Machen wir ein Buch?

Reise, Sachbuch, Belletristik ...?
Alle interessanten Themen;
alles was bewegt.

Hier geht´s weiter!

Cap Corse

Body: 

Gegenüber der ligurischen Küste

Das Cap Corse erinnert an die Form eines Fingers, eines langen Zeigefingers, der unmißverständlich ins blaue Meer – nach Norden, in die Richtung der alten Schutzmacht Genua – weist. Ohne diesen Finger wäre die Insel nicht das, was sie ist: hier haben wir´s nämlich mit einem der wundervollsten korsischen Landstriche zu tun. Das Kap besteht im wesentlichen aus einer vierzig Kilometer langen und zwölf bis fünfzehn Kilometer breiten, macchiaüberwucherten Gebirgskette, die sich 1.000 bis 1.307 m hoch aufbäumt, um dann in das weite Blau des Meeres hinabzugleiten; an manchen Stellen, in Pino oder Zonza etwa, wähnt man sich in einer griechischen Tragödie. Schon die Römer, die ja nun nicht immer schlechten Geschmack bewiesen, tauften das Kap »heiliges Vorgebirge«. Die Korsen nennen es L´isula di l´isula, die »Insel der Insel« also.

Tatsächlich ist das Cap Corse eine außerordentlich schöne Halbinsel, die weitgehend von den Auswüchsen des modernen Lebens verschont geblieben ist. Hier können Dichter und Träumer noch nach Herzenslust umherspazieren, ohne ständig auf irgendwelche Kulturbanausen zu stoßen. Kieselstrände – an der äußersten Nordspitze sogar Sandstrände – wechseln mit versteckten Buchten ab, während zwischendurch immer wieder Berge für Abwechslung sorgen. Die beiden Abhänge des Kaps gleichen sich jedoch nicht: während die östliche Seite zwischen Bastia und Macinaggio in sanfte Täler ausläuft, stürzen die Höhen auf der Westseite jäh ins klare Wasser des Mittelmeeres ab, eine ganze Reihe von Steilhängen und Felsnestern bildend, an denen sich einige Bilderbuchdörfer mutig festklammern.

Eine kurvenreiche Küstenstraße (Corniche) – ausnahmsweise einmal nicht von irgendwelchen dämlichen Bürokraten entworfen – führt rund ums Kap von Bastia nach Saint-Florent und schlängelt sich heldenhaft zwischen Himmel und Meer oberhalb einer märchenhaften Küste. Unterwegs taucht immer wieder mal ein winziger Puppenhafen auf: es handelt sich hierbei um die sogenannten Marines (Jachthäfen). Diese Hafensiedlungen wurden seit jeher unmittelbar am Wasser errichtet (warum wohl?) und bestehen meist nur aus wenigen alten Schieferhäusern. Sie bilden sozusagen die maritimen Ableger – oder »Meeres«anschluß – der zahlreichen zurückgezogenen, sich an Berggipfel klammernden und unablässig den Horizont beobachtenden Höhenortschaften. Eine Welt für sich, die bis zum vorigen Jahrhundert von der restlichen Insel abgeschnitten war, denn die Küstenstraße (Corniche) wurde erst unter Napoleon III. fertiggestellt.

Eine Vielzahl aufwendig geschmückter Kirchen, abgelegener Kapellen, in der Wildnis verstreuter Familiengräber und Mausoleen, die Überreste von Trutzburgen, die Wasser- und Windmühlen und nicht zuletzt die zweiunddreißig runden oder quadratischen Genuesertürme (Tours Génoises), welche die Inselbewohner rechtzeitig vor Eindringlingen warnen und ihnen Zuflucht geben sollten, deuten auf einen geschichtsträchtigen Boden hin.