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Erfolgsgeheimnis der griechischen Mythologie

Warum die Götter Götter sind - ein Blick hinter den alten Glauben

Einzelworte aus berühmten griechischen Mythen – wie Labyrinth, Zyklop, Titan, Meduse, Aphrodisiakum, herkulisch usf. – haben sich gleichermaßen Eingang in unsere Alltagssprache verschafft wie ganze Redewendungen: Kinkel spannt seinem Kanzler einen Ariadnefaden, um ihn von den vielen Fettnäpfchen wegzulotsen; selbiger stolpert bei dieser Gelegenheit über seine eigene Achillesferse und macht dafür seine bayrischen Freunde verantwortlich, welche ihm die Sisyphosarbeit des Regierens mal wieder schwergemacht haben ... Aber auch weniger gewichtige Dinge des täglichen Bedarfs wie »Ajax« oder Argusaugen schwirren munter durch unsere und etliche andere Sprachen.

Zunächst ist daran nichts verwunderlich, hält man sich den Einfluß der griechischen Kultur auf die Menschheitsgeschichte vor Augen. Griechen waren dereinst allgegenwärtig und gelangten dank Alexander des Großen sogar bis nach Indien. Im Gepäck führten sie dabei natürlich nicht nur kaufmännische Fähigkeiten und wirtschaftliche Macht, sondern auch ihre Götter und Sagengestalten. Eine schlaue Gegenfrage müßte an dieser Stelle lauten: warum ist es vergleichbar mächtigen Imperien wie Ägyptern, Römern oder Persern nicht gelungen, ihren Gottheiten einen ähnlichen Bekanntheitsgrad zuteil werden zu lassen?

Vielleicht liegt das am unvergleichlichen Charakter der griechischen Götter selbst, wahren Helden, die mit außergewöhnlichen Fähigkeiten ausgestattet sind. Da kann man als Erdenwurm schon mal ins Träumen geraten ... Götterbote Hermes vermag dank seiner geflügelten Sandalen zu fliegen, Aphrodite braucht sich mit ihren verführerischen Rundungen vor keiner Hollywood-Diva zu verstecken und Zeus kann ein Donnerwetter veranstalten, wo und so oft es ihm paßt. Ganz zu schweigen von Poseidon, dem der ganze »Naßbereich« obliegt ...

Bei aller Macht und Größe bleibt ihnen doch ein zutiefst menschlicher Zug: wie unsereins auch sind sie zu Lügen, Grausamkeiten und Betrügereien fähig. Erst geraten sie sich in die Wolle, und fünf Minuten später sind sie schon wieder ein Herz und eine Seele. Ihr ganzes hübsches Universum wird von Leidenschaften und handfesten Interessen regiert, ganz so wie die Niederungen menschlicher Existenz auch. Schwächen und Charakterfehler rücken die Götter damit in die Nähe des Menschen, der sich einem von ihnen stets verbunden fühlt. Auch das griechische Volk der Antike erkannte sich in seinen überirdischen Protagonisten wieder. Aus der Nähe betrachtet erkennen wir sogar libertinische, ja subversive Züge. Dies besser für sich behalten, sonst setzt die Bundesprüfstelle auch noch unsere griechischen Sagenbände auf den Index! Backfischen gleich kreisten ihre Gedanken um nichts anderes als um die Liebe. Von wegen rein platonisch ...! Mit einem Wort: Sitte und Moral im jüdisch-christlichen Sinne waren für Zeus, Hermes & Konsorten spanische Dörfer.

Einige Jahrhunderte lang vegetierten die heidnischen Götterkulte mehr schlecht als recht neben der christlichen Religion fort. Die einheimische Konkurrenz erwies sich für das Christentum als harte Nuß: die Götter standen dem Menschen einfach zu nahe – ein Sachverhalt, den man heute unter dem Begriff »Bürgernähe« zusammenfaßt. Für eine reiche Ernte, für Sonnenschein oder Regen genügte es, die zuständige Gottheit ins Benehmen zu setzen. Dazu opferte man dieser, wonach es ihr gelüstete: ein tierisches Wesen. Da half nichts: zugunsten des einen Gottes der Christen mußten seine griechischen Kollegen mit einem Berufsverbot belegt werden. So geschehen unter Kaiser Justinian I. im 6. Jahrhundert, als sich das Oströmische Reich endgültig dem Christentum verschrieb (was wir bedauern).