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Sprache

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Das Korsische

Für einen Pinzuto (wie die Festlandfranzosen auf Korsika abfällig tituliert werden) reduziert sich die korsische Sprache in erster Linie auf die immer länger werdende Liste der Hotels, Restaurants und Campingplätze. Der erste Buchstabe ist meist ein u und der letzte ebens -u. So steht es jedenfalls auf den zahlreichen Reklametafeln an Geschäften und Straßen sowie auf den Ortsschildern zu lesen, wobei bei letzteren der letzte Buchstabe (in der Regel ein o) durchgestrichen und durch das korsische u ersetzt wurde. Ein sicheres Zeichen dafür, dass selbsternannte Beauftragte zur Reinerhaltung der korsischen Sprache unterwegs waren. Oder markieren die Verfechter einer Autonomie auf diese Weise Präsenz?

Früher oder später wird man dann beim Pastis Zeuge einer Unterhaltung zwischen einem jungen und einem alten Inselbewohner. Oder man gerät an einen telefonischen Anrufbeantworter – was ja nicht selten vorkommen soll – und wird auf Korsisch unterrichtet, dass ... nun was? Spätestens dann fragt sich mancher, woher diese Sprache, die ständig zu den bedrohten Arten gerechnet wird, denn überhaupt kommt.

Ein Einheimischer und gelehrter Linguist, Pascal Marchetti (Autor von »La Corsophonie, un idiome à la mer«, Ed. Albatros, 1990), hat inzwischen das Geheimnis gelüftet: die korsische Sprache ist danach ein Brennspiegel verschiedener italienischer Mundarten. Ursprünglich unterhielt man sich auf der Insel in einer prälateinischen Sprache, später in einem volkstümlichen Neo- oder Vulgärlatein, auf dem das aktuelle Korsisch aufbaut. Während der Herrschaft von Pisa und Genua prägten schließlich toskanische Einflüsse die Sprache.

Wäre es Dante vergönnt, noch einmal hienieden zu wandeln, so könnte er sich mühelos mit dem ungebildetsten Schafhirten im Niolo verständigen. Heutzutage lauschen die italienischen Touristen entzückt und leicht verwundert den altväterlichen Klängen – etwa so, als wenn Franzosen ihrer vor dreihundert Jahren nach Québec ausgewanderten und seither kaum weiterentwickelten Sprache begegnen.

Während der Dritten Französischen Republik (1870-1940) wurde die korsische Sprache – wie alle Regionalsprachen in Frankreich (Bretonisch, Flämisch, Deutsch bzw. Elsässisch und Moselfränkisch im Elsass bzw. Lothringen, Italienisch, Provenzalisch, Katalanisch, Baskisch usw.) – unterdrückt, und auch die modernen Kommunikationstechniken verdrängten sie zunehmend. Außer von älteren Leuten wird sie heute nur noch von einer Handvoll junger Korsen angewendet. Dabei schätzt man, dass sie von siebzig Prozent der Inselbevölkerung beherrscht wird!

Immerhin wertete man Korsisch 1974 zur Regionalsprache (Langue régionale) auf und lehrt es seitdem auch an der Universität von Corte. Wie überall in Europa, wann immer die regionale Kultur zur Folklore herabgesunken und dem Nationalstaat damit ungefährlich war (vergl. Wales, Schottland, Bretagne usw.) wird der Deckel ein wenig gelüftet. Sprachpuristen versteifen sich heute darauf, neokorsische Wortschöpfungen auf der Grundlage des Französischen zu bilden – statt die alten Bindungen nach Italien zu berücksichtigen. Das von manch einem Insulaner gepflegte Autonomiebewußtsein, die Corsitude, entfernt also das Korsische von seinen lateinischen Wurzeln. Kommentar von Paul-Jean Franceschini in der französischen Zeitschrift Express: »Ein Volk, dessen sozioökonomische Struktur vernichtet ist, das fast vollzählig aus der Heimat emigrierte, eine neue Sprache annahm (Französisch anstelle von Italienisch seit 1768) und eine tiefgreifende kulturelle Selbstentfremdung erlebt, hat nun allergrößte Schwierigkeiten bei der Erhaltung seines angestammten Wortschatzes.« Aus unserer Sicht ist noch etwas hinzuzufügen: nach diesem Zitat könnte der Eindruck entstehen, als hätten die Korsen die Kolonialsprache freiwillig angenommen. Wer die französische Kultur- und Innenpolitik kennt, weiß, dass dem nicht so ist, sondern dass das Französische aufgezwungen wurde. !!

Einige Korsischvokabeln

(s. auch Anhang!)

Castagnu: Eßkastanienbaum

Capu: Kap

Serra: Bergkette

Piscia: Wasserfall

Licettu: Eichenwald

Bocca: Bergpaß

Monte: Gipfel

Lavu: See

Pace i Salute!: Prost!

Aussprache

Sprachgewandte Korsikaurlauber finden schnell heraus, dass die Korsen Wortendungen gerne »verschlucken«. So wird Bonifacio »Bonifatsch« ausgesprochen, Porto-Vecchio »Porto-Vek« und Sartène »Sarteh«. Desgleichen wird das »i« am Ende von Eigennamen kaum hörbar ausgesprochen, nur hingehaucht. Weitere Regeln: das »e« am Ende eines Wortes ist, wie im Deutschen, niemals stumm; »ci« wird wie »tschi« ausgesprochen, »che« wie »ke«; »r« wird sanft gerollt (nicht etwa so stark wie im Kastilischen); aufeinanderfolgende Vokale werden nicht diphtongiert, also zu einem neuen Laut verschmolzen, sondern einzeln ausgesprochen (z.B in A-i-tone). Und nicht zuletzt: das »i« vor dunklen Vokalen (a, o, u) spricht sich »sch« aus, nicht »i«. So, und wenn wir jetzt noch jemanden »stratschiatella« statt »stratschatella« bestellen hören, patschen wir´s ihm gerade auf den Kopf. Vergleiche »bonifatscho«, auf Italienisch/Korsisch, nicht wie fälschlich bei den Festlandsfranzosen zu hören zu »bonifazio« und ähnlichem Graus verballhornt.