Sozialismus

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Sozialistisches Gedankengut

Experiment: Mongolei

Mit der Unterstützung Rußlands, das so seinen strategischen Engpaß südlich des Baikalsees sicherte, wurde die Mongolei einige Jahre nach der Oktoberrevolution fast zwangsläufig das erste Entwicklungsland unter sozialistischer Herrschaft. Dabei zog sie Nutzen aus ihrer Lage im Spannungsfeld zwischen der Sowjetunion und China, indem sie von ersterer mit personeller, finanzieller und materieller Hilfe überschüttet und von 1950 bis 1964 auch von China unterstützt wurde.

Nur kurz bestand eine freiheitliche Wirtschaftsverfassung, während der zwar die politische Macht der alten Eliten und der Klöster abgebaut wurden, aber ihre wirtschaftlichen Privilegien bestehen blieben. Dann begann 1928 die Neuverteilung des Bodens, Genossenschaften wurden gebildet und der Handel verstaatlicht.

Schwierigkeiten bei der Sozialisierung

Zum Widerstand der herrschenden Schichten und der Bedrohung durch Japan seit den dreißiger Jahren gesellten sich auch noch Schwierigkeiten mit den Genossenschaften, die zunächst nur als lose Zusammenschlüsse konzipiert waren. Schließlich verzögerte der zweite Weltkrieg, in dem größere Fleischmengen an die Sowjetunion geliefert wurden, den eigentlichen Aufschwung bis in die späten fünfziger Jahre. Abgesehen von einigen Produktionsgruppen und den Zwangsablieferungen war die Viehwirtschaft wieder ganz privater Initiative überlassen. 1952 verfügten die Genossenschaften nur über 280.000 Tiere.

Die Ziele der ersten Fünfjahrespläne 1948-1952 und 1953-1957 wurden nicht erreicht. Erst während des nächsten Dreijahrplanes begann die endgültige Sozialisierung der Landwirtschaft. Mitte der 70er Jahre waren über 99% des Viehbestandes in der Hand der 274 Genossenschaften und einiger Staatsgüter. Der Beitritt zu den Genossenschaften war nach offizieller Lesart freiwillig. Anreize in Form unterschiedlicher Kreditbedingungen, Steuersätze und Zwangsablieferungen spielten aber eine große Rolle beim Erfolg dieser Bewegung.

Damit waren die Voraussetzungen für den rationellen Einsatz von Investitionen und die Einsparung von Arbeitskräften geschaffen. Bis 1970 stieg die viehwirtschaftliche Erzeugung, teilweise infolge ungünstiger Witterung, nur in wenigen Bereichen. Doch wurden genügend Arbeitskräfte für die Entwicklung des Ackerbaus, des Bergbaus und der Industrie frei.

Die Weizenmenge stieg von 47.000 t (1955) auf 195.000 t (1960), die Braunkohlenförderung von 174.000 t (1940) auf 619.000 t (1960), die Elektrizitätsproduktion von 12 (1940) auf 106 Millionen kWh (1960).

Ausländische Hilfe

Moskau wollte am Beispiel der Mongolei die Leninsche These beweisen, dass die Entwicklung eines rückständigen Landes zum Sozialismus unter Umgehung des kapitalistischen Zwischenstadiums möglich sei.

Zwischen 1946 und 1956 erhielt die Mongolei langfristige Kredite von 900 Millionen Rubel, bis 1969 weitere 200 Millionen. Investitionen für Verkehrsanlagen und Erdölindustrie wurden dem Land ebenso geschenkt wie Tausende von Lastkraftwagen, Traktoren, Erntemaschinen. Schon die Rationalisierung der Viehwirtschaft wäre ohne die Beratung und materielle Hilfe der Sowjetunion viel langsamer abgelaufen. Noch mühseliger wäre aber die Industrie vorangekommen ' auch wenn über den Umfang der Schenkungen und Materiallieferungen keine vollständigen Angaben vorliegen.

Von 1966 bis 1970 soll die Mongolei von Moskau 220 $ Entwicklungshilfe pro Kopf erhalten haben. Für 80 nichtkommunistische Entwicklungsländer betrug sie im gleichen Zeitraum 4,20 und für Vietnam 36 $.

China beteiligte sich mit Fachleuten und Ausrüstungen im Wert von (nicht rückzahlbaren) 160 Millionen Rubel zwischen 1956 und 1959 am Aufbau mehrerer Fabriken. Bis 1960 waren mehrere tausend Chinesen im Wohnungs- und Straßenbau, bei der Anlage von Bewässerungssystemen und mit anderen Arbeiten beschäftigt, die nach 1964 von Russen fortgeführt wurden. Durch die Einschränkung des chinesischen Handels mit der Mongolei ging dieser eine wichtige Einnahmequelle (Transitverkehr) und eine wichtige Bezugsquelle für billige Textilien, Seiden- und Baumwollwaren verloren.