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Tun & lassen

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Tun & lassen

Bonaventure wurde 1985 zum Naturpark erklärt; Zugang aber täglich möglich (Juni bis Mitte Oktober von 8.15-17h). Fürs Betreten der Insel selbst ist kein Eintritt zu berappen, wohl aber für die Überfahrt (s. oben). Am Fähranleger in der Butler-Bucht (hier Ankunft und Abfahrt) geben Naturschützer eine kurze Einführung, bevor es losgeht.

Wanderwege: von der Anlegestelle aus führen vier verschiedene Fußwege zum anderen Ende der Insel, wo sich das Seevogelschutzgebiet befindet. Der kürzeste Weg, Sentier des Colonies genannt, ist 3 km lang und führt durch schöne Gehölze. Der längere Weg (nach Norden zu), der sogenannte Sentier des Mousses (3,5 km bzw. eineinviertel Stunde Fußmarsch) durchquert auch die Niederwälder und folgt der nordöstlichen Küstenlinie (Schutzgebiet!), bevor er im "Reich der Seevögel" anlangt. Wer es sich zeitlich leisten kann, gönne sich dieses Naturerlebnis unbedingt!

Der Sentier du Chemin du Roy säumt die Südküste der Insel, zwischen Vogelschutzgebiet und Anleger. Er ist mit 4,9 km der längste, interessanteste Wanderweg auf der Insel und bietet sich für den Rückmarsch von der Vogelkolonie aus an. Unterwegs herrliche Aussicht von den Klippen über dem Meer und ein willkommener Zwischenhalt in der Baie des Marigots. Im Umkreis des Friedhofs lassen sich auch die angekündigten "Geisterhäuser" erkunden.

Wer die Ile Bonaventure im Uhrzeigersinn ganz umrunden möchte, legt also 8,5 km zurück und braucht dazu rund drei Stunden (keine besonderen konditionellen Anforderungen).

Seevögelkolonie: die innere Schutzzone (Zone de préservation extrême) erstreckt sich über die Steilfelsen an der Ostküste. Auf dem von Schautafeln gesäumten Fußweg kommt man den hier zu Tausenden nistenden Vögeln, besonders den Baßtölpeln, sehr nahe. Dem Naturspektakel wird sich niemand entziehen können: eine unglaubliche Menge Vögel, dicht an dicht gedrängt, teilen sich den knappen Raum auf einem Felsabschnitt, stets darauf gefaßt, aufzufliegen und in der Ferne zu entschwinden ...

Baßtölpel: ein paar erklärende Worte zu diesem lustigen gefiederten Zeitgenossen, der an heimischen Küsten zu den größten Seevogelarten gerechnet wird. Mit seiner Spannweite von bis zu zwei Metern übertrifft er alle Möwenarten. Sein Gefieder ist weiß, am Hals gelb, mit schwarzen Flügelspitzen. Seine schönen blauen Augen sind schwanz bekränzt, sein Markenzeichen, ein langer Schnabel, ist auffällig gerade. Auf den Galapagos-Inseln leben sehr ähnliche Vettern des kanadischen Baßtölpels, nur dass sie auf blauen Füßen mit Schwimmhäuten umherwackeln. Der ausgesprochene Küstenbewohner käme nie auf die Idee, sich von seinem Lebensraum zu entfernen. Deshalb ist er landeinwärts auch nur selten zu beobachten. Schuld daran sind seine Ernährungsgewohnheiten: auf dem Speiseplan stehen Jungfische, kleine Aale ... und sonst gar nichts. Beide jagt er, indem er sich aus großer Höhe elegant ins kalte Wasser stürzt. Unter Wasser verfolgt er dann seine Beute und ergreift sie mit seinem kräftigen Schnabel. Bevor er wieder aufsteigt, schluckt er sie ganz hinunter - so kann sie ihm wenigstens niemand abjagen, und die Aerodynamik nimmt auch keinen Schaden. Der "tollkühne" Sturzflug hat ihm auf Französisch den Namen Fou de Bassan eingetragen. Der zweite (bzw. erste Namensbestandteil des deutschen Wortes Baßtölpel) geht auf eine bedeutende Vogelkolonie im schottischen Bass Rock zurück. Neben seiner ganz und gar nicht tölpelhaften Jagdtechnik zeichnet den Baßtölpel seine ausgeprägte Wanderlust aus, ist ihm doch nichts so zuwider wie ein seßhaftes Leben. Den Sommer verbringt er in Kanada und den Winter in der Karibik ... ungefährt so wie unsere frühpensionierten höheren Beamten.

Was beim Anblick einer Baßtölpelkolonie sofort ins Auge springt: das enge Zusammenleben, ja Zusammengepferchtsein der Individuen, von Alt und Jung, ohne Unterschied, jedenfalls auf den ersten Blick. Um so überraschender, dass den Baßtölpeln nichts so heilig ist wie ihr eigenes, kleines Felsrevier, das sie verbissen verteidigen. "Komm mir bloß nicht zu nahe!" scheinen sie unentwegt zu verkünden. Die körperliche Nähe hat den Sinn für das eigene Territorium nicht abgeschwächt - die aggressiven Reaktionen auf Verstöße wie unerlaubter Grenzübertritt, Landfriedensbruch usw. weisen sogar auf das Gegenteil hin (jetzt wissen wir auch, warum die Zäune in Schrebergärten und Reihenhaussiedlungen am höchsten sind). Da geht es Auge um Auge, Schnabelhieb um Schnabelhieb ... Hoffentlich bleibt diese fantastische Kolonie noch lange erhalten; dunkle Wolken sind am Horizont bereits aufgezogen, und das nächste Tankerunglück kommt bestimmt!

Vom Naturlehrpfad oder Aussichtsturm darf man die Kolonie solange beobachten, wie man will, nach Herzenslust fotografieren (Teleobjektiv!), dem Privatleben oder Flugverhalten der Vögle mit dem Fernglas nachspionieren usw. Die pfeilschnellen Taucher gehören für uns zu den aufregendsten Meeresvögeln überhaupt.

Baie des Marigots: schöne kleine Bucht mit Kieselstrand im Südteil der Insel, über den Sentier du Chemin du Roy zu erreichen. Als die tapferen Basken und Bretonen in diesem Teil des Atlantiks noch auf Kabeljaufang gingen, pflegten sie sich in solchen Buchten von den Strapazen der christlichen Seefahrt zu erholen: da wurde kräftig gefeiert, getrunken und gefaulenzt.

Kleiner Friedhof: am Sentier du Chemin du Roy, rund 500 m vor dem Fähranleger. Sicher der einfachste, bewegendste Friedhof in ganz Quebec. Sechs kleine graue Grabsteine, ein großes schwarzes Holzkreuz, ein paar Tafeln mit Erläuterungen, das Ganze über ein weitläufiges Rasenstück verstreut und von natürlichem Bewuchs umgeben, mit Blick aufs Meer. Zur letzten Ruhe gebettet wurden hier die Familien der Pioniere auf Bonaventure, die zumeist von der Insel Jersey stammten.

"Geisterhäuser": über die Grasfluren verstreut, an der Westküste Bonaventures. Die mit Dachschindeln aus Zedernholz gedeckten Behausungen dienten vom 19. Jh. an den Auswandererfamilien aus Jersey und Irland als Unterschlupf. Heute liegen sie verlassen und sehen ihrem Verfall entgegen. Auf dem Rückweg zum Fähranleger kommt man unweigerlich daran vorbei. Bei einigen besonders bescheidenen Häuschen handelt es sich eher um kleine "Kanadahütten", in denen sich Großfamilien mit neun bis zwölf Kindern drängen mußten. Die größeren wirken dagegen schon wie ausgewachsene Sommerhäuser, mit sanitären Anlagen und Panoramablick, z.B. das Maison Paget, erbaut 1858 von Michel Pagé, das in den fünfziger Jahren noch als Pension diente. Wer erstens kein Geld und zweitens genug Chuzpe hat, um sich über das strenge Übernachtungsverbot auf der Insel hinwegzusetzen, kann hier möglicherweise heimlich übernachten. Aber aufgepaßt: Balken und Bodendielen befinden sich im Stadium fortgeschrittener Fäulnis!

Maison Mauger: insuläre Imbißbude gleich oberhalb des Fähranlegers, Nähe Auskunftsbüro. Matschige Hamburger und bissige Hot dogs trösten über den allerschlimmsten Hunger hinweg. Da könnte man mehr draus machen!


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