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Hearst Castle

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Hearst Castle (San Simeon Castle Vorwahl: 805)

Rund 370 km sind´s nach San Francisco und 390 nach Los Angeles. Mit dem Bau dieses unvollendet gebliebenen monumentalen Anwesens wurde 1919 begonnen. Auf einer Europareise war der Zeitungsinhaber William Randolph Hearst zum leidenschaftlichen Kunstliebhaber geworden – behaupten manche. In Wirklichkeit lebte er eher eine Krankheit aus.

Hearst kaufte, was er nur kriegen konnte, und ließ sein Schloß nach dem Motto bauen: »Was es kostet und wie lange es dauert ist völlig wurst.« Er ließ manche Räume, die ihm nicht zusagten, mehrmals umgestalten. Ein beliebter Spruch der Fremdenführer zu diesem Thema lautet: »Er war ein Purist und machte keine Kompromisse.« Seltsame Vorstellung von künstlerischem Purismus. Hearst, der zuvor an der Ostküste gelebt hatte, war eher ein Mann vom Lande. Daher nannte er seinen Wohnsitz auch die »Ranch«. Seine Frau weigerte sich, mit ihm in den Westen zu ziehen, und so trennten sie sich. Marion Davis, ein Hollywoodsternchen, profitierte davon und wohnte hier dreißig Jahre – bis zu seinem Tod – mit Hearst. Wie sah das Leben in diesen Gemäuern tatsächlich aus? Was ist Wirklichkeit, was Legende? Schwer zu sagen. Die Crême de la Crême Hollywoods verbrachte ihre Wochenenden bei Hearst, und man fragt sich, wie jemand es länger als drei Tage die Woche in diesem Gemäuer aushalten konnte.

Ein Biograph nannte seine private Festung der Einsamkeit »eine Mischung aus Palast und Museum, wie man sie seit den Tagen der Medici nicht mehr gesehen hat. Stückweise oder im Ganzen erwarb er europäische Schlösser, Abteien und Klöster und ließ sie, Stein für Stein numeriert, auf seinem Zauberhügel, inmitten freilaufender wilder Tiere, wieder zusammensetzen. Da er einen Renaissancepalast, kein Museum, wünschte, ließ er die echten Stücke durch kühne Nachbildungen vervollständigen, ohne sich um die Unterscheidung von Original und Kopie zu kümmern. Unbändige zwangsneurotische Sammlerwut, der miese Geschmack des Neureichen und Prestigestreben trieben ihn zu einer Nivellierung der Vergangenheit auf das zu lebende Heute, das ihm jedoch nur lebenswert dünkte, wenn es garantiert »wie früher« war.

Und so spaziert man umher zwischen echten römischen Sarkophagen, exotischen Pflanzen, nachgebauten barocken Treppen, einem griechisch-römischen Fantasietempel voller Statuen, darunter die berühmte Venus, wie der Führer treuherzig anmerkt, schaumgeboren dem Wasser entsteigend und Werk des italienischen Bildhauers Cassou von 1930. Die Casa Grande, eine zweitürmige, mit 36 Glocken als Glockenspiel bestückte Kathedrale im spanisch-mexikanischen Stil, besitzt ein schmiedeeisernes Gitter aus einem spanischen Kloster des 16. Jhs, darüber einen Tympanon mit Madonna und Kind, in der Vorhalle auf dem Boden ein pompejanisches Mosaik, an den Wänden Gobelins. Die Tür zum Versammlungssaal stammt aus Sansovino, der Saal ist nachgebildete Renaissance, vom Führer als »italo-französisch« präsentiert. Die Chorstühle stammen aus einem italienischen Kloster, die Tapisserien sind flämisches Hochbarock, alle Ausstellungsstücke stammen aus verschiedenen Epochen, vier Medaillons sind von Thorvaldsen, den Speisesaal ziert eine Decke »von vierhundert Jahren« und an den Wänden baumeln Fahnen »einer alten Familie aus Siena«. Und so geht´s grad weiter. Seine Tochter Patricia hielt´s Ende der Sechziger auch nicht mehr aus, wurde von einer Gruppe radikaler Linker entführt und – oh Wunder – wurde Fürsprecherin dieser. Nach ihrer Verhaftung schaffte Papa Hearst es, sie für zeitweilig unzurechnungsfähig erklären zu lassen, so dass sie nur eine geringe Strafe absaß.