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Religion

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Religion

Wichtiger Bestandteil des Lebens

Katholiken überwiegen

Die spanischen Eroberer brachten ihren Glauben mit und versuchten, ihn der indianischen Bevölkerung sowie den schwarzen Sklaven aufzuzwingen. Mit dem Abschütteln der spanischen Unterdrückung befreite sich die weiße Elite in gewisser Weise auch von der Kirche. Ein erster Schritt war die Abschaffung des Zehnten, einer Steuerabgabe auf die erwirtschafteten Erträge an die Kirche, im Jahre 1833. Nur vierzig Jahre später ließ Präsident Guzmán Blanco alle Klöster schließen und verbannte den Erzbischof. Schließlich verkündete er die Religionsfreiheit. Präsident Castro führte 1904 die Zivilehe sowie die Scheidung ein und nahm der Kirche ihre letzte Machtbastion. Später verankerten die Machthaber die Religionsfreiheit in der demokratischen Verfassung.

Heute bekennen sich etwa 86% der Bevölkerung zum katholischen Glauben. Jedoch haben sich, wie bei uns, viele von der Institution Kirche gelöst, so dass ihr Einfluß auf den Staat abnimmt. Vergleichen wir die Stellung der katholischen Kirche in der venezolanischen Gesellschaft mit anderen Ländern des Kontinents, so stellen wir fest, dass z.B. ein venezolanischer Priester fast doppelt so viele Schäfchen betreut wie sein kolumbianischer Kollege. Die Protestanten verzeichnen ebenso wie die vielen Sekten Zulauf. Neben der jüdischen Gemeinde besteht eine moslemische, die 1993 ihre erste Moschee in Caracas fertigstellte.

Viele Menschen verehren Heilige wie San Onofre, nach dem etliche Apotheken benannt sind. In Kirchen findet man Heiligenfiguren, denen Blumen oder geschriebene Danksagungen zu Füßen liegen. Einige Kirchen haben seitlich einen kleinen Brunnen mit Heiligenfigur, an dem Gläubige Bittgebete sprechen. Eine Münze, von Bittstellern ins Wasser geworfen, soll dem Anliegen Nachdruck verleihen. Die Menschen erbitten Liebes- und Familienglück, Gesundheit oder berufliches Fortkommen. Einer, der nicht zu den Heiligen gehört, aber dennoch verehrt wird, heißt Dr. José Gregorio Hernández. Er bemühte sich um die Heilung von Kranken in den Armenvierteln. Nach seinem tödlichen Autounfall im Jahre 1919 besuchten viele Kranke sein Grab und sind dadurch genesen. Bus- und Taxifahrer hängen ein Bild von ihm in ihrem Fahrzeug auf und hoffen so, Unfälle zu verhindern. Bei Krankheitsfällen richten die Venezolaner gleichermaßen ein Gebet an ihn.

Schnelles Glück und schwarze Katze

Eine Religion, in der sich Schwarze, Indianer, Mischlinge und sogar Weiße wiederfinden, verkörpert María Lionza, Tochter einer indianischen Prinzessin und eines spanischen Eroberers. Dieser Kult stellt eine magisch-religiöse Glaubensmischung aus drei Kulturen dar. Besondere Verehrung erweist man der Naturgöttin Maria Lionza, dem Indianer Guaicaipuro und dem Schwarzen Miguel. Auf diese Weise vereinigen sich indianische Riten mit afrikanischem »voodoo« und christlichen Ritualen. Philosophie oder moralische Gebote fehlen. Die einzigen Tabus sind der Diebstahl von Kultgegenständen sowie das sinnlose Töten von Tieren. Der wichtigste Vorsatz ist, Menschen zu helfen, ihre religiösen Bedürfnisse zu befriedigen. Ihre Anhänger pilgern zum Berg »Soto«, südlich des Ortes Chivacoas, in der Nähe Barquisimetos. Riten, wie das Waschen im heiligen Fluß oder Ekstase, sollen den Anhängern neue Energie verschaffen, Krankheiten heilen bzw. abwehren und die eigenen Probleme lösen helfen. Wer einen Einblick in den María-Lionza-Kult bekommen möchte, erhält in Geschäften, die man überall in Venezuela findet, allerlei mysteriöse Salben, Puder und Flüssigkeiten. Die Etiketten auf den Behältern versetzen uns Europäer in Erstaunen. Da heißt es: »Templo de Amor« (Liebestempel), »Abre Camino« (Wegöffner), »Paz y Unión« (Frieden und Vereinigung), »Gato Negro« (schwarze Katze), »Suerte Rápida« (schnelles Glück) oder »Las Siete Potencias Africanas« (die sieben afrikanischen Potenzen). Ladenbesitzer bieten auch Bücher zur weißen, afrikanischen und indianischen Magie an. Wer die Rituale hautnah miterleben möchte, schließe sich einer Pilgerfahrt von Valencia aus an, denn unbeteiligte Touristen sind hier nicht gern gesehen. Das Zelten sollte man auf dem heiligen Berg unterlassen, um Konfrontationen mit Gläubigen zu vermeiden.

Besonders unter Kolumbianern ist die »brujería« (Hexerei) verbreitet. Sämtliche Zutaten verkaufen hierfür besondere Geschäfte: Anleitungen zur Schwarzen Magie sowie Pflanzen und Duftwässerchen verschiedenster Art. Wer Gelegenheit hat, eine kolumbianische Familie zu besuchen, der sollte mal oben hinter die Türen schauen, denn dort hängt oftmals eine Pflanze, die böse Gedanken anderer Personen abwehren soll. Mit der Wurzel nach oben, und ohne Wasser zu benötigen. Bis sie vertrocknet kann ein Jahr vergehen. Welkt die Pflanze schnell, so wünschte jemand dem Bewohner etwas Schlechtes. Oft hängt an der Pflanze ein kleiner mit Münzen gefüllter Stoffsack, der finanzielle Not verhindern soll. Erneuert jemand die Pflanze hinter der Tür, so spricht er dazu ein Gebet bei Kerzenschein.

Die indianischen Gruppen behielten die von ihren Vorfahren überlieferten Religionen bei. Je nach Stamm praktizieren sie ganz unterschiedliche Riten.