Maler- & Bildhauerei
Malerei und Bildhauerkunst
Statik und Dynamik als garant für Schönheit
Mongolen glauben seit alter Zeit, dass Schönheit ihren Ursprung in Natur und Moral hat. Deshalb steht bei Bildwerken die Schönheit im Vordergrund und nicht Farben oder Ornamente wie in anderen Kulturen. Wichtig ist die Einheit von Statik und Dynamik, die Balance von Form und Bedeutung der einzelnen Elemente eines Bildes. In seiner Schrift »Über Vorzüge und Nachteile des gewöhnlichen Menschen« hat ein anonymer mongolischer Autor etwa im 13. Jh. die Struktur des menschlichen Körpers in der Kunst festgelegt. Er kam zu denselben Ergebnissen wie Leonardo da Vinci und Albrecht Dürer.
Chinesischer Einfluss
Als Dschingis Khan seine großen Eroberungszüge im 13. Jh. unternahm, gab es noch keine mongolische Kunst, die imstande gewesen wäre, sich gegenüber der tausendjährigen chinesischen Kunst zu behaupten. Das Fehlen eigenständiger schöpferischer Kräfte zwang die Eindringlinge dazu, sich der chinesischen Kultur zu unterwerfen. Die stärkste Beeinflussung in der Kunst erfolgte unter Kubilai. Während seiner Herrschaft wurden die traditionelle Malerei, Bildhauerei, Keramik, Jadebearbeitung und die Produktion von Silberwaren, gewirkten Teppichen und gewobenen Stoffen belebt. Doch während der Yüan-Zeit stagnierte die Malerei durch die Bevorzugung von Monumentalgestaltungen mit Kontrasteffekten von ungegliederten Massen und kalligraphischen Zeichen.
Klosterkunst
Zentren mongolischer Kunst wurden später die Klöster der Lamas. Hier wurden junge Novizen zu Fachleuten ausgebildet für Seidenapplikationen, für die Herstellung kostbarer Gewänder, die Götterstatuen oder Mönche schmückten, für die Herstellung seidener, kupferner oder bronzener Götteridole. In die technischen Geheimnisse eingeweiht, mußten sie sämtliche ikonographischen Vorschriften aus dem Gedächtnis beherrschen.
Die Klosterkünstler, ob nun Möbeltischler oder Holzschnitzer oder Schreiner für die begehrten rotlackierten Holzarbeiten, arbeiteten im Dienste des Klosters und auch für öffentliche Auftraggeber. Sie verfertigten auch kunstvoll geschnitzte Holztüren für die Nomadenzelte. Die Bedeutung der von Tibet ausgehenden Klostergründungen in der Mongolei muß entsprechend hoch eingeschätzt werden. Hier wurden Lesen und Schreiben gelehrt, die Künste gefördert und Bedarf an Produkten des Kunsthandwerkes erzeugt.
Die Klöster, die heute noch existieren oder nach dem Ende des Sozialismus neu entstanden, suchen diese Aufgaben auch in der Gegenwart zu erfüllen. Immer noch arbeiten hier Künstler nach jahrhundertealten Schablonen und Vorlagen, die sie mit minuziöser Genauigkeit, aber ohne eigenschöpferischen Impuls kopieren.
Zanabasar
Der um 1635 in Esun-zuyl geborene Künstler und religiöse Lehrer G. Zanabasar wurde ab 1649 vom fünften Dalai Lama und zwei Mönchen in Lhasa unterrichtet. Nach der Rückkehr in seine Heimat wurde er berühmt durch seine Tankas (Rollenbilder) und Bronzeskulpturen. Einige seiner Werke sind heute in Ulaan Baatar zu betrachten. Während die Statue von Vajradara (Gott des Blitzes) im Gandan Hiid zu sehen ist, befindet sich Zanabasars berühmtestes Werk, die Statue der Göttin Tara, im ehemaligen Palast des letzten Bogd Gegeen.
Seine Skulpturen »Weiße Tara« (Sitatara) und »Grüne Tara« (Siyamatara) werden von Experten mit den besten Schöpfungen des italienischen Quatrocento und der europäischen Renaissance verglichen. Das Modell für Siyamatara, von Kunstkritikern als »Mona Lisa der Mongolen« bezeichnet, war übrigens Zanabasars Gefährtin, eine Bildhauerin und Schmuckschöpferin.
Tankas
Die religiöse Malerei der Tankas kam mit dem Buddhismus über Tibet aus Indien. Die Harmonie von reinen Naturfarben ohne Licht- und Schattenkontrast hat die Mongolen immer schon fasziniert, und so fanden die Rollenbilder schnell Eingang in ihre Kunst. Von den Vorbildern unterscheiden sich mongolische Tankas des 17. und 18. Jh., der »mongolischen Renaissance«, durch ihre elegante Linienführung, die Hervorhebung von göttlichen Wesen, kunstvolle Komposition und Ornamente.
Bei den Tankas im tibetisch-mongolischen Stil herrscht ein streng symmetrischer und stets flächiger Bildaufbau vor, von der Figur des Buddha Sakyamuni dominiert, um den sich die Bodhisattvas als menschenliebende Heilige scharen. Nicht selten berührt der auf dem Lotosthron sitzende Erleuchtete die sich zu seinen Füßen ausbreitende Erde mit der rechten Hand, um sie als Zeugnis für die Wahrheit seiner erlösenden Lehre anzurufen.
Neben Zanabasar schufen besonders die Maler Jugder, Lamzav, Choijantsan, Luvsantseren und Gendendamba herausragende Rollenbilder mit einem Hintergrund in Weiß (»gartan«), Rot (»martan«) und Schwarz (»nagtan«) auf Baumwollstoff, Leinen oder Seide. Zunächst wurde Stoff über einen Rahmen gespannt und dann in eine Mischung aus Milch und flüssigem Klebstoff eingeweicht. Nach dem Trocknen wurde die Leinwand mit einer Mischung aus Kalk und Klebstoff bestrichen und mit Sand poliert. Diese Prozedur wurde mehrmals wiederholt. Anschließend zeichnete der Künstler sein Motiv auf Papier vor.
Mongol Zurag
Die Synthese der buddhistischen und der realistischen alten Malkunst brachte im 19. Jh. eine neue Malerei hervor, die »Mongol zurag«. Der bedeutendste Zurag-Maler war Balduugiyn Sharav (1869-1920). Schon als Junge ging er in ein Kloster und wurde dann »badarchin«, wandernder Lama. Sein bedeutendstes, mit Erdfarben geschaffenes Werk »Ein Tag in der Mongolei« stellt die ganze Bandbreite des Lebens in der Steppe dar. Die Bilder »Kumiss-Feiertag« und »Grüner Palast« haben fast cinematographische Wirkung.
Mit der Unterwerfung der alten mongolischen Siedlungsgebiete unter chinesische Herrschaft erstarben die ohnehin nicht sehr starken Ansätze zu einer eigenen Kunstform. Nach 1921 verbreiteten sich auch in der Mongolei die bescheidenen Formen der Sowjet-Kunst.