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Vergangene Zeiten

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Vergangene Zeiten

Das Nildelta hat sich in den zurückliegenden Jahrtausenden nicht entscheidend verändert. Sicherlich sind neue Pflanzen wie Baumwolle oder Zitrusfrüchte eingeführt worden, aber dies war schon immer ein Gebiet, wo die Menschen einen intensiven Landbau betrieben und ihre Dörfer und Städte auf überhöhten sandigen Flächen anlegten, um sie so vor Überschwemmungen zu schützen. Lediglich das Sumpfland und dessen Papyrusdickichte, wo der Sage nach Isis nach dem Tod des Osiris ihren Sohn Horus aufzog, bedeckten einst weitere Flächen als heute.

Im Gegensatz zur landläufigen Meinung wurde das Delta bereits zu allerältester Zeit besiedelt. So gehen die Bräuche der Stadt Busiris, wo man die Wunder des Osiris feierte, auf die älteste Antike zurück. Und dennoch fragt man sich, wie man je die prachtvollen Ruinen Oberägyptens mit den elenden Koms im Deltas vergleichen könnte, zerfurcht und zerfressen von den Sebakh-Suchern, jenem einzigartigen Dünger, der durch die Zersetzung von organischem und mineralischem Material entsteht und seit Urzeiten von den Fellachen verwendet wird.

Die antiken Bauwerke Niederägyptens wurden in der Tat einer harten Prüfung unterzogen: nachdem ihre Bewohner sie aufgegeben hatten, konnten sie dem rauhen Klima, dem steigenden Grundwasser und der Gier der Bauunternehmer nicht standhalten. In dieser dicht besiedelten und an Steinen armen Zone erblickten diese in ihnen unerschöpfliche und bequeme Steinbrüche für den Bau moderner Städte. Das Gros der Kalksteinbauwerke wanderte bis zum Ende des 19. Jhs durch die Kamine der Kalkbrennöfen.

Dieses gehäufte Unglück hat weder Empörung bei den Ägyptologen noch Neugier bei den Touristen hervorgerufen. Obwohl die aufmerksamsten Archäologen sie in ihre Obhut nahmen, wurden hier seit dem vorigen Jahrhundert nur wenig systematische Ausgrabungen vorgenommen und man sah dabei zu, wie sich die Situation auf irreparable Weise verschlechterte. Was die Touristen angeht, so sind sie meist in Eile – abgeschreckt von der dürftigen Touristik-Infrastruktur und bis vor kurzem auch vom schlechten Straßenzustand, befriedigt vom andernorts Gesehenen – und denken in der Regel nicht daran, einen Streifzug durch dieses einzigartige Ägypten zu unternehmen. Dabei würden sie hier selbst bei einem kurzen Aufenthalt die Süße des Landlebens, verbunden mit der Melancholie der Ruinen, vorfinden.

Zur Entschuldigung der einen oder anderen sei zugegeben, dass das Straßennetz den geographischen Gegebenheiten seinen Tribut zollen muß und sich zur Erkundung des Deltas nicht immer eignet. Die verwickelte Anordnung der Querstraßen nötigt Besucher oft, für einen neuen Abstecher zunächst denselben Weg zurückzufahren. Dies ist so ausgeprägt, dass man die Region am besten strahlenförmig von Alexandria oder Kairo aus erkundet.