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Ost / West

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Gewandeltes Verhältnis zu Europäern

Viele Asiaten sehen heute Europäer viel kritischer als einst. Bildeten diese früher eine reiche, hochprivilegierte Klasse, die Spitzengehälter verdiente, Machtpositionen bekleidete, in Villen residierte und sich gewöhnlich in Limousinen mit Chauffeur bewegte, so sorgte die wirtschaftliche Lage in Europa für ein Überangebot an europäischen Architekten, Bankkaufleuten, Computerfachleuten, Designern, Rechtsanwälten usw., aber auch an Türwächtern, Pizzabäckern, Kellnern usf., die sich häufig zu geringerem Verdienst verdingen als ihre einheimischen Kollegen. Diese Einwanderungswelle zerstört das Überlegenheitsimage der Weißen, das selbst nachkoloniale Zeiten überdauert hatte. Der Repräsentant von Erfolg und Macht wandelte sich zum Anschauungsobjekt für Scheitern und Dekadenz. Mit wachsendem Wohlstand betrachtet eine neue Klasse von Asiaten die weißen Gastarbeiter als Vertreter von Gesellschaften, die wegen ihres grenzenlosen Individualismus´ von moralischem Verfall, Disziplinlosigkeit und Bankrott bedroht sind, während sie selbst »Arbeit« und alle nachgeordneten Werte, die bei uns als altmodisch gelten, wie Fleiß, Pflicht, Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit usw. hochhalten. Die Hongkonger belegen diese Gastarbeiter mit dem Wort »filth« (Dreck; bzw. »failed in London, try Hongkong«). Asiaten nennen die westlichen Länder NDC, »new decaying countries«. Japanische Fernsehprogramme zeigen linkisch umhertappende europäische Witzfiguren, und einige Luxusnachtlokale halten sich komisch herausgeputzte europäische Türsteher. Die Europäer verlieren ihre Aura der Unantastbarkeit. In Thailand werden sie pauschal als Drogenschmuggler, Sexbesessene und Kinderschänder verunglimpft und für alle schmutzigen Geschäfte im Lande verantwortlich gemacht. Verstärkt wird dieser Eindruck, weil tatsächlich vermehrt Ausländer beim Rauschgifthandel erwischt werden. Besonders bei Chinesen, die häufig die Wirtschaftselite stellen, setzt sich die Überzeugung durch, dass die autoritäre konfuzianische Gesellschaft tüchtiger sei als die liberale, permissive und dekadente des Westens.

„Westliche Arroganz“

Beispiele für das neue Selbstbewußtsein: als die Sunday Times unlängst über Korruption in Malaysia berichtete, entzog der Premierminister Großbritannien Aufträge über vier Milliarden Pfund. Von London hat das Land keine Vergeltung zu fürchten. »Früher sandte der Westen Schlachtschiffe, heute schickt er Papierschiffe«, wurde gespottet.


Als ein französischer Minister kürzlich artig Bewunderung über die hohen Wachstumsraten ausdrückte, boten ihm seine thailändischen Gastgeber die Entsendung von Wirtschaftsfachleuten an, um den Franzosen Nachhilfe zu erteilen.

Malaysia startet übrigens eine Kampage nach der anderen gegen »westliche Arroganz«. Sowohl dort als auch in Singapur werden neuerdings auch ausländische Delinquenten gehenkt, wenn sie des Besitzes von über fünfzehn Gramm Heroins überführt werden. In Singapur, einem der repressivsten Länder Asiens, ist sogar der Kaugummi tabu. Mit einer hohen Strafe wird nicht nur belegt, wer eine Kippe auf die Straße wirft, sondern sogar jemand, der nach Gebrauch einer öffentlichen Toilette nicht den Abzug betätigt. Wohl nirgendwo in Asien, Nordkorea und China ausgenommen, ist das »social engineering« so fortgeschritten wie hier. Wer die Augen offen hält, wird derartige Bestrebungen allerdings auch in manchen Ländern Europas erkennen, wenn auch in schwächerem Gewand. So in Frankreich, wo brachiale Strafen wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen, Überfahrens einer durchgezogenen weißen Linie, aber auch wegen Falschparkens verhängt werden. Nur vordergründig geht es um ein Ordnungschaffen im Verkehr. In Wahrheit handelt es sich um das Zurechtbiegen von Charakteren, wie sie eine planvolle, rationale Wirtschaft benötigt, um z.B. gegen die deutsche Konkurrenz, aber auch auf dem Weltmarkt bestehen zu können.

Gesunkene Toleranz gegenüber Europäern

Die Toleranzschwelle vieler Asiaten gegenüber Europäern ist mächtig gesunken. Der achtzehnjährige Amerikaner Michael Peter Fay wurde in Singapur wegen Rowdytums zu einer Geldstrafe und sechs Stockhieben verurteilt. »Peitschenhiebe in Singapur für Investorenkinder« betitelte die FAZ ihren Bericht darüber. Sein schlimmstes Vergehen war, Autos mit roter Farbe besprüht und in die Karosserie von über einem Dutzend Autos getreten zu haben, was er ja auch gestanden hatte. Die Strafe mit dem »rotan« ist zwingend bei versuchtem Mord, bewaffnetem Raub, Rauschgiftschmuggel aber auch bei Vandalismus vorgeschrieben. Die Vorstellung, dass ein Asiate einen jungen Weißen die Hosen herunterzieht – und nicht umgekehrt, seitdem die Briten die Prügelstrafe eingeführt hatten – und dem über einen Bock geschnallten Opfer Hiebe aufs Gesäß versetzt, löste in den USA Empörung und in Singapur Spott aus, denn dort hält man den Westlern Wehleidigkeit und zu große Freizügigkeit vor. »Sind Ausländer denn dünnhäutiger als unsere Leute?«, fragte ein Politiker. Alles Lamentieren der Eltern mit einem gestörten Persönlichkeitsbild (Was soll das? Ist doch klar, dass der Kerl gestört ist) sowie die Herbeischaffung psychatrischer Gutachten, dass nach Vollzug der Strafe Selbstmord drohe, nutzten nichts. Die Amerikaner erhielten nach dreimaligem (!) Bitten Clintons um Erlaß der Prügel (»diese extreme, diese brutale Strafe«) eine weitere Ohrfeige: die Strafe wurde wegen des zarten amerikanischen Pos auf vier Schläge herabgesetzt. Wir kennen dagegen eine weitaus extremere Strafe, von der in den Vereinigten Staaten auch reichlich Gebrauch gemacht wird, die Todesstrafe nämlich. Untereinander sind die Amis allerdings auch uneins, denn Fays Verhalten kennen sie als »Vandalismus« und viele haben die Nase davon voll. So reichte der republikanische Abgeordnete Mickey Conrey zwei Monate nach dem Urteil in Kalifornien einen Gesetzentwurf zur Prügelstrafe ein, den die fünf Mitglieder des Ausschusses für öffentliche Sicherheit bei einer Gegenstimme guthießen. Die Bevölkerung habe es satt, »von einem Haufen unverbesserlicher Punks terrorisiert zu werden«. Etwa 300 Millionen Dollar müsse der Bundesstaat jährlich für die Beseitigung von Graffitischmierereien aufwenden. Bereits 1976 ließ der Oberste Gerichtshof in einem Grundsatzurteil die Prügelstrafe an Schulen zu.


Was wir Fay an den Hals gewünscht hätten, wenn er in unser Auto getreten hätte, verraten wir nicht.