Speisen auf Reisen

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Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht - oder doch?

Von der Wiese in den Topf

Raffinierte Nachspeisen

Nachdem auch in meinen Magen nun wieder feste Nahrung Einzug hält, lohnt es sich, einen Blick auf hiesige Speisen, deren Vielfalt und deren Verkauf zu werfen.

Über allem steht Mais, Kulturpflanze, Heiligtum und Kohlenhydrat-Eiweiß-Schmankerl schlechthin. Humitos ist ein kleiner Maisbrei, der ins Blatt der Pflanze eingewickelt wird und an jeder Straßenecke warm, duftend und dampfend für ein paar Cent als Zwischenmahlzeit herhalten darf. Ebenso der gekochte Kolben, meist mit Käse statt Butter als Überzug, wartet auf den Straßenpassanten. Beides schmeckt ausgezeichnet, da kann man nix falsch machen, genau so wenig wie mit Maisfladen, Maisbrot, Maisbier oder Maismehl. Zahlreiche weitere Getreide ergänzen den Speiseplan, Quinoa, Hafer, Gerste, Weizen, Kiwichi und anderes Zeug, dessen Namen ich nicht verstehe.

Panaderias, Bäckereien also, verkaufen meist 30 verschieden Arten von Weizen-Brötchen für umgerechnet zwei Cent das Stück, die alle ein bisschen anders aussehen, man denkt: Was für eine Auswahl!, aber gleich Weißmehlig, meistens trocken, schmecken - Was für ein Mist! Brot halt.

Wer Glück hat, erwischt leckere mit Käsefüllung oder genau so leckere Croissants mit viel Fett.

Morgens, mittags und abends gibt es in Restaurants Menüs zu kaufen, die sich aber aufgrund der Tageszeit nicht unterscheiden, es heißt halt eben Desayuno (Frühstück) oder Almuerzo (Mittagessen), beinhaltet aber jedes Mal eine Suppe als ersten Gang und einen folgenden Hauptgang, der primär Reis auf dem Teller hat.

Der Südamerikaner an sich isst also dreimal am Tag Reis, so einfach ist das.

Ein kleiner Salat (immer gleich: Zwiebeln, 2 Tomaten, angemacht mit gaaanz viel Limonen und Essig), zwei Kartoffeln (oder Salchipapas - Pommes) plus Fisch, Rind oder Huhn ergänzen den Reis. Kostenpunkt, wenn man von touristischen Pizzerias und ähnlichem, die es hier natürlich auch gibt, absieht: 50 Cent bis ein Euro.

Nun war der eine Leser schon in Nordafrika, der andere ruderte durch die Reisfelder Vietnams, ein Dritter kennt die Küche Litauens. Reisende, Abenteuer, Hinterblicker mögen mit den nun folgenden Details vertraut sein, sie sind abgehärtet und auch gar nicht scharf darauf den deutschen Luxus auch im Ausland zu goutieren, dennoch: für alle Anderen, Interessierten und Neugierigen, mal ein paar Auszüge, was hier so passieren kann.

Gestern Abend zum Beispiel, Chinchero, ein kleines Dorf im sacred valley der Inkas, auf 3800 Metern hoch gelegen, malerisch, bewölkt, Schafe, Schweine, Esel as usual auf den Straßen, Kühe mit mächtigen Hörnern, die dir in zwei Meter kleinen Passagen entgegen kommen, Indiohüte, bunte Tücher, das ganze bekannte Anachronismus-Spektrum zum Luftanhalten und traurig-glücklich ganz ganz anders Fühlen.

Das Dorf kennt drei Restaurants, zwei haben um halb acht abends nix mehr zu futtern, bleibt das dritte. Getafelt wird in einer Art Schuppen, überdacht zwar, doch zugig und durchlässig, Temperatur: geschätzte elf Grad. Die Gäste tragen Jacken, Hunde laufen durch diese Hofhalle auf der Suche nach Leckerlis.

Die Toilette unterscheidet sich nicht von anderen Restaurant-Toiletten, sie stinkt, sie hat kein Licht, keine Klobrille, man tastet sich durchs Dunkel und versucht irgendwie irgendwo irgendwann was zu treffen.

Die ganze Familie steht hinterm Herd, bedient, ist umtriebig und gleichzeitig peruanisch trantütig, der erste Gang, eine Suppe mit weichen Nudeln ist wenigstens warm, kommt aber nicht an manche großartigen Gemüsesuppen heran, die unsere Mägen hier bereits kennen lernen durften.

In den Suppen ist immer eine kleine Überraschung, manchmal Gemüse (sehr gut), Graupen, Reis, Nudeln (auch gut) und manchmal ein Stück Tier (nicht immer gut). Zwei besonders unangenehme Episoden diesbezüglich:

Vor einigen Wochen in Ayabaca haben wir einen herrlichen Spaziergang am Dorfrand gemacht und sind in einer Art Rotsand-Bobbahn (matschige, enge Schlammpassage zwischen Hochlandsträuchern) zwei Riesenschweinen begegnet. Grunz!

Entweder wir oder die Schweine, zusammen kommen wir hier nicht aneinander vorbei. Die Dinger flößen einem natürlich Respekt ein, auch wenn ich hier so vielen Schweinen so nah gekommen bin, dass es für ein Jahrhundert aus europäischer Zentralschlachtsicht reicht und man sich an die allesfressenden Saudinger gewöhnt. Mit zwei Taktiken haben wir versucht den Kollegen Bescheid zu geben, dass wir durch wollen. Ich mit der Hunde-"Ab jetzt, Geh dahin"-Methode, Partnerin mit Stille und geschehen-lassen. War irgendwie kongenial erfolgreich, die Schweine zogen ab und wir marschierten weiter. Warum diese kleine Episode? Nun, weil wir zwei Stunden später in einem kleinen Restaurant, das gleichzeitig Schuhbetrieb und Dunkelkammer (weil kein Licht) war, eine wärmende Mittagssuppe verspeisten, die nach einigen Löffeln eine seltsame Sole (Rasenstück) aus Fett, Borsten und Tran präsentierte. Also wie ein Stück Teppich, den man aus der Haut des Schweins rausgeschnitten hatte, mit Borsten außen und Speck innen. Puuuh.

Ein paar Tage später in Chiclayo, gar nicht erst versteckt, ein Hühnerfuß in der Suppe. Ganz genau, ohne Umschweife, nicht irgendwie snacky präsentiert (so wie die Straßenverkäufer, die kross gebratene Hühner-Füße feilbieten), sondern einfach zäh, Hühnerbeine, mit drei Vorder- und einem Hinterfuß, lag das Ding in der Suppe. Ich war so frei und hab die Suppe gegessen, dezent allerdings ein weißes Taschentuch auf dem Fuß ausgebreitet, damit der Appetit nicht ganz so flöten geht.

Die Hauptspeisen sind meist angenehmer, auch wenn man manchmal nicht weiß von welchem Stück hier eigentlich grade gespeist wird (den Sehnen, Fettschichten und Knorpeln wegen, will man meist gar nicht wissen, in welcher Ecke Rind man gerade schmaust).

Dazu gibt´s auch immer noch ein Heiß- oder Kaltgetränk, für Natura-Europäer meist ganz widerlicher Zuckerbräu, ungenießbar.

Genießbarer hingegen der Nachtisch, in jeder guten Postelerie zu erwerben, Tortenstücke, süße Teilchen, Kekse, alles mit Raffinesse, einer milchigen Karamellcreme als Füllung, Pudding oder Schokolade. Selten ungut.

Oder einheimisch, echter und wirklich ausgezeichnet: Gegrillte Bananen (mit einer Schicht Käse in der Mitte) oder schon getrocknet, als Chifles.

Oder gerade hier in Cuzco neu entdeckt und der Oberhammer: frische Feigen, zwanzig Stück für 50 Cent, glaubt man nicht, ist aber so.

Appetit bekommen?

Dann einfach Plastikstühle aufstellen, einen großen Topf Reis kochen und Tiere auseinander nehmen. Wir kommen bestimmt.