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Rhoneaufwärts

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Kein Vieh auf den Almen

Steile, enge Rhoneschlucht – Keinen Büchsenschuß breit

Münster, den 11. Abends 6 Uhr

Wieder einen glücklichen und angenehmen Tag zurückgelegt! Heute früh als wir von Brieg bei guter Tagszeit ausritten, sagte uns der Wirth noch auf den Weg: Wenn der Berg, so nennen sie hier die Furka, gar zu grimmig wäre, so möchten wir wieder zurückkehren und einen andern Weg suchen. Mit unsern zwei Pferden und einem Maulesel kamen wir nun bald über angenehme Matten, wo das Thal so eng wird, dass es kaum einige Büchsenschüsse breit ist. Es hat daselbst eine schöne Weide, worauf große Bäume stehen, und Felsstücke, die sich von benachbarten Bergen abgelös´t haben, zerstreut liegen. Das Thal wird immer enger, man wird genöthiget an den Bergen seitwärts hinauf zu steigen, und hat nunmehr die Rhone in einer schroffen Schlucht immer rechts unter sich. *

In der Höhe aber breitet sich das Land wieder recht schön aus, auf mannichfaltig gebogenen Hügeln sind schöne nahrhafte Matten, liegen hübsche Örter, die mit ihren dunkelbraunen hölzernen Häusern gar wunderlich unter dem Schnee hervor gucken. Wir gingen viel zu Fuß und thaten´s uns einander wechselseitig zu Gefallen. Denn ob man gleich auf den Pferden sicher ist, so sieht es doch immer gefährlich aus, wenn ein anderer, auf so schmalen Pfaden, von so einem schwachen Thiere getragen, an einem schroffen Abgrund, vor einem herreitet. Weil nun kein Vieh auf der Weide sein kann, indem die Menschen alle in den Häusern stecken, so sieht eine solche Gegend sehr einsam aus, und der Gedanke, dass man immer enger und enger zwischen ungeheuren Gebirgen eingeschlossen wird, gibt der Imagination graue und unangenehme Bilder, die einen, der nicht recht fest im Sattel säße, gar leicht herab werfen könnten. Der Mensch ist niemals ganz Herr von sich selbst. Da er die Zukunft nicht weiß, da ihm sogar der nächste Augenblick verborgen ist; so hat er oft, wenn er etwas Ungemeines vornimmt, mit unwillkürlichen Empfindungen, Ahnungen, traumartigen Vorstellungen zu kämpfen, über die man kurz hinter drein wohl lachen kann, die aber oft in dem Augenblicke der Entscheidung höchst beschwerlich sind. *

In unserm Mittagsquartier begegnete uns was Angenehmes. Wir traten bei einer Frau ein, in deren Hause es ganz rechtlich aussah. Ihre Stube war nach hiesiger Landesart ausgetäfelt, die Betten mit Schnitzwerk gezieret, die Schränke, Tische und was sonst von kleinen Repositorien an den Wänden und in den Ecken befestigt war, hatte artige Zierrathen von Drechsler- und Schnitzwerk. An den Porträts, die in der Stube hingen, konnte man bald sehen, dass mehrere aus dieser Familie sich dem geistlichen Stand gewidmet hatten. Wir bemerkten auch eine Sammlung wohl eingebundener Bücher über der Thür, die wir für eine Stiftung eines dieser Herren hielten. Wir nahmen die Legenden der Heiligen herunter und lasen drin, während das Essen für uns zubereitet wurde. Die Wirthin fragte uns einmal als sie in die Stube trat, ob wir auch die Geschichte des heil. Alexis gelesen hätten? Wir sagten Nein, nahmen aber weiter keine Notiz davon und jeder las in seinem Capitel fort. Als wir uns zu Tische gesetzt hatten, stellte sie sich zu uns und fing wieder von dem heil. Alexis an zu reden. Wir fragten, ob es ihr Patron oder der Patron ihres Hauses sei, welches sie verneinte, dabei aber versicherte, dass dieser heilige Mann so viel aus Liebe zu Gott ausgestanden habe, dass ihr seine Geschichte erbärmlicher vorkomme, als viele der übrigen.