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Fordlandia

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Fordlandia: das Industriedenkmal

Urwald-Geisterstadt am Rio Tapajós, im Bundesstaat Pará. Es handelt sich aber nicht um eine Boomtown der Bandeirantes, sondern um ein neuzeitliches Industriedenkmal mit lebenden Statisten. An den Traum des amerikanischen Autokönigs Henry Ford erinnert nurmehr ein gespenstisches Idyll, anachronistische Kopie einer nordostamerikanischen Kleinstadt vor sechzig Jahren: gepflegte Eigenheime mit Kühlschränken aus Connecticut und Standuhren aus Des Moines, ein Krankenhaus mit Gerätschaften aus den dreißiger und vierziger Jahren (Hospital Henry Ford) – seit über vierzig Jahren hat sich hier kein Arzt mehr blicken lassen – ein verlottertes Schwimmbad, ein Spielplatz ...

Wie alles begann

Versetzen wir uns in die Zeit vor der Weltwirtschaftskrise zurück: Henry Ford läßt jährlich Tausende von Autos vom Fließband rollen, deren Bestandteile alle made in USA sind. Tatsächlich alle? Ja, das heißt: bis auf die Reifen, und die waren nun einmal aus (Natur)-Kautschuk. Und wer besaß Gummibaumplantagen? Die Briten auf Ceylon und Malaysia und ... Brasilien. Die Regierung des Bundesstaates Pará spendierte dem Autokonzern aus Detroit 10.000 km¨ Urwald unter der Bedingung, dass die Gringos die Segnungen der Zivilisation in ihrem Gepäck mitbringen würden. Der Standort für Fords Pläne war geradezu ideal: Maschinen und (später) Gummi konnten über den Amazonas und seinen Nebenfluß nach Sao Paulo – hier war bereits ein Fordwerk im Aufbau – oder in die USA verschifft werden. Und den 1,8 Millionen Gummibäumen behagte der Urwaldboden. Innerhalb weniger Jahre stampfte Ford mitten im Regenwald eine für achttausend Arbeiter ausgelegte Industriestadt aus demselben: mit einem Kraftwerk, mit Werkstätten und schweren Maschinen.

Abenteurer und Glücksritter aus ganz Brasilien ließen nicht lange auf sich warten, um sich bei Ford als Mechaniker oder Kautschukzapfer zu verdingen, denn die Gringos zahlten gut, bauten ein modernes Krankenhaus mit kostenloser Behandlung und sorgten auch für das Freizeitvergnügen (Kino, Bierkneipe usw.). Warum der Urwaldtraum so jäh zu Ende ging? Schädlinge befielen die Gummibäume, und die Deutschen stiegen in die Herstellung synthetischen Kautschuks ein. Deshalb sahen die Enkel des Autokönigs kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zu, dass sie das Zuschußobjekt Fordlândia so schnell wie möglich loswurden: für rund 250.000 Dollar ging die Stadt samt Inventar an den brasilianischen Staat. Gehälter oder Renten flossen weiter, die Anlagen werden weiter gewartet, aber die Zeit scheint seither stehengeblieben zu sein. Längst macht sich auch Verfall breit, dem die achthundert Einwohner nichts entgegenzusetzen haben: Strom und fließendes Wasser sind versiegt, im Rio Tapajós schwimmt das Quecksilber der Goldsucher ...

Anreise

Über den Amazonas: von Manaus oder Belém nach Santarém (s. Kapitel »Manaus/Die Lanchas und das Abenteuer«). Von hier aus in zwölf Stunden auf einem Flußdampfer den Rio Tapajós hinauffahren, einen Nebenarm des Amazonas.

Per Flugzeug: bis zur Goldgräberstadt Santarém; dann weiter wie oben.

Kost & Logis

Sich im Krankenhaus (Hospital) bei der Krankenschwester Vera Luz und dem Pfleger Tomé Pincho erkundigen.