche Nützlichkeitsdenken,
  das sogar unsere Freizeit bestimmt, ist hier völlig fehl am Platze. In Ägypten
  heißt es nämlich, dass alles, was man heute tun könnte, ebensogut morgen getan
  werden kann; bukra, inch´Allah.
Im Altertum bot der Fluß den einzigen Transportweg für schwere Lasten über
  weite Entfernungen. Auf diese Weise wurden Granitblöcke, Kolosse und Obeliske
  von Assuan bis zu den nördlicher gelegenen Tempeln geschafft. Heutzutage machen
  Eisenbahn und Straße der Schiffahrt Konkurrenz, doch kreuzt man immer noch große
  Schuten, beladen mit Ernteerträgen und enormen Baumwollballen, oder Feluken
  mit geblähtem Segel.
Wie schön war doch die Reise zur Zeit der gemächlich dahingleitenden Dahabias,
  jener Flußboote mit flachem Boden, die bequemes Sitzen über lange Strecken ermöglichten
  und mühelos von der Strömung getrieben wurden. Statt ihrer befährt nunmehr eine
  allzu noble Kreuzfahrtflottille den Nil, unvergleichlich komfortabler als damals.
  Wenn der Wasserpegel nicht zu weit absinkt, verkehren die Ausflugsschiffe zwischen
  Kairo und Luxor, vor allem aber zwischen Luxor und Assuan. Schwerer als die
  Dahabias, laufen sie gelegentlich auf den Sandbänken auf.
Was eignete sich besser als ein Bootsausflug, um Eigenarten des Landes und
  wechselnde Lichtverhältnisse in sich aufzusaugen? An Bord einer Feluke oder
  einer Jacht, zwischen Himmel und Wasser, bietet sich ein idealer Aussichtsposten
  über die beiden Ufer, wo sich Dorf um Dorf erdfarben aneinanderreiht, mit Taubenschlägen,
  Minaretten und Kirchtürmen. Kinderscharen planschen und schwimmen im Fluß; Frauen
  hocken beim Wäsche- oder Geschirrwaschen am Strom. Hie und da scheucht man einen
  Stelzvogel auf, der von weitem dem Ibis des Gottes Thot ähnelt.
Ersatzweise erreicht man einige antike Stätten zwischen Kairo und Luxor auch
  per Zug oder im klimatisierten Reisebus. Wer ein Auto mietet, sollte sich klar
  darüber sein, dass es in Ägypten nur eine einzige Straße gibt. Sie verläuft von
  Nord nach Süd, fast immer am linken Flußufer entlang. Hier herrscht ein Verkehrschaos
  sondergleichen, da sich nicht nur Lastwagen und überladene, klapprige Taxis
  sowie Privatautos und Fahrräder die Fahrbahn streitig machen, sondern eine Menge
  undisziplinierter Fußgänger und kopflos umherrennender Tierherden obendrein.
  Man muß deshalb schon sehr versiert und auf alles gefaßt sein, besonders nachts,
  weil man die durch keinerlei Signal angekündigten Hindernisse dann oft zu spät
  erkennt. Vorsichtiges Fahren lohnt sich allemal, und sei es nur, um die bunten
  Alltagsszenen unterwegs besser aufnehmen zu können: Bauern unterwegs aufs Feld
  oder auf dem Heimweg; Pennäler in ihren beigen Schürzchen; Marktweiber auf dem
  Weg in die Nachbarortschaft.
		

