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St. Moritz

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Wasserfall der Pisse vache

Lustige Soldaten und saurer Wein

Den 7ten. St. Maurice gegen Mittag

Unter Weges ist es meine Art die schönen Gegenden zu genießen, dass ich mir meine abwesenden Freunde wechselsweise herbeirufe, und mich mit ihnen über die herrlichen Gegenstände unterhalte. Komm´ ich in ein Wirthshaus, so ist ausruhen, mich rückerinnern und an Sie schreiben Eins, wenn schon manchmal die allzusehr ausgespannte Seele lieber in sich selbst zusammenfiele und mit einem halben Schlaf sich erholte.

Heute früh gingen wir in der Dämmerung von Martinach weg; ein frischer Nordwind ward mit dem Tage lebendig, wir kamen an einem alten Schlosse vorbei, das auf der Ecke steht, wo die beiden Arme des Wallis ein Y machen. Das Thal ist eng und wird auf beiden Seiten von mannichfaltigen Bergen beschlossen, die wieder zusammen von eigenem, erhaben lieblichem Charakter sind. Wir kamen dahin wo der Trientstrom um enge und gerade Felsenwände herum in das Thal dringt, dass man zweifelhaft ist, ob er nicht unter den Felsen hervor komme. Gleich dabei steht die alte, vor´m Jahr durch den Fluß beschädigte Brücke, unweit welcher ungeheure Felsstücke vor kurzer Zeit vom Gebirge herab die Landstraße verschüttet haben. Diese Gruppe zusammen würde ein außerordentlich schönes Bild machen. Nicht weit davon hat man eine neue hölzerne Brücke gebaut und ein ander Stück Landstraße eingeleitet. Wir wußten, dass wir uns dem berühmten Wasserfall der Pisse vache näherten, und wünschten einen Sonnenblick, wozu uns die wechselnden Wolken einige Hoffnung machten. An dem Wege betrachteten wir die vielen Granit- und Gneißstücke, die bei ihrer Verschiedenheit doch alle Eines Ursprungs zu sein schienen. *

Endlich traten wir vor den Wasserfall, der seinen Ruhm vor vielen andern verdient. In ziemlicher Höhe schießt aus einer engen Felskluft ein starker Bach flammend herunter in ein Becken, wo er in Staub und Schaum sich weit und breit im Wind herumtreibt. Die Sonne trat hervor und machte den Anblick doppelt lebendig. Unten im Wasserstaube hat man einen Regenbogen hin und wieder, wie man geht, ganz nahe vor sich. Tritt man weiter hinauf, so sieht man noch eine schönere Erscheinung. Die luftigen schäumenden Wellen des obern Strahls, wenn sie gischend und flüchtig die Linien berühren, wo in unsern Augen der Regenbogen entstehet, färben sich flammend, ohne dass die aneinanderhängende Gestalt eines Bogens erschiene; und so ist an dem Platze immer eine wechselnde feurige Bewegung. Wir kletterten dran herum, setzten uns dabei nieder und wünschten ganze Tage und gute Stunden des Lebens dabei zubringen zu können. Auch hier wieder, wie so oft auf dieser Reise, fühlten wir, dass große Gegenstände im Vorübergehen gar nicht empfunden und genossen werden können. *
Wir kamen in ein Dorf wo lustige Soldaten waren, und tranken daselbst neuen Wein, den man uns gestern auch schon vorgesetzt hatte. Er sieht aus wie Seifenwasser, doch mag ich ihn lieber trinken als ihren sauren jährigen und zweijährigen. Wenn man durstig ist, bekommt alles wohl. Wir sahen St. Maurice von weitem, wie es just an einem Platze liegt, wo das Thal sich zu einem Passe zusammendrückt. Links über der Stadt sahen wir an einer Felsenwand eine kleine Kirche mit einer Einsiedelei angeflickt, wo wir noch hinaufzusteigen denken. Hier im Wirthshaus fanden wir ein Billet vom Freunde, der zu Bex, drei viertel Stunden von hier, geblieben ist. Wir haben ihm einen Boten geschickt. Der Graf ist spazieren gegangen, vorwärts die Gegend noch zu sehen; ich will einen Bissen essen und alsdann auch nach der berühmten Brücke und dem Paß zu gehn.