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Königliches Hochgebirge

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Eingefrorene Paterbärte

Italienisch lernen

Man ist hier auf einer Fläche, ringsum wieder von Gipfeln umgeben, und die Aussicht wird in der Nähe und Ferne von kahlen und auch meistens mit Schnee bedeckten Rippen und Klippen eingeschränkt. Man kann sich kaum erwärmen, besonders da sie nur mit Reißig heizen können, und auch dieses sparen müssen, weil sie es fast drei Stunden herauf zu schleppen haben, und oberwärts, wie gesagt, fast gar kein Holz wächs´t. Der Pater ist von Airolo herauf gekommen, so erfroren, dass er bei seiner Ankunft kein Wort hervorbringen konnte. Ob sie gleich hier oben sich bequemer als die übrigen vom Orden tragen dürfen, so ist es doch immer ein Anzug, der für dieses Klima nicht gemacht ist. Er war von Airolo herauf den sehr glatten Weg gegen den Wind gestiegen; der Bart war ihm eingefroren, und es währte eine ganze Weile, bis er sich besinnen konnte. Wir unterhielten uns von der Beschwerlichkeit dieses Aufenthalts; er erzählte, wie es ihnen das Jahr über zu gehen pflege, ihre Bemühungen und häuslichen Umstände. Er sprach nichts als Italiänisch, und wir fanden hier Gelegenheit von den Übungen, die wir uns das Frühjahr in dieser Sprache gegeben, Gebrauch zu machen. Gegen Abend traten wir einen Augenblick vor die Hausthüre heraus, um uns vom Pater denjenigen Gipfel zeigen zu lassen, den man für den höchsten des Gotthards hält; wir konnten aber kaum einige Minuten dauern, so durchdringend und angreifend kalt ist es. Wir bleiben also wohl für dießmal in dem Hause eingeschlossen, bis wir morgen fortgehen, und haben Zeit genug das Merkwürdige dieser Gegend in Gedanken zu durchreisen.

Aus einer kleinen geographischen Beschreibung werden Sie sehen, wie merkwürdig der Punct ist, auf dem wir uns jetzt befinden. Der Gotthard ist zwar nicht das höchste Gebirg der Schweiz, und in Savoyen übertrifft ihn der Montblanc an Höhe um sehr vieles; doch behauptet er den Rang eines königlichen Gebirges über alle andere, weil die größten Gebirgsketten bei ihm zusammen laufen und sich an ihn lehnen. Ja, wenn ich mich nicht irre, so hat mir Herr Wyttenbach zu Bern, der von dem höchsten Gipfel die Spitzen der übrigen Gebirge gesehen, erzählt, dass sich diese alle gleichsam gegen ihn zu neigen schienen. Die Gebirge von Schweiz und Unterwalden, gekettet an die von Uri, steigen von Mitternacht, von Morgen die Gebirge des Graubündter Landes, von Mittag die der italiänischen Vogteien herauf, und von Abend drängt sich durch die Furka das doppelte Gebirg, welches Wallis einschließt, an ihn heran. Nicht weit vom Hause hier sind zwei kleine Seen, davon der eine den Tessin durch Schluchten und Thäler nach Italien, der andere gleicherweise die Reuß nach dem Vier-Waldstädtersee ausgießt. Nicht fern von hier entspringt der Rhein und läuft gegen Morgen, und wenn man alsdann die Rhone dazu nimmt, die an einem Fuß der Furka entspringt, und nach Abend durch das Wallis läuft; so befindet man sich hier auf einem Kreuzpuncte, von dem aus Gebirge und Flüsse in alle vier Himmels-Gegenden auslaufen.