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Piedicroce

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Für Wanderer und Reiter (20229)

Klammert sich balkonartig an eine Bergflanke. Unser Blick streift über eine intakte Region mit Kastanienwäldern, die sich erst zaghaft für Wanderer und Reiter öffnet. Piedicroce besitzt eine stolze Kirche: Saint-Pierre-et-Saint-Paul (Peter und Paul) mit einer Barockfassade aus dem 18. Jh. und den schönsten Orgelpfeifen auf ganz Korsika.

Rechts, an der Straße nach Campana, ragen nur noch die Ruinen eines ehemaligen Klosters empor, in dessen Mauern eine historische Begegnung Napoleons mit dem »Vater der korsischen Nation«, Pasquale Paoli, stattfand. Nachdem dieser sich 1793 gegen den Nationalkonvent und die Jakobiner ausgesprochen und die Engländer zu Hilfe gerufen hatte – sie eroberten 1793/94 die Insel – mußte die Familie Bonaparte die Korsika verlassen. Die Engländer nominierten dann aber nicht Paoli zum Vizekönig, sondern Eliott, und Paoli starb im englischen Exil. Paoli gilt den selbstbewußten Insulanern seither als der korsische Freiheitskämpfer, weil er 1755-69 die Aufstände der Korsen gegen Frankreich und Genua leitete. Im Zweiten Weltkrieg richtete man im Kloster ein Munitionsdepot ein, das die Wehrmacht dann 1944 auf dem Rückzug sprengte.

Kost & Logis

  • Hôtel-Restaurant Le Refuge: im Dorf; T. 95 35 82 65, Fax: 95 35 82 43. Von Mitte Oktober bis Ende November rührt hier niemand einen Finger. Die Herberge klebt wie die übrigen Behausungen des Dorfes am Südhang eines Bergrückens. Kastanienbäume sorgen für viel Grün ringsum. Die Zimmer zum Tal geben einen schönen Blick auf die bewaldeten Berge frei, an die sich die winzigen Weiler klammern. Wie sagt doch der Dichter: »Hier bin ich Mensch, hier darf ich´s sein.« Ein echter Familienbetrieb: Mme Raffali wacht über die Kochtöpfe, während Sohn Jean-Jean sich der Gäste annimmt. Er kennt das Land wie seine Westentasche. Mahlzeiten: echt korsisch, insbesondere die Wurstwaren, denn schließlich stammen die Schweine aus dem eigenen Stall. Wenn das Haus voll belegt ist, vermietet er in einem hohen, charaktervollen Haus im Dorf ein möbliertes Ein-Zimmer-Appartement an Familien.

    In der Umgebung Piedicroces

  • Campo d´Onico: oberhalb von Piedicroce. Kein Dorf, sondern allenfalls ein adlerhorstartiger Weiler, aus einer Handvoll alter Behausungen bestehend, zu deren Bau große Schiefersteine verwendet wurden. Anfahrt von Piedicroce über die D 71 nach Campana; hinter dem am Straßenrand in Trümmer liegenden Kloster Orezza steigt links ein Weg hinauf bis Campo d´Onico. Am Fuß des Monte San Petrone (1.767 m) blickt das Bergdorf weit hinaus auf die gesamte Castagniccia. Für Wanderer beginnt hier auch ein Pfad, der bis zum Grat und zum San Petrone führt (vier Stunden hin und zurück).
  • Orezza-Quellen: ein verwunschenes Plätzchen im Tal, drei Kilometer hinter Piedicroce. Man gelangt auf einer schattigen Straße hin. Kein achtes Weltwunder erwarten: es handelt sich »nur« um eine alte Thermalanlage mit Quelle, die seit Jahr und Tag unter den Bäumen sprudelt. Probieren schadet nichts, denn das leicht kohlensäurehaltige Wasser (wie Hubertusquelle) mit Eisen- und Bikarbonat ist dafür bekannt, Anämie zu lindern. Schon in der Antike war die Thermalquelle bekannt und linderte Leber- und Nierenleiden, Malaria und Blutarmut. Ein kleines Unternehmen füllt das kostbare Naß deshalb an Ort und Stelle ab. In den dreißiger Jahren drängten sich die feinen Patienten aus England und sogar aus Indochina im Casino von Stazzona, das heute nur noch als einfaches Wohnhaus dient. Heute sind derartige kleine Bäder nicht mehr den Anforderungen gewachsen. Orezza-Wasser aber genießen wir nach wie vor direkt an der Quelle!
  • Valle d´Orezza: die Zeit scheint auch in diesem Weiler stillzustehen. Wir bitten um Diskretion, denn das Dorf zählt nur fünfunddreißig Seelen. Zu finden ist es am Ende der D 46, hinter Rapaggio. In Handarbeit werden hier ausgefallene Stücke aus Oliven-, Erlen- und Bruyèreholz angefertigt. Sich zum Haus von Denis Moracchini durchfragen und höflich anklopfen. Er handelt mit preiswerten Bruyèrepfeifen, Kästchen und Bestecken. Das Holz dafür sucht er sich ... im Wald. In Valle d´Orezza sind noch zwei weitere Handwerker ansässig: François Guidicelli stellt ebenfalls Pfeifen und Dosen her, wobei ihm sein Sohn Hector behilflich ist (er sammelt Kastanien, um aus ihnen Mehl zu mahlen); auch Lucien Colombani und Sohn Paul, seines Zeichens Schweinezüchter – die beiden wohnen gleich links vor M. Moracchini – verkaufen Pfeifen. Pfeifenschnitzen ist also eindeutig das vorherrschende Gewerbe in Valle d´Orezza.
  • Piazzole: neun Kilometer nordöstlich Piedicroces, an der D 506 nach Folelli und über eine enge Straße, die rechts in Richtung Piazzole und Monaccia d´Orezza abzweigt, zu erreichen. Piazzoles Bevölkerung beläuft sich auf ganze zweiunddreißig Einwohner. Die Kirche glänzt mit einem kostbar behauenen Eingang, den womöglich ein reuemütiger Bandit gestiftet hat. Im Rathaus ist eine Gemeindeherberge untergebracht. Mme Emmanuelli anrufen, die Geschäftsführerin des Verkehrsamts Castagniccia: T. 95 35 83 11. Ihr Schwiegervater ist einer der letzten echten Maultiertreiber in der Castagniccia, der noch immer sein rotkariertes Hemd und den schwarzen Samtbolero trägt. Er hat zahlreiche Geschichten auf Lager; mit ihm Bekanntschaft zu schließen, lohnt sich also.
  • Parata: winziges Nest am Ende der Welt, dort, wo die D 46 hinter Piazzole und Monaccia d´Orezza zu Ende ist. Die paar Häuser kleben an einem bewaldeten Berghang gegenüber von Valle d´Orezza. Die Kirche San Gavino von 1500 bietet einen schmucken Anblick. Die Einwohner dieser gottverlassenen Gegend gelten als besonders gastfreundlich: sie ist derart abgelegen, dass im Zweiten Weltkrieg nicht einmal die Wehrmacht den Weg hierher fand. In der düsteren Dorfstraße (der einzigen am Ort) kann man sich leicht ausmalen, wie eine korsische Vendetta abzulaufen pflegte. Die letzte soll 1870 gewütet haben: damals wurde eine ganze Familie hingemeuchelt.

    In der Umgebung einkehren

  • Auberge Chez Nénette: in Pruno (20264). T. 95 36 92 01. Im Oktober Betriebsruhe. An der D 506, rund zwei Kilometer vor der Kreuzung mit jener Straße, die nach Pruno hinaufführt. Hausmütterchen Nénette köchelt in ihrer kleinen Herberge ein einzigartiges Menü einschließlich Wein, Kaffee und Verdauungsschnaps. Mondänen Luxus sollte hier niemand erwarten. Der Gasthof ist schon seit drei Generationen in Familienbesitz, also geht es wenigstens unverfälscht, gastfreundlich und ohne großes Getue zu. Wurst, Käsekrapfen, Brocciu-Cannelloni und Cabri en sauce (Ziege mit Soße; in der Urlaubszeit) sind hausgemacht.