Machen wir ein Buch?

Reise, Sachbuch, Belletristik ...?
Alle interessanten Themen;
alles was bewegt.

Hier geht´s weiter!

Cirque de Mafate und La Nouvelle

Body: 

Cirque de Mafate und La Nouvelle

Hubschrauber im Zirkus

Der natürlichste und außergewöhnlichste Cirque der Insel ist ohne Zweifel Mafate. Keine Straße führt in den Bergkessel hinein, der wie vor hundert Jahren nur zu Fuß zugänglich ist. Ein Teil der Versorgung gelangt heute, ebenso wie lauffaule Besucher, mit dem Hubschrauber nach Mafate. Der einfachste Abstieg führt vom Cirque de Salazie über den Col des Boeufs oder den Col de Fourche nach Marla. Den Einstieg über den Maido (2 203 m), Dos d'Âne oder Cilaos sollten nur erfahrene Wanderer in Angriff nehmen.

Dank seiner Lage und der Abgeschiedenheit bot Mafate entflohenen Sklaven zunächst ein ideales Versteck. Auf den durch Erosion entstandenen Îlets, kleinen Hochplateaus, die auch heute noch die Siedlungen beherbergen, suchten sie Unterschlupf.

Anfang des 19. Jahrhunderts, nachdem der Cirque weitgehend von den schwarzen Aufsässigen »gereinigt« war, ließen sich zahlreiche sogenannte Petits Blancs, weiße Familien, hier nieder, die sich an der Küste keine Existenz aufbauen konnten und deshalb in der Landwirtschaft der verlassenen Höhen ihr Glück suchten. Noch heute leben rund 650 Menschen in verschiedenen Siedlungen neben den Erträgen aus dem Tourismus von Ackerbau und Viehzucht. Ein mühsames Unterfangen, da die karge Vegetation des trockenen Mafate nicht viel hergibt. Die Installation eines Fernsehempfängers im Jahre 1987 hat das Leben im bis dahin isolierten Cirque stark verändert. Dasselbe gilt auch für die gewaltigen Besucherströme, die sich Jahr für Jahr wandernd durch Mafate bewegen. Die Einrichtung von Solarstrom und Sanitärblöcken gehört in diesem Zusammenhang sicher zu den positiven Auswirkungen, die Tatsache, dass es den Menschen im Cirque, die jahrelang völlig auf sich selbst gestellt und auf die Mithilfe ihrer direkten Nachbarn angewiesen waren, schwer fällt mit der rasanten Entwicklung Schritt zu halten, sicher nicht. Nun wird die Öffnung des bis dato auf seine landwirtschaftlichen Erträge angewiesenen Cirques zum Fremdenverkehr gemeinhin als unausweichlicher Fortschritt angepriesen, welcher der Region und ihren Bewohnern Beschäftigung und Wohlstand bringe.

Auch wenn nicht gerne darüber gesprochen wird, liegt die Kehrseite der Medaille auf der Hand: Familien und Nachbarn, die seit Generationen zusammenleben, sehen sich plötzlich als Konkurrenten im gewinnbringenden Spiel mit den Touristen. Jeder möchte an der neuen Ertragsquelle teilhaben, wobei häufig vergessen wird, dass die meisten Besucher kommen, um die Ursprünglichkeit des Wanderparadieses und die Herzlichkeit seiner Bewohner zu erleben.

Noch haben sich viele Mafatais ihre Gastfreundschaft und traditionelle Lebensweise bewahrt. Ob das so bleibt, hängt wohl davon ab wie schonend man in Zukunft mit den außergewöhnlichen Bedingungen im Cirque de Mafate umgehen wird.

La Nouvelle (1 440 m), der im südlichen Zentrum gelegene Hauptort bildet das infrastrukturelle Herzstück des Cirques. Neben einer Bäckerei und einer solarstrombetriebenen Telefonzelle findet man hier auch eine sporadisch besetzte Krankenstation und eine Grundschule, deren zirka dreißig Schüler später in weiterführende Lehranstalten an die Küste gehen und während dieser Zeit in der Regel bei Pflegefamilien unterkommen.

Zahlreiche Gîtes und Épicerien (kleine Lebensmittelgeschäfte) bieten sich entlang der Feldwege den Gästen an. Wie überall im Cirque verliert man hier häufig schon am späten Vormittag die Orientierung, da die Siedlung von dichten Nebelschwaden eingehüllt wird. Bei mehrtägigen Wanderungen bietet es sich zwar an, in einem der kleinen Lebensmittelgeschäfte die Vorräte aufzufrischen; da fast alle Waren mit dem Hubschrauber eingeflogen werden, liegen die Preise allerdings deutlich höher als im ohnehin teuren Rest der Insel.