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Moderne Zeit

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Vorzeichen der Moderne

1851 legte König Mongkut mit seiner Thronbesteigung den Grundstein für das moderne Thailand. Dieser äußerst kluge, gebildete und zuvorkommende Mensch, der als Rama IV. das Zepter schwang, war sechsundzwanzig Jahre lang buddhistischer Mönch, bevor er den Thron bestieg (einmal im Leben strebt jeder männliche Thai danach, Mönch zu sein). Während seines Klosterdaseins studierte er die modernen westlichen Wissenschaften, wurde zum Sprachexperten für Pali und Sanskrit. Mongkut erlernte auch Englisch und Latein in einer christlichen Missionsschule. Nicht zuletzt brachte er eine grundlegende religiöse Reform in Gang, die bis heute noch nicht abgeschlossen ist und die Entmythologisierung des Buddhismus sowie dessen Anpassung an das moderne Leben zum Ziel hat. Mongkuts Bewunderung für den Westen brachte ihn nicht nur dazu, einen regen Briefwechsel mit dem damaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten, James Buchanan, zu führen – er hatte diesem sogar Elefanten angeboten, um das amerikanische Verkehrswesen zu verbessern; er unterzeichnete auch Verträge mit Großbritannien und anderen westlichen Ländern.

Als der neue König den Thron bestiegen hatte, umgab er sich mit zahlreichen westlichen Beratern. Ein Däne leitete das Polizeiressort und die Militärakademie wurde einem italienischem Major anvertraut. Mongkuts engster Berater war Belgier; andere Europäer – meist Briten – wurde beauftragt, seine verschiedenen Ministerien neu zu organisieren. Könnte man sich hierzulande einen ausländischen Minister vorstellen? Unbeschadet dieser westlichen Einflüsse bewahrte sich Mongkut, ganz wie seine Vorgänger, eine Vorliebe für thailändische Traditionen. Er war überzeugter Polygamist und erkannte zweiundachtzig Kinder von fünfunddreißig verschiedenen Frauen als seine eigenen an! Anne Leonowens, deren Memoiren zu drei verschiedenen Filme inspirierten (der berühmteste, wenn auch die historischen Tatsachen mißachtende, mit Yul Brynner: »Der König und ich«), diente ihm als englische Gouvernante.

Ein revolutionärer König

Thailand, damals eine Art Pufferzone zwischen dem britischem Burma und dem französischen Indochina, blieb dank eines geschickten Diplomaten von der Kolonialisierung verschont. Mongkuts Nachfolger, König Chulalongkorn Rama V. (1868-1910), machte gute Mine zum bösen Spiel und überließ den »barbarischen« Franzosen und Engländern über 100.000 km², einschließlich des gesamten Laos. Dieser geniale Schachzug bewahrte Siam bis heute seine Unabhängigkeit (1939 nahm Siam offiziell den Namen Thailand an).

König Chulalongkorn trieb es so weit mit der Einführung moderner Institutionen und Mechanismen, dass ihn sein eigener Sohn einen Revolutionär nannte! Anläßlich der Krönung 1873 verbat er seinen Untertanen, sich vor ihm niederzuwerfen. Das Zeremoniell am spanischen Hof, eigentlich für seine starre Etikette bekannt, mutete im Vergleich zu jenem an thailändischen Hof fast lässig an; dort rollten die Köpfe wie Murmelm auf dem Schulhof! Einer der Gründe, die den König bewegt haben mögen, die Etikette zu lockern, dürfte der Tod einer seiner Frauen gewesen sein, die vor den Augen seiner Diener ertrinken mußte, weil es letzteren verboten war, sie zu berühren. Ursächlich für derart strenge Bestimmungen war sicher die Absicht, Mitglieder der Königsfamilie vor Anschlägen zu schützen; aber wäre es in diesem Fall nicht besser gewesen, angefaßt zu werden als zu ertrinken?