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Bonifacio

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Malerische Altstadt und Felshafen (20169)

Es fiele uns schwer, von einem Besuch in Bonifacio wirklich abzuraten: steil abfallende Kreidefelsen, wind- und wassergeformt, auf deren höchstem Punkt diese verrückten Genueser eine Festung und schließlich sogar eine ganze Stadt errichteten. Die siebzig Meter hohen Felsen stammen aus dem Jungtertiär und sind eine geologische Besonderheit. Unterhalb macht ein Fjord, eine kleine Felsenbucht, den Hafen von Bonifacio zum sichersten Ankerplatz im ganzen westlichen Mittelmeer. Was natürlich nichts anderes heißt, als dass es hier im Sommer wie im Taubenschlag zugeht, von den irrsinnigen Preisen ganz zu schweigen. Also dann: wer sich seine Ferien vom Mund abgespart hat, darf die Füße ins Wasser strecken und ein Eis schlecken. Alle anderen räkeln sich an Deck ihrer Jacht ...

Aber auch Einzelgänger werden Mühe haben, dem diskreten Charme Bonifacios zu widerstehen: die Altstadt ist unstreitig die malerischste in ganz Südkorsika, und der Anblick der Felsklippen vom Meer aus ist einfach atemberaubend. Ganz zu schweigen von den Sonnenuntergängen ... also wie auf der Postkarte. Kein Wunder, dass in der Vergangenheit so verbissen um dieses Fleckchen Erde gerungen wurde.

Abstecher in die Geschichte

Odysseus, größter Seefahrer der Antike, soll sich einst nach Bonifacio verirrt haben. Die Beschreibung der Lästrygonenstadt Telepylos (Odyssee X, 85 ff.) paßt jedenfalls verblüffend auf die damals unbekannte enge Hafenzufahrt von Bonifacio. Fest steht: es siedeln hier seit grauer Vorzeit Menschen, wie die Dame von Bonifacio beweist, deren Skelett man in einer Höhle fand. Alter: 6.500 Jahre.

Auch griechische Händler und später die Römer ließen sich in der Umgebung nieder; später verkam die Stadt zum Piratennest. Den Namen Bonifacio nahm sie im Jahre 828 an, zu Ehren eines gleichnamigen fränkischen Markgrafen aus der Toskana. 1089 vergab Papst Urban II. die Insel als Lehen an Pisa. 1187 bemächtigten sich die Genueser der Stadt, nachdem die Bewohner bei einer Hochzeitsfeier einen über den Durst getrunken hatten und daher wehrlos waren. Sie bauten Bonifacio zu einer uneinnehmbaren Festung aus, ersetzten die Einheimischen durch Siedler aus Ligurien und erhoben sie in den Stand einer halbautonomen Stadtrepublik.

Noch heute sprechen die Einwohner einen altligurischen Dialekt, der von den anderen Korsen kaum verstanden wird. 1420 hätte der König von Aragon Bonifacio beinahe von See her erobert wie Vincentello d´Istria von Land her. Doch die Bewohner hielten der fünfmonatigen Belagerung stand, weil eine in die Steilküste gehauene Treppe die Wasserversorgung gewährleistete – behaupten manche, andere dagegen, dass sie als Notfluchtweg zur Ste-Antoine-Höhle oder der Drachengrotte (Sdragaonato) hätte dienen sollen. Den Namen »Treppe des Königs von Aragon« trägt sie also eigentlich zu Unrecht. Eine andere Legende will jedoch, dass Alfons V. die 187 Stufen bei der fünfmonatigen Belagerung in einer einzigen Nacht in die Steilwand schlagen ließ, um die Stadt zu bezwingen. Unverrichteter Dinge zog er aber ab, als sich die Frauen als Genueser verkleidet zeigten, so Hilfe von außen vortäuschten, und die Verzweifelten Verteidiger zudem ihre Angreifer mit den letzten normalen Lebensmitteln bewarfen – Hauptnahrungsmittel der mittlerweise klapperdürren Einwohner waren eigentlich schon längst Mäuse und Ratten gewesen – und die so getäuschten Spanier glaubten, die halb Verhungerten hätten noch mehr als genug Vorräte. Da kommt uns doch Monty Pythons »Heiliger Graal« in den Sinn, wo die frechen Franzosen eine Kuh von den Zinnen ihrer Burg schleuderten ...

Soweit die Legenden: wahr ist aber, dass Alfons bei Eintreffen der Genueser und der Kunde vom Erbe der Krone Neapels tatsächlich abzog .

Im folgenden Jahrhundert belagerten die Franzosen die strategisch bedeutsame Festung, wobei ihnen ein türkischer Korsar und die Pest zu Hilfe kamen, die unter der Bevölkerung aufräumte. Trotz heldenhaften Widerstandes fiel Bonifacio 1554 schließlich durch den Verrat eines genuesischen Emissärs. Nach einem kurzen genuesischen Zwischenspiel verkauften die Italiener im Vertrag von Versailles ganz Korsika schließlich 1768 an die Franzosen: gerade noch rechtzeitig, denn ein Jahr später tat auch schon Napoleon seinen ersten Schrei. Aber auch im 19. Jh. ging es nicht immer friedlich zu. Zwischen dem nahen Sardinien und Korsika pendelten die Kriminellen in beiden Richtungen munter hin und her. Wenn einer wieder mal Vendetta geübt hatte, schnappte er sich ein Boot und machte rüber nach Sardinien, bis Gras über die Sache gewachsen war. Dann ging das Spielchen wieder von vorne los ...

Die Sarden machten es genauso. Da war schon ein Abkommen zwischen Frankreich und Italien erforderlich, um das Problem in den Griff zu bekommen. Seitdem herrscht Ruhe in der Altstadt, auch wenn jetzt der Fremdenverkehr für Trubel sorgt.