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Kleiderwechsel

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Lockere Klamotten statt Zwangsanzug

»Dress Up!«, also: »Zieh Dir was Ordentliches an!« hieß jahrzehntelang die Parole. »Dress Down« heißt Amerikas neuster Trend. Büroangestellte tragen dunkle Anzüge, weiße Hemden, gedeckte Krawatten. Angestellte großer Banken zeigen Nadelstreifen und breite Hosenträger. Arme Schwarze im Süden tragen sonntags auf dem Weg zur Kirche die besten Klamotten, die sie sich nur leisten können. Die schwarzen Kirchgänger bleiben der Tradition treu, doch ansonsten bricht der Damm. Immer öfter gilt: Dress Down. Nicht nur, wenn man allein ist, zu Hause, außer Sichtweite von Kollegen und Chefs. Vor einigen Jahren bereits wurde der Dress-Down-Freitag erfunden: Firmen, die Wert auf formale Kleidung legen, begannen ein Auge zuzudrücken; wenigstens am letzten Tag der Arbeitswoche. Wenn die Angestellten im Gedanken schon beim Picknick sind, dürfen sie in Jeans und Pullover zum Dienst erscheinen. Selbst der Geheimdienst CIA schloß sich der Freitagsbewegung an, etwa zur gleichen Zeit, als die CIA wegen fundamentaler Pannen und interner Schludrigkeiten in die Schlagzeilen geriet. Zufall? Die Büromaschinenfabrik IBM eroberte die Märkte der Welt dereinst mit Hilfe einer uniformierten Truppe alerter Verkäufer. der IBM-Bekleidungskodex galt als einer der strengsten der Geschäftswelt. Herren war nichts anderes als Dunkelblau und Dunkelgrau erlaubt. Saloppe Slipper waren undenkbar, mochten sie aus noch so teurem Saffianleder sein. An den Füßen der IBM-Soldaten waren ausschließlich schwarze, steife Beerdigungsschuhe geduldet. Heute dürfen sich sogar die IBM-Angestellten nach Belieben kleiden, und zwar nicht nur freitags, so dass sich jemand im gestärkten Oberhemd genauso deplaziert vorkommt, wie jemand, der gestern versucht hätte, mit Turnschuhen zum Dienst zu erscheinen. Auch Downdressing will gelernt sein. Wer glaubt, einer Einladung zum Barbecue mit Schlips folgen zu müssen – und sei es ins Weiße Haus – fällt auf wie ein Pinguin unter Papageien. Barbecue ist »informell«, das hat man zu wissen. »Casual Wear«, Freizeitkleidung ist angesagt. Und so sieht man auf inneramerikanischen Flügen fast jeden Zweiten in einem Jogginganzug. Wo ein Garagenbastler ein Computerguru, ein Schauspieler Präsident weden kann, da ist das Leben ein Rollenspiel, und da wechselt man die Kleidung mit der Rolle. Freizeitkleidung gilt z.Zt. als die Kleidung der Kreativen. Jene legendären High-Tech-Firmen, die aus Garagen heraus zu Dukateneseln heranwuchsen, wurden nicht von Männern in blauen Anzügen oder Frauen mit beschleiften Blusen gegründet, sondern von Freaks in ausgelatschten Turnschuhen. So zeigt sich der Regisseur und Filmproduzent Steven Spielberg bei Pressekonferenzen stets mit karierten Freizeithemden. Das wirkt stilbildend, denn niemand verdient mehr Geld in Hollywood als Spielberg.

»Casual« ist in Amerikas Geschäftswelt gleichbedeutend mit »kreativ« geworden. Sneakers und Sweaters gelten als schlichtweg »entrepreneurial«. Ein Entrepreneur ist unter US-Unternehmern, was ein Espresso in der Welt des Kaffees ist. IBM verzichtete auf seine alten Bekleidungsvorschriften just in dem Moment, da die Firma sich umstrukturiert, da sie zu werden versucht, wie die kreativen, aggressiven Emporkömmlinge der Computer- und Softwarebranche. Einem Irrtum sei vorgebeugt: Downdressing heißt mitnichten Geld sparen. Da ist die Modeindustrie vor. Robuste Wanderschuhe, geeignet für Feuchtbiotope und Geschäftsessen mit Hollywoodmagnaten, belaufen sich leicht auf einhundert Dollar.

Andreas von Bechtholsheim aus Lindau am Bodensee, Ende der Siebziger als Student gekommen, entwickelte 1981 im Xerox-Labor der Stanford Universität einen Kompaktcomputer, gründete ein Jahr darauf mit zwei Kommilitonen Sun Microsystems und war mehrere Jahre später mehrfacher Dollarmillionär. Innerhalb weniger Jahre verlor die amerikanische Ostküste ihre wirtschaftliche Vormachtstellung. In den Fünfzigern schon erlebte Kalifornien allgemein großen Aufschwung durch den Koreakrieg, und während der Sechziger war San Francisco wichtigster Nachschubhafen für den Vietnamkrieg. Kein Wunder also, dass allerlei Rüstungsunternehmen hier produzierten und die nachfolgenden hochtechnisierten Firmen der Computer- und Chipindustrie genügend ausgebildete und hochspezialisierte Arbeitskräfte vorfanden sowie ideale klimatische Produktionsbedingungen. Eine Zeitlang galt, dass Kalifornien, wenn es ein unabhängiger Staat gewesen wäre, trotz seiner geringen Bevölkerungsdichte zu den wohlhabendsten Ländern der Erde gezählt hätte.