Imhotep
Imhotep und seine Nacheiferer
In der Nekropole Sakkara, die das Land vom Wüstenplateau herab beherrscht,
  findet der verdrossene Besucher jedoch reiche Entschädigung. Wie auch in Gizah
  oder in Oberägypten wurden die Friedhöfe in die Wüste verlegt, weitab von den
  Siedlungen der Lebenden. Auf diese Weise blieb das ohnehin knappe, fruchtbare
  Bauernland erhalten; andererseits ver-sprach die Wüste bessere Schutz- und Konservierungsbedingungen
  für die Toten. Von weitem erkennt man die charakteristische Silhouette der einzigartigen
  Stufenpyramide. Dieses Grabmal für König Djoser, ein Werk seines Architekten
  Imhotep, stellt einen Wendepunkt in der Entwicklung der ägyptischen Architektur
  dar. Sicherlich waren schon früher Mastabas für hochgestellte Persönlichkeiten
  errichtet worden: Steingräber in Form von Parallelepipeden. Neu war aber, dass
  Imhotep mit genialem Wagemut mehrere Mastabas aufeinander türmte und somit die
  erste Pyramide in Ägyptens Himmel aufsteigen ließ. Doch damit nicht genug: rundherum
  legte er einen riesigen Hof mit einer großartigen, steinernen Einfriedung an,
  in der zahlreiche Kapellchen eingelassen sind. Sie dienten dem Totenkult und
  dem Gedenken an die Jubelfeste des Pharaos. Die bisher übliche Holz- und Schilfkonstruktion
  wurde hier erstmals in Stein ausgeführt, ohne dass diese dabei ihre Anmut eingebüßt
  hätte. Noch schimmern die alten Formen durch das neue Material: so erinnern
  Bündelsäulen an die zusammengeknoteten Schilfrohre von einst.
Zu Beginn dieses Jahrhunderts befand sich die herrliche Anlage am Rande des
  Zerfalls. Es bedurfte aller Geduld, Ausdauer und Beherztheit eines Architekten,
  um den einmaligen Komplex wiederherzustellen und dessen Bedeutung zu verstehen.
  Jean-Philippe Lauer hat diese Eigenschaften seit über sechzig Jahren in das
  Projekt eingebracht. Hier wird einer der verbreitetsten Gemeinplätze über die
  ägyptische Kunst Lügen gestraft: dass sie nämlich nur eine monotone Wiederholung
  weniger Formen und Themen sei, an denen man sich schnell sattsieht. Schauen
  wir also genauer hin. Niemals haben die Architekten zweimal das gleiche gebaut,
  auch wenn sie ein paar unveränderlichen Grundstrukturen treu blieben. Tatsächlich
  variierten die Baumethoden mit den jeweiligen Gegebenheiten: Ort, Material,
  Arbeitskräfte, Bestimmung. Dies trifft auch für das Dekor zu, ein notwendiger
  und unzertrennlicher Bestandteil dieser Baukunst. Kein Monument ohne Überraschung:
  jedes Relief und jede Wandmalerei enthält ein originelles, ungewöhnliches, treffendes
  Detail, das auch etwas von der Persönlichkeit der meist anonymen Künstler verrät.
		

