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Kreta

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Kreta

Mythos Kreta – die größte griechische Insel

Mythos Kreta ... Der legendäre Ruf der Insel, hauptsächlich von den Aussteigern der sechziger und siebziger Jahre verbreitet, gehört der Vergangenheit an. Die Steinbrocken hier haben seit über viertausend Jahren eine bunte Auswahl von Persönlichkeiten Revue passieren sehen, von den ausgefuchstesten bis zu den grausamsten. Heute, nach der glanzvollen Periode der Entdeckung, ist die Zeit der kulturlosen Barbarei angebrochen. Es existiert noch, das Kreta der antiken Steinbrocken, aber es wirkt versteinert. Ein anderes Kreta hat Einzug gehalten, das Kreta der betriebsamen Geschäftstüchtigkeit und des Massentourismus. Wer Kreta in der Erwartung besucht, auf der Götterinsel nur mit Schönheit konfrontiert zu werden, könnte enttäuscht wieder nach Hause fahren. Nein, Kreta besteht nicht nur aus dem Palast von Knossos. Kreta, das bedeutet auch Eisenstäbe, die aus dem nackten Beton der unfertigen Häuser ragen, Strände, die zwar schön, aber verschmutzt sind, miese Restaurants, die maximalen Profit, nicht aber Qualität im Sinn haben, aufdringliche Ladenbesitzer und Preise, die mindestens genauso schweißtreibend wirken wie die heiße Augustsonne. Bautätigkeit und Immobilienpreise wuchern wild, und im Sommer ist alles hoffnungslos überfüllt. Soweit zum ersten Eindruck von Kreta.

Unnötig zu erwähnen, dass man die Hochsaison von Anfang Juni bis Ende September meiden sollte; zu dieser Zeit ist es hier, wie in Italien, Spanien oder dem restlichen Griechenland, manchmal kaum auszuhalten. Die Unterbringungsmöglichkeiten sind – solange sie nicht überstrapaziert werden – gewöhnlich zufriedenstellend; im Sommer aber werden Hotels und Zeltplätze bis zum Anschlag vollgestopft, es geht alles drunter und drüber. Für die Einheimischen an den Küsten bedeutet dies immer die gleichen Fragen, immer die gleichen Antworten. Kein Wunder, dass sie ihr Lächeln im Sommer einzumotten scheinen, um es erst im Herbst wieder hervorzuholen, wenn der Ansturm der Urlauber nachgelassen hat und die Temperaturen wieder auf ein angenehmes Maß gefallen sind.

Aber für all das gibt es Erklärungen: nicht die Einheimischen sind für die schmutzigen Strände verantwortlich, sondern unsereins, die Besucher. Das wilde Kampieren (übrigens fast überall verboten) hinterläßt üble Spuren. Ohne fließendes Wasser, Abfalleimer oder Toiletten verheddert sich das Klopapier in den Distelbüschen, liegen die Coladosen im Sand herum und glitzern Glasscherben in der Sonne.

Die Eisenstäbe im Beton? Die Neubauten auf Kreta kann man in etwa mit Pilzen vergleichen: sie wachsen einfach von alleine. In manchen Dörfern gibt es mehr unfertige Neubauten als fertige Gebäude. Für die traurige Betonlandschaft gibt es zwei Gründe: erstens zahlen die Bewohner bis zur Fertigstellung ihrer Häuser keine Steuern, und zweitens sind Bankkredite schwer zu beschaffen, so dass Geld auf die Seite gelegt und immer wieder in den Weiterbau gesteckt wird.

Die irrsinnigen Preise in den Restaurants und in den Läden? Da Kreta fast ausschließlich vom Fremdenverkehr lebt, versuchen die Händler um jeden Preis den höchstmöglichen Gewinn herauszuschlagen. Die griechische Gastfreundschaft gerät so, auf die Spitze getrieben, zu einem manchmal äußerst lästigen Kundenfang. Andererseits kann es durchaus sein, dass ein Einheimischer keine Lust hat, den Weg zu beschreiben. Auch hier gilt‘s den Hintergrund zu berücksichtigen: bei mit griechischen Lettern beschrifteten Straßenschildern werden sie hundertmal pro Tag mit Anfragen bestürmt. Das soll natürlich nicht die Lust auf Kreta verderben, aber es ist nützlich, Bescheid zu wissen; dann läßt sich die erste Enttäuschung um so schneller überwinden. Der erste Eindruck kann täuschen. Auf jeden Fall die Monate Juli und August – besser schon Mitte Juni bis Mitte September – als Reisezeit meiden. Vorher und nachher besteht eher die Möglichkeit, das kleine kretische Völkchen so kennenzulernen, wie es in der Regel ist: herzlich und freundlich. Nach den unvermeidlichen Besichtigungen am besten die ausgetretenen Pfade des Massentourismus verlassen und schnell die einheimischen Viertel aufsuchen. Für ein solides Verständnis der kretischen Lebensart seien die Bücher von Nikos Kazantzakis empfohlen: »Freiheit oder Tod« (1953), »Griechische Passion« (1955) und natürlich »Alexis Sorbas« (1946).

Kazantzakis erblickte übrigens 1883 in Heraklion das Licht der Welt und starb 1957 in Freiburg i.B.

Noch ein Hinweis für unsere Osterurlauber: in Griechenland findet das Osterfest eine Woche nach dem unsrigen statt. Alle Läden und Büros, aber auch Museen und Ausgrabungsstätten, bleiben dann geschlossen, was man bei seiner Reiseplanung beachten sollte.