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Die Nasser-Jahre

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Moslembrüder und Suezkanal

Staudamm, Sadat und Frieden mit Israel

Innenpolitisch unterdrückt Nasser die Rechtsopposition und vor allem die Moslem-Brüder mit aller Härte, besonders nach einem gescheiterten Attentat in Alexandria 1954. Er lässt sie zu Tausenden in Konzentrationslager deportieren. Nicht anders ergeht es den Kommunisten, die nach wie vor verboten sind. Jede Form von Opposition wird mundtot gemacht.

1956 überstürzen sich wieder die Ereignisse: nach ergebnislosen Verhandlungen mit Großbritannien und den USA wird die Kanalgesellschaft verstaatlicht. Ägypten eignet sich sämtliche Einnahmen durch den Schiffsverkehr an. Die letzten englischen Truppen verlassen das Land. Eine kurze, gemeinsame Militäroperation von Israel, Frankreich und England im Sinai wird mit einem Waffenstillstand beendet. Die noch in Ägypten verbliebenen Ausländer kehren in großer Zahl heim.

Nassers Beziehungen zum Westen verschlechtern sich zusehends. Auf dem Weg in einen sozialistischen Nationalismus knüpft er immer engere Verbindungen zum Ostblock, der Berater und Experten schickt. 1960 nehmen die Russen den Bau des Assuan-Staudamms in Angriff. Er soll den 1900 von den Briten errichteten Damm ersetzen. 1964 gibt es keine Nil-Überschwemmungen mehr: damit werden die Verhältnisse im Land tiefgreifender verändert als durch jede andere Revolution zuvor. Parallel dazu erarbeitet die Unesco einen umfangreichen Plan zur Erhaltung der Tempel in Nubien, denen die Überflutung durch den Nasser-See droht.

Der Krieg

Der israelisch-arabische Konflikt belastet die Außenpolitik erheblich. Als Nasser die Meerenge von Tiran blockiert, schlägt Israel 1967 in einem als »Sechs-Tage-Krieg bekannten Blitzangriff zu; es zerstört dabei dank amerikanischer Luftaufklärung den größten Teil der ägyptischen Luftwaffe am Boden, besetzt den Sinai und rückt bis zum Suezkanal vor, der für die Schiffahrt geschlossen wird. Am 8. Juni wird ein Waffenstillstand vereinbart. Tags darauf verkündet Nasser seinen Rücktritt angesichts des militärischen Desasters. Unter dem Eindruck einer Massendemonstration in Kairo, die das Charisma des Rais in seinem ohnmächtigen Volk widerspiegelt, widerruft er seine Entscheidung jedoch schon einen Tag später.

Es bleibt die Demütigung durch die Niederlage und der Vertrauensbruch mit der Armee; hinzu kommen wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die verstärkte Hilfe der arabischen Staaten kann Ägyptens Einbußen durch die Schließung des Suezkanals nicht wettmachen: keine Einnahmen mehr aus dem Schiffsverkehr, aus der Rohölförderung im Sinai und aus dem Fremdenverkehr, der merklich zurückgeht. Außerdem muß Kairo mit zigtausend Flüchtlingen fertig werden, die dem anhaltenden Zermürbungskrieg am Kanal entgehen wollen.

Nassers Erbe

Im Oktober 1970 stirbt Nasser unerwartet (eine riesige Volksdemonstration begleitet seine Bestattung), und Anwar al-Sadat tritt seine Nachfolge an. Dieser hatte zwanzig Jahre lang als zweiter Mann des Rais dessen Politik mitgetragen. Doch sobald seine Macht nach der Ausschaltung der pro-nasserischen Opposition unter Ali Sabri gefestigt ist, schlägt er eine neue Richtung ein. Es ist schwer zu entscheiden, ob Sadat damit die Lehre aus früheren Niederlagen zog oder einfach mehr Sinn für politische Realität besaß. Den Exzessen der Militärdiktatur und den politischen Schikanen folgt jedenfalls eine Periode größerer Flexibilität in Ägypten; dieser Kurs blieb übrigens nicht unangefochten, wie ein 1971 enthülltes Komplott beweist.

Im Juli 1972 verweist Sadat die Russen des Landes (das Volk vermisst sie kaum) und beginnt, sich dem Westen vorsichtig wiederanzunähern. Ein paar Monate später befiehlt er den Überraschungsangriff vom 6. Oktober 1973, der als Jom-Kippur-Krieg oder Ramadankrieg in die Geschichte eingeht. Ziel ist die Ehrenrettung der Armee und die Hebung des Selbstbewusstseins Ägyptens nach der Sinai-Besetzung durch Israel. Die Kanalüberquerung und der Durchbruch der Bar-Lev-Linie werden als großer Erfolg Sadats gefeiert. Er wird freilich später durch die israelische Gegenoffensive relativiert. Man einigt sich rasch auf einen Waffenstillstand. Im Juni 1975 wird der von Minen gesäuberte und erweiterte Kanal wieder für den Verkehr freigegeben. 1975 markiert auch den Beginn der wirtschaftlichen Öffnung, der Infitah, mit der ausländische Investoren gewonnen und die Finanzgesetzgebung gelockert werden soll. Diese Maßnahmen ermöglichen eine bescheidene Wirtschaftsentwicklung. Eine neue Bourgeoisie gelangt dadurch zu ungeheurem Reichtum, während die ländliche und städtische Bevölkerung nach wie vor ums Überleben ringt. Dies erklärt die Hungeraufstände des Jahres 1977, ein Protest gegen die Verteuerung subventionierter Grundnahrungsmittel. Diese Krise wird sich jedes Mal wiederholen, wenn der Staat an den festgesetzten Lebensmittelpreisen rüttelt. Nutznießer dieser Entwicklung sind die islamischen Studentenorganisationen, deren Einfluß zunehmend wächst. Sie werden zunächst von der Regierung unterstützt und versuchen, die Probleme im Universitätsbereich im Sinne des traditionellen Islams zu lösen.

Frieden

Am 19. November 1977 bricht Sadat endgültig mit dem Grundsatz der arabischen Nichtanerkennung Israels und reist nach Jerusalem. Dort hält er eine Friedensrede in der Knesset. Das Ereignis wird von den Medien weltweit übertragen. Der Mann, der dieses unermessliche Risiko auf sich genommen hat, wird als Star auf der internationalen Bühne gefeiert. 1978 wird ihm ebenso wie Begin der Friedensnobelpreis verliehen. Sadats Popularität in Ägypten ist beachtlich, doch schlägt ihm auch der Has der Nasser-Anhänger und der religiösen Fundamentalisten entgegen. Immerhin schaut das Volk nach vier Kriegen mit schweren Menschenverlusten hoffnungsvoll auf die Friedensinitiative. Nach den langen und schwierigen Verhandlungen in Camp David wird endlich ein Einigungsvertrag in Washington unterzeichnet, wonach Ägypten den gesamten Sinai zurückerhält. Innerhalb der arabischen Staaten steht das Land nun völlig isoliert da; die diplomatischen Beziehungen werden abgebrochen. Die Bevölkerung sieht sich durch die neue Situation enttäuscht, da sich kaum etwas ändert. Das bedeutet Auftrieb für die religiöse Opposition und zunehmende Spannungen zwischen Moslems und Kopten. Die Regierung kontert mit der Festnahme von über tausend Oppositionellen aus der islamischen Bewegung und der Amtsenthebung von Papst Schenuda III. Zu spät, denn das allgemeine politische Klima bessert sich nicht mehr.

Der Rais ist tot

Sadat wird während der Militärparade zur Jahresfeier des Sieges vom 6. Oktober 1981 auf der Präsidententribüne ermordet. In Assiut bricht ein Volksaufstand los und wird mit Mühe von der Armee unterdrückt. Vizepräsident Hosni Mubarak tritt Sadats Nachfolge an. 1982 wird Khalad al-Islambuli als Mörder zum Tode verurteilt; es folgen weitere Prozesse gegen die Fundamentalisten. Aber 1983 überführt der Sittengerichtshof einen Bruder Sadats und dessen Söhne der Korruption; Papst Schenuda wird auf freien Fuß gesetzt.

Trotz mancher Differenzen zwischen den beiden Ländern bestätigt der neue Präsident die Verpflichtungen gegenüber Israel. Nach endlosen Beratungen kommt 1988 ein Vertrag über die Taba-Enklave im Sinai zugunsten Ägyptens zustande. Mittlerweile hatte der Islamische Rat Ägypten wieder in seine Reihen aufgenommen. Die meisten arabischen Staaten unterhalten seit 1987 wieder diplomatische Beziehungen zu ihrem Nachbarn am Nil.

Hosni Mubarak verfolgt seit seinem Regierungsantritt eine Politik des Mittelweges zwischen dem rigiden Nasserschen Sozialismus und einem wildwuchernden Kapitalismus, was die tiefgreifenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten jedoch nicht zu meistern vermag. 1987 musste Ägypten seine Schulden beim Internationalen Währungsfonds neu regeln. Der islamische Fundamentalismus schwebt nach wie vor wie eine Drohung über allem. Konkrete Formen nimmt diese in den sporadischen Zusammenstößen zwischen Moslem- und Christengemeinden an sowie in der drängenden Forderung der islamischen Geistlichen nach Einführung der Scharia.