Korsika: Kolonie Frankreichs?

Ein Blick auf die Frankreichkarte im Atlas genügt, und schon gehen die Schwierigkeiten los: wohin mit der »Insel der Schönheit«, deren abseitige Lage sich partout nicht mit dem Kartenausschnitt vereinbaren läßt? Könnte aus diesem Dilemma sogar auf die Unvereinbarkeit festlandfranzösischer und korsischer Befindlichkeiten geschlossen werden? Schließlich liegen Elba und die italienische Provinz Livorno den Korsen geographisch soviel näher, und gefühlsmäßig tut dies auch Pasquale Paoli, während Superstar Napoleon aus korsischer Optik eher als Abtrünniger zu betrachten ist. Ganz zu schweigen vom Sprachengemisch auf der Insel, das republikanisch gesonnenen Franzosen ein Dorn im Auge sein muß. Korsischer Wein (wenn ungepanscht) und korsische Küche mögen sie wieder versöhnen.

Dennoch bleiben Zweifel: gehört Korsika tatsächlich genauso zu Frankreich wie Nizza, das erst hundert Jahre später Teil der Grande Nation wurde? Fragen, auf die wir als Außenstehende kaum eine Antwort finden werden. Soviel steht allerdings fest: der Zwist zwischen den sich traditionell kolonisiert fühlenden Korsen und Frankreich wird nicht ohne weiteres aus der Welt zu schaffen sein. Wahrscheinlich auch nicht mit Regionalisierung, Zweisprachigkeit und korsischen Universitäten. Zu sehr fühlen sich die Korsen von der Geschichte betrogen, als dass sie den Estrageri (Fremden), zu denen sie auch die französischen Landsleute zählen, die noch nicht einmal die wichtigsten Städte der Insel richtig aussprechen, wirklich vertrauen könnten.