Jahresbeginn

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Kleine Jahreswechsel Kunde

Sonnen- und Mondanbeter

Wer bei prähispanischen Völkern hierzulande an die Inka denkt, hat natürlich völlig Recht, sie sind herrschend gewesen, aber nur von etwa 1200 bis zum Mord an Atahualpa 1532. Eigentlich sind sie nur einer von vielen bunten kulturellen Farbtupfern der andinen Geschichte: Caras-Maya, Mochica, La-Tolita, Paracas, Chavin, Nazca sind neuzeitliche Beschreibungen, die anhand von Artefakten der letzten zweitausend Jahre gemacht werden konnten. Zahlreiche Überschneidungen dieser Völker, Kulturen und ihrer Hinterlassenschaften inklusive.

Als die Inkas, die großen Sonnenanbeter, sich zum gewichtigen Herren über die Anden aufmachen, müssen sie erst einmal eine andere erfolgreiche Kulturform verdrängen, die Chimu, die an der heutigen nordperuanischen Küste siedelten und eines der archäologischen Highlights Perus hinterlassen haben, vor allen Dingen die Riesenstadt Chan Chan. Gebaut im 7. Jahrhundert, entwickelte sie sich schnell zum Infrastrukturmonster mit geschätzten 300.000 Einwohnern, zum derb-plumpen Europa-Mittelalter im Vergleich und auch absolut also seinerzeit die größte Stadt der Welt, samt Hygiene-, Medizin- und Sozialstruktur, die den Fremden auch 800 Jahre später noch fremd waren.

Hauptheiligtümer dieses Völkchens waren zwei kleine Pyramiden, Huaca de la Luna und Huaca del Sol. Im Gegensatz zu ihren späteren Besiegern, verehrten die Chimu aber den Mond als höchste Gottheit, mit der ultimativen Begründung schlechthin: Der Mond ist der Herrscher des Alls, weil er nicht nur in der Nacht, sondern auch am Tag gesehen werden kann. Sonnenfinsternisse, also eine Bedeckung der Sonne durch den Mond wurden jubiliert, Mondfinsternisse lösten Angst und Schrecken aus.

Tollerweise darf man Chan Chan sowie die beiden Heiligtümer heute noch bestaunen, und es offenbart sich wieder einmal dieser ganz andere, fremde, stille, der natürlichen Göttlichkeit huldigende Charakter dieses Kontinentes. Kein Vergleich zur Ritterburg von Ludwig oder Karl XYZ. Majestätisch und perfekt arrangiert, komplett auf die Gestirne ausgerichtet, kunstvolle, geschwungene, bunt verzierte Verkleidungen.

Was für´n Glück haben eigentlich die Mitteleuropäer, werfen sie einen Blick auf ihre Vorfahren, nennen wir sie mal nicht ganz historisch korrekt die Kelten, und stellen fest: Ein Mondvölkchen, wie die Chimu, sondergleichen, Jahresbeginn am ersten Neumond nach der Wintersonnenwende, also heuer betrachtet beginnt in drei Tagen der neue Spaß. Die von Julius Caesar erfundene, fälschlicherweise für eine christliche Idee herhaltende, Feier vom 31. Dezember auf den 1. Januar ist dagegen wahrscheinlich die unnatürlichste und unsinnigste Jahreswechsel-Art der gesamten Welt.

Werfen wir einen Blick durch die Kulturen, wurmt´s einem aufgrund solch hervorragender Alternativen:

Die Chinesen feiern am 2. Neumond nach der Sonnenwende, also durchschnittlich am 1. Februar. Nicht von ungefähr feierten Germanen und Kelten hier das Fest der heiligen Brigid, Imbolc genannt, was so viel wie "im Schoße" oder "im Bauche" bedeutet und darauf hinweisen soll, dass das Licht der Erde einerseits aufgrund der längeren Tage zwar wieder deutlich erwacht ist, aber aufgrund der Eiseskälte die Wärme noch im Schoße der Erde versteckt ist. Als Imbolc-Fan konstatiere ich: Es gibt im ganzen Jahr keinen prägnanteren Tag als den 1. Februar - man steht morgens auf, und meint, es wäre drei Stunden länger hell und überhaupt blendet alles so. Mal drauf achten.

Weiter im Takt: Die Germanen, die Perser (bis heute) und die alten Römer feierten ganz plausibel die Tag- und Nachtgleiche im Frühjahr (daher September, Oktober, November, Dezember als siebter bis zehnter Monat rein lateinisch wörtlich, weil vom März als Nummer Eins ausgehend). Ostara hieß die germanische Fruchtbarkeitsgöttin und daher kommt der Begriff Ostern.

Von den Sonnenwenden hatten wir´s schon, Inti Raymi am 21. Juni ist auf dem ganzen Kontinent hier unten der große Bringer.

Herbstanfang, 23.9., war bei den alten Byzantinern der Spaß der Wahl, und wurde wie alles und überall mit entsprechenden Ritualen eingeleitet. Irgendwie ist´s ja bis heute übrig geblieben mit Böller und Geschrei und Gesaufe. Ganz große Pluspunkte verdient sich die keltische Sonnen-Variante, das Jahr lediglich in 2 Hälften zu schneiden, Winter und Sommer. Am 1. November geht der Winter und somit das Jahr los (bis Ende April, 1. Mai Sommeranfang) und dementsprechend wird gefeiert, eine wunderbare Art die schaurige, kalte Nebelzeit zu genießen.

Tja, und selbst die Christen haben eine, wenn auch nicht natürliche, aber immerhin kulturell sinnvolle Feierstartzeit, nämlich den 1. Advent, den die alten, meistens verfolgten Christen viele Jahrhunderte lang als Jahresbeginn ansahen.

Erster Januar in Peru

Was bleibt, ist dieser schrecklich langweilige 1. Januar, der dennoch Zeit zum Rückblick, zur Aussicht, zur Einsicht gibt, und der hier in Peru ein bisschen anders als in Hannover gefeiert wird. Das ganze Feuerwerk-Spektakel beginnt um 23 Uhr und endet kurz nach 24 Uhr, hmm, es wird also hinein geschrieen und übergeleitet, weniger willkommen geheißen als verabschiedet. Besonders pikante Note sind lustige mannshohe Stoff-Figuren, die hier allenorten selbst gebastelt werden und die lokale oder nationale Politiker oder ähnliche Unannehmlichkeiten darstellen und die zwischen 23 Uhr und 24 Uhr verbrannt werden. Da sitzt dann also der Präsident des Landes an jeder zweiten Ecke und stirbt den Feuertod, sieht hübsch aus und macht neben dem ganzen Lärm ordentlich was her, so ähnlich also wie in der New Yorker Bronx jeder stinknormale Tag "gefeiert" wird.

So feiert denn jeder seinen Übergang, Aus- und Eingang, als Empfehlung für Luna-Liebhaber sei noch mal auf den 8.1. verwiesen.

P.S.: Die wohl patriarchalischsten Kulturen der Erde, die Juden und die Christen, leben paradoxerweise völlig weiblich hinter dem Mond, in dem sie das Jahr mit nur 12 Mondmonaten kürzer machen als es ist, alle wichtigen Feste ausschließlich nach dem Mond ausrichten und rein zähltechnisch andere Kulturen irgendwann überholen.

P.S.2: Welches Jahr wir genau haben, hängt natürlich vom Standpunkt des Betrachters ab. Wenn der Führer vor 2000, 1400, 2500, 3600 Jahren geboren ward, so wird halt dementsprechend gezählt. (Doch irgendwie dünkt mich, das hier einer die Obermacht übernommen hat, oder wieso feiern die Chinesen 2008 Olympia, obwohl sie längst bei über 2500 sind?).

Natürlicherweise könnten wir aus auf fünf Milliarden Jahre Erde oder 15 Milliarden Jahre Universum einigen, einverstanden?

P.S.3: Hauptsache wir feiern, und wenn wir uns geschickt anstellen, haben wir fast jeden Tag was zum Juchzen. Jucheeeeee