Machen wir ein Buch?

Reise, Sachbuch, Belletristik ...?
Alle interessanten Themen;
alles was bewegt.

Hier geht´s weiter!

Wirtschaft

Body: 

Amazonien, der Urwald und die Soja-Plantagen

Brasilien: Raubbau an der Natur

Von Columbus‘ Zeiten bis heute

Vor etwas mehr als 500 Jahren, im Jahr 1492, entdeckte Christoph Kolumbus die Karibikinsel Kuba; erst sechs Jahre später, auf seiner dritten Reise, sichtete Kolumbus die Küste des südamerikanischen Kontinents - die „Neue Welt“.

Die folgenden 80 Jahre verloren die Europäer vorübergehend das Interesse an der Erschließung Amazoniens. An der Mündung des Rio Negro gründeten die Portugiesen im Jahr 1669 Manaus - heute Hauptstadt des Bundesstaats Amazonas. Auf ihrem grausamen Eroberungsfeldzug im unteren Amazonas wurde die indigene Bevölkerung gnadenlos niedergemetzelt oder umgesiedelt und zur Sklavenarbeit auf den Plantagen der Kolonialmacht im Nordosten des Landes gezwungen.

Mit dem indigenen Genozid begann die wirtschaftliche Ausbeutung Amazoniens.Die frühen Siedler handelten mit Gewürzen, Heilkräutern, Früchten, Pelzen und Holz. Etwas später drangen Gold- und Diamantensucher immer tiefer in das Hinterland des Amazonas vor. Mitte des 18. Jahrhunderts wurde in Amazonien mit der Landwirtschaft begonnen. Für den Export bestimmter Kaffe, Reis und Baumwolle wurden großflächig in Plantagen angebaut.

Etwa zur selben Zeit, im Jahr 1755, wurde der Kautschuk entdeckt, und es begann der rasante Aufstieg des weißen Milchsafts von Hevea brasiliensis. Die Europäer erkannten bald das Potenzial von Kautschuk für die Autoindustrie. So erreichte der legendäre „Kautschuk-Boom“ zwischen 1890 und 1912 seinen Höhepunkt. Exportvolumen: 600.000 Tonnen, wobei einige Gummibarone (darunter Brian Fitzcarraldo) zu ungeheurem Reichtum gelangten.

1912 endete der Kautschuk-Boom in Brasilien abrupt. Es gelang einem Engländer, die Samen von Hevea brasiliensis heranzuziehen und in Asien in Plantagen anzupflanzen. Der asiatische Plantagenkautschuk verdrängte zusehends den brasilianischen Sammelkautschuk auf dem Weltmarkt.

Mit Beginn der Industrialisierung Anfang des 20. Jahrhunderts erhöhte sich der Druck auf die Regenwälder Amazoniens. Amerikanische Großkonzerne begannen in den zwanziger Jahren mit der Suche nach Erdöl und Bodenschätzen. Industrieller Landbau und Viehzucht, Siedlungs- und Straßenbau sowie der Abbau von Bodenschätzen wurden in rasanter Geschwindigkeit vorangetrieben.

Riesige Landflächen wurden von den ausländischen Investoren erworben; zuerst im Süden, später dann, mit dem Bau der großen Straßen (Transamazônica, 5600 Kilometer lang) auch im Norden. Dank staatlicher Subventionen, verwandelte sich Amazonien in eine wahre „Goldmine“ für ausländische Investoren, die kaum Interesse an der einheimischen Wirtschaft und deren Infrastruktur hatten, sondern am Abtransport von Rohstoffen.

Der Startschuß für die großindustrielle Ausbeutung Amazoniens fiel 1967: Umfangreiche Eisenerz-Vorkommen wurden entdeckt. Wie sich binnen kurzer Zeit herausstellte, handelt es sich bis heute um die größten Eisenerzlager der Welt. Auf einer Fläche vom Umfang Frankreichs werden seither in intensivster Weise Eisenerz, Chrom, Mangan, Nickel, Bauxit usw. abgebaut.

Soja und Sklaverei

Die andere Seite der Medaille bilden das illegale Abholzen und die Armut im Amazonasgebiet Brasiliens. Kriminalitöt gehört hier längst zum Alltag: Fast 1400 Menschen wurden in den letzten 20 Jahren wegen Landstreitereien ermordet, berichtet die kirchliche Organisation "Comissão Pastoral da Terra" (CPT); insbesondere im Bundesstaat Pará. Dort liegen mehr als ein Viertel des über 4,1 Millionen Quadratkilometer großen Amazonas-Regenwaldes.

Fern des urbanen Brasiliens habe in Pará ein Netzwerk aus internationalen Holzkonzernen, Politikern und lokalen Mafia-Bossen bisher unberührte Urwaldgebiete besetzt, berichtet Greenpeace. Was lockt, ist neben Tropenhölzern und Mineralien mittlerweile auch der Anbau von Soja.

Mit Gewalt und Erpressung eignen sich skrupellose Händler Land an. Allein im Jahr 2003 wurden 35.292 Familien aus ihren Gebieten vertrieben, berichtet der Indio-Rates "Consehlo Indigenista Missionario". Wer sich widersetzt, wird aus dem Weg geräumt. Die Land- und Holzmafia setze ihre Interessen mit Hilfe von bezahlten Killern durch, den "Pistoleiros", so Greenpeace. Nur selten werde ermittelt.

In den entlegenen Gebieten des Regenwaldes arbeiten Menschen nicht selten als Leibeigene. Sie werden mit falschen Versprechungen in die Waldregionen gelockt und gerieten so in einen Teufelskreis aus Schuldverpflichtungen und Arbeit, heißt es in einem Greenpeace-Bericht. 25.000 Menschen in Pará seien davon betroffen.

Die Regierung in Brasilia versucht zwar, durch die Schaffung neuer Schutzgebiete im Regenwald die rücksichtlose Abholzung zu stoppen. Und Lula hat auch die Strafen für Sklavenhalter verschärft. Die rapide Zerstörung des Regenwaldes konnte er trotzdem nicht eindämmen. Im Gegenteil: Umweltschützer werfen ihm vor, durch die Asphaltierung der Transamazonica-Straße die Zerstörung des Regenwaldes zu beschleunigen. Holz-Mafia und Großgrundbesitzer könnten dadurch rascher in den Regenwald vordringen und Schneisen schlagen, so die Kritik.

Zudem drängen Viehzüchter und Soja-Bauern in die Regenwaldregion. Nach Angaben des Umweltministeriums in Brasilia verzeichneten Rinderzucht und Soja-Anbau ín den letzten Jahren die größten Zuwachsraten. Für das verschuldete Land ist das an sich eine positive Entwicklung. Denn Brasilien setzt auf die Landwirtschaft, um einen Teil der für den Schuldendienst nötigen Devisen zu erwirtschaften. Brasilien ist heute der zweitgrößte Soja-Produzent der Welt.

Um eine nachhaltige Regenwaldnutzung voranzutreiben, die den Urwald intakt lässt und dennoch den landlosen Bauern den Weg aus der Armut bietet, fordern die brasilianischen Sozialbewegungen vor allem die rasche Durchführung einer Agrar- und Landreform. Ob Lula dazu in der Lage sein wird?