Diplomatische Beziehung

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Deutschland und die Mongolei: Einst Blut und Tränen, heute Wissen und Freundschaft

Deutsch ist die erste Fremdsprache

Die erste Bekanntschaft der Deutschen mit den Mongolen verlief blutig: in der Schlacht von Liegnitz im Jahre 1241. Es war die erste große Katastrophe der schlesischen Geschichte. Die Mongolen drangen mordend und plündernd in das deutsche Herzogtum ein und zerstörten dabei zahlreiche Städte, Dörfer und Klöster. Am 9. April 1241 kam es auf der Wahlstatt bei Liegnitz zur Entscheidungsschlacht. Herzog Heinrich II., sein Verbündeter Boleslaus von Mähren und 30.000 Mann des abendländischen Ritterheeres fielen. Nur der Umstand, dass der Mongolenkhan im fernen Karakorum gestorben war, rettete das Abendland vor einem weiteren Vordringen der Eindringlinge.

Auch das Treffen mit mongolisch-tatarischen Hilfstruppen der Polen in der Schlacht von Tannenberg am 14. Juli 1410 ging für die Deutschen und die verbündeten Ritter blutig aus. Durch Verrat wurde das Heer des Deutschen Ordens unter Hochmeister Ulrich von Jungingen vernichtet. Noch mehrmals im 15. Jh. benutzten die Polen tatarische Söldner bei ihren Raubzügen gegen Deutschland und das Baltikum. Nachkommen dieser Tataren findet man heute noch im Nordosten Polens bei Bialystok und im benachbarten Litauen.

Friedliche Besuche

Zwischen 1877 und 1912 besuchte der aus Schlesien stammende Geograph Ferdinand Freiherr v. Richthofen auf seinen Asienreisen auch die Mongolei. Zwischen 1926 und 1929 besuchte eine Gruppe mongolischer Schriftsteller Deutschland, um hier zu studieren. Unter ihnen befand sich auch der später bedeutende Dichter Daschdorziin Natsagdorsch, der über seine Erlebnisse in Mitteleuropa die Gedichte »Von Ulaan Baatar bis Berlin« und »In ein fernes Land, um zu lernen« schrieb.

Hilfe aus dem Osten

In sozialistischer Zeit war die Mongolei Schwerpunktland der DDR-Entwicklungshilfe. Die naturwissenschaftliche und medizinische Elite wurde in den vergangenen Jahrzehnten zumeist in der DDR ausgebildet; es entstanden Versorgungseinrichtungen für die Hauptstadt (Kartoffellager, Schlachthof

Doch nicht allein Völkerfreundschaft war ein Anreiz zur Hilfe, sondern auch weil Erich & Co. der Jagdleidenschaft frönten. Mit Ost-Berliner Hilfe wurden ansehnliche Gästehäuser gebaut

Das Staatsgut Bor Nuur (»Grauer See«) zwei Fahrstunden nördlich von Ulaan Baatar wurde von der DDR als LPG-Musterbetrieb aufgebaut und seit 1969 aufwendig gefördert. Zeitweise waren über 100 deutsche Techniker pro Jahr im Einsatz. Rentabel hat dieses sozialistisches Mustergut jedoch nie gearbeitet. Zudem wurden Soldaten der Nationalen Volksarmee in den 60er Jahren zum Schutz der »sowjetischen Friedensgrenze« in die Mongolei geschickt, nachdem es zu Auseinandersetzungen zwischen der Sowjetunion und China gekommen war

Heute gilt die Mongolei, auch dank dieser gemeinsamen sozialistischen Erfahrung, als eines der deutschfreundlichsten Länder in Asien.

Hilfe aus dem Westen?

Entsprechend viele Hoffnungen richteten sich nach der Wende auf Deutschland, das Land von Wirtschaftswunder und Wiedervereinigung. In der Akademie für Staats- und Gesellschaftsstudien am Rande von Ulaan Baatar, der ehemaligen Kaderschmiede der Partei, sind Marx und Marxismus-Leninismus von Markt und Marktwirtschaft abgelöst worden. Wo früher moskauhörige Funktionäre gedrillt wurden, werden heute nach westlichen Vorbildern Wirtschafts-, Rechts- und Staatswissenschaften gelehrt, soziologische und politikwissenschaftliche Forschungen betrieben. Doch die Dozentenschaft, die nicht einfach gegen eine neue ausgewechselt werden konnte, wirkt angesichts der neuen Aufgaben hilflos. Ohne Wissenstransfer aus dem Westen geht es nicht

Das Fundament ist tragfähig. Während der letzten Jahrzehnte hatte die DDR Hervorragendes geleistet, so dass heute über 20.000 Mongolen Deutsch sprechen und mit deutscher Kultur vertraut sind. Die wichtigste Fremdsprache an mongolischen Schulen ist bis heute Deutsch. Inzwischen kooperiert die Fraunhofer-Gesellschaft mit der »Mongolischen Akademie der Wissenschaften«, die Europäische Akademie Berlin mit der »Gesellschaft zur Verbreitung von Wissen«, an deren Spitze mit Professor Dawaadorj einer der Vorkämpfer der Marktwirtschaft steht

Nach der Wende entschied sich die Mongolei für den »römisch-germanischen Weg« beim Aufbau ihrer neuen Rechtsordnung. Das deutsche Rechtssystem (einschließlich der Verfassungsgerichtsbarkeit) soll das bisher geltende sowjetische Recht ersetzen, das sich nach den Worten von Staatspräsident Otchirbat nur als Herrschaftsinstrument in der Hand der totalitären Partei erwiesen hat.

Könnte mehr sein

Die deutsche Beteiligung an der internationalen Wirtschaftshilfe für die Mongolei ist allerdings noch bescheiden. Nach der Wiedervereinigung wurden Ulaan Baatar finanzielle Zusagen über insgesamt 52 Millionen Mark gemacht, 1991 kamen weitere 15 Millionen dazu. Daneben leistete Deutschland technische Hilfe im Wert von etwa 12 Millionen. Dieser Rahmen gilt auch heute noch

Den wirtschaftlichen Beziehungen zu Bonn mißt Ulaan Baatar große Bedeutung zu. »Deutschland ist unser wichtigster Partner in Europa«, unterstrich Ministerpräsident Dzhasrai im Februar 1992 bei seinem Besuch in Bonn. Im August 1992 versprach der deutsche Minister für Entwicklungshilfe, Spranger, Hilfe beim Aufbau kleiner Unternehmen und Förderung der Privatinitiative. Seither herrscht reger Besuchsverkehr, vor allem von Ost nach West. Bei seinem Staatsbesuch in Bonn wies Präsident Otchirbat darauf hin, dass »viele Mongolen in Deutschland studiert haben«. Im Januar 1993 reiste eine Delegation des Staatschurals unter Leitung von Parlamentspräsident Bagabandi nach Deutschland, um die ersten parlamentarischen Kontakte zu knüpfen. Im selben Jahr kam Handelsminister Tsewegmidiin Tsogt nach Bonn, um Bodenschätze, vor allem Kupferkonzentrate, und Wolle im Austausch für finanzielle und technische Hilfe zu bieten

Unter der Hand verhehlen Mongolen nicht, dass sie sich durchaus ein stärkeres Engagement des Westens und natürlich vor allem Deutschlands vorstellen könnten. Doch die anfällige Lage und die miserable Infrastruktur setzen dem Engagement nach wie vor enge Grenzen.