Ausgesetzt

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Grauenhafte Sexualmorde und Identitätssuche in Kanada


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Ausgesetzt | Droemer/ Knaur Verlag 2005 | 426 Seiten | 7,95 Euro | von James W. Nichol

1995 macht sich Walker auf nach Toronto um seine Wurzeln zu suchen, die sich als Dreijähriger verloren. Ausgesetzt an einer Landstraße, sich am Maschendrahtzaun festhaltend, so hat man ihn 1980 gefunden. Nun, mit 19 Jahren, ist Walker gewillt, seine Eltern zu finden und unzählige Fragen beantwortet zu bekommen. Lediglich ein Foto von zwei Mädchen und der Brief eines Teenagers, die man damals in seiner Jackentasche fand, sind Anhaltspunkte seiner Vergangenheit. Und so hangelt sich Walker von Indiz zu Indiz, trifft schließlich auf Familienangehörige und somit auf ein lange gehütetes, schreckliches Geheimnis...

Ein gutes Buch braucht eine ganz bestimmte Erzählgeschwindigkeit und Beschreibungstiefe um realistisch zu sein und plastische Vorstellungen hervorzurufen. James W. Nichol ist dies leider nicht gelungen. Er treibt seinen Helden in hoher Geschwindigkeit vorwärts, setzt ihn allzu rasch in ein häusliches und berufliches Umfeld, gruppiert in aller Eile Arbeitsfreunde und eine körperlich behinderte Freundin um ihn, auf dass er schnellstmöglich und mit der nötigen Hintergrundfassade in den Thrillerplot einsteigen kann. Zwar ist es ihm gut gelungen, zwei Erzählstränge aufeinander zu laufen zu lassen auf dass sich diese am Schluss ineinander winden, doch dabei bleiben sämtliche Beteiligten samt Hauptprotagonist in ihrer Charaktererntwicklung auf der Strecke.

Das böse Element des Psychothrillers, "Bobby", ist die Hauptperson des zweiten Erzählstrangs, dessen Identität und Abgründigkeit sich immer mehr herauskristallisieren soll. Bald wird klar, dass bei einer solch verlorenen Seele ein möglichst grauenhaftes Finale wartet. Dies wird bestätigt und so ist mir nach Abschluss der Lektüre geradezu übel gewesen. Unterdrückte Homosexualität ist ein großes Thema des Buches, wir treffen gleich auf zwei dieser Art, deren sexuelle Neigung auf Perversität hinausläuft. Während der eine "nur" männliche Koma-Patienten vergewaltigt, hängt der andere seine Opfer am Baum auf, schneidet ihre Gedärme raus und gibt sich anal-fäkalen Todesspielen hin. Dem Autor ist es trotz drastischer Schilderung nicht gelungen, das Böse glaubhaft darzustellen. Das mag an der laienhaften psychologischen Kompetenz liegen.

Spannung jedoch kann ich dem Roman nicht abschreiben. Seien die Dialoge auch recht trivial, die Personen blutleer und das "homosexuelle Böse" klischeeüberladen - das Buch liest sich flüssig und bestsellergerecht. Trotz einiger Gedanken daran, das Buch vorzeitig zur Seite zu legen, hat mich die Auflösung des Plots in so weit interessiert, dass ich das Buch innerhalb weniger Tage durchgelesen hatte. Literarisch anspruchslose, dennoch spannende Freizeitlektüre.

MM

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