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Quebec

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GESCHICHTE UND GESELLSCHAFT

Quebec

Englisch, französisch oder multikulturell?

Besondere Situation Quebecs

Vor der »stillen Revolution« fand bereits eine andere statt, die der »Kinderwiegen«. Gemeint ist der Umstand, dass die Frankokanadier die anglophone Seite mit ihrem überaus reichen Kindersegen - nicht selten hatte ein Paar zwölf, fünfzehn, ja sogar zwanzig Kinder! - buchstäblich überschwemmten. Diese Revolution ist dem Klerus zu verdanken, der in der Fruchtbarkeit der Frauen das sicherste Mittel sah, die römische Kirche in der Neuen Welt zu einer festen Größe anwachsen zu lassen. Dass seine Schäfchen der anglophonen Übermacht dadurch auch etwas entgegensetzen konnten, war für den Klerus eher unbedeutend. Was die Kirche anordnete, wurde auch in die Tat umgesetzt; man war zwar arm, aber gläubig. Der klerikale Einfluß war angeblich derart stark, dass sich der Frankokanadier noch in den sechziger Jahren jeden Tag um 19 Uhr vor seinem Radio auf die Knie fallen ließ, um im Chor mit dem Kardinal den Rosenkranz zu beten!

Zu dieser Zeit bildete die Diözese in Montreal noch sieben- bis achthundert Priester im Jahr aus. Heute sind es kaum noch sieben oder acht! Die Bigotterie fand zu Beginn der siebziger Jahre mit der »Love & Peace« Generation ihr jähes Ende. Gott sei´s gedankt!

Mittlerweile fühlt sich die Sprachgemeinschaft der Frankophonen durch den fortwährenden Zustrom von 35.000 Einwanderern im Jahr in ihrer sprachlichen Identität bedroht. Diese neue Einwanderergeneration aus allen Erdteilen - darunter vor allem Italiener, Griechen, Libanesen und Asiaten - beherrscht nämlich außer ihrer Muttersprache meist noch eine zweite Sprache, und das ist Englisch. Die »Allophonen«, wie man sie nennt, lassen das Französische aufgrund der Nähe Kanadas zum Wirtschaftsriesen USA meist vollkommen außer acht, um so mehr, als alle Frankophonen zweisprachig sind und mithin auch die englische Sprache beherrschen. Auf dem Land allerdings kann es einem passieren, dass man als englischsprechender Reisender auf taube Ohren stößt. Man könnte sich fragen, ob nicht dereinst die »Allophonen« der Grund für eine politische Neuordnung in Quebec sein werden ... Niemand kann wissen, wie diese frankophone Provinz im 21. Jahrhundert aussehen wird. Sind bereits heute die Weichen für eine multikulturelle Entwicklung mit Englisch als vorherrschender Sprache gestellt? Wird Quebec zum souveränen Staat, oder bleibt es kanadische Provinz? Das Motto der Provinz: »Je me souviens«, »Ich erinnere mich«, bezieht sich jedenfalls längst nicht mehr nur auf die angeblich so glorreichen Zeiten der französischen Krone, sondern dient den Separatisten und Nationalisten zur Erinnerung an das nordamerikanische »Neu-Frankreich«.



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