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Umweltprobleme

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GESCHICHTE UND GESELLSCHAFT

Umweltprobleme

Größenwahn im Wasserbau

Die riesigen Ausmaße eines Landes können jedoch auch zu einer Art Größenwahn führen. Ein Projekt aus den siebziger Jahren wie das an der James Bay, wo man die Fließrichtung der Flüsse La Grande und Harricanaw umkehren möchte, grenzt an Vermessenheit. Ziel des ganzen ist es, durch Wasserkraft Strom zu erzeugen und an die durstigen Vereinigten Staaten - weltweite Wasser- und Energieverschwender Nummer eins! - Süßwasser zu verkaufen. Man stelle sich das Bild vor: in einer Gegend am 54. Breitengrad, wo sich bisher Fuchs und Hase Gute Nacht sagten, errichten 22.000 Menschen bei minus 60°C im Winter und plus 30°C im Sommer einundvierzig Staumauern, eine Schleuse, durch die 3.360 m3 Wasser gejagt werden können, und einen riesigen künstlichen Stausee! Die reinste Science-fiction und von den ökologischen Folgen her beängstigend. Außerdem sehen die Cree-Indianer durch die Überflutungen ihre Wildreviere bedroht: zuletzt erhoben sie gegen die Ausweitung der Stausee-Pläne Klage, die ein Gebiet von der Größe Frankreichs beträfe!

Paradies für Kettensägen

Wie war das nochmal mit der Liebe zum Land? Die droht offensichtlich auch in Kanada gegenüber der Liebe zum schnellen Dollar den Kürzeren zu ziehen. In diesem Zusammenhang müssen wir auf den Kahlschlag an den Wäldern zu sprechen kommen: Kanada hat seine borealen (d.h. nördlichen) Urwälder in der Provinz Alberta z.B. an internationale Zellstoff- und Windelkonzerne vergeben, die dort bis etwa 2020 riesige Flächen roden. Und in British Columbia fallen an der feuchten Westküste derzeit die weltweit ältesten und größten Nadelbäume der Kettensäge zum Opfer. Bei diesen »grünen Kathedralen« handelt es sich um bis zu tausend Jahre alte Sitkafichten, Zedern und Hemlocktannen mit Stämmen von gut sechs Metern Durchmesser. Bis zu 40.000 $ bringt so ein Baumriese ein, der später als Fertigtür in deutschen Baumärkten, als ungelesene Werbebroschüre, als Telefonbuch oder Wegwerfwindel bei uns zu Hause wieder auftaucht. Nach Abzug der Waldarbeitertrupps bleibt von einem komplizierten, empfindlichen Ökosystem nurmehr eine Wüste von Baumstümpfen und -trümmern. British Columbia hat auf diese Weise sein Aussehen in den zurückliegenden Jahrzehnten grundlegend verändert: hundertausende Hektar Wald wurden gleichsam abrasiert, weil es den Konzernen zu mühsam und gewinnschmälernd ist, nur einzelne Bäume zu schlagen. Aufgeforstet wird, wenn überhaupt, mit gentechnisch manipulierten Setzlingen, von denen ein Großteil bald wieder eingeht. Außerdem liefert der Urwald bessere Holzqualitäten als wiederaufgeforstete Wälder. Die fruchtbare Humusschicht wird nach dem Holzeinschlag ausgewaschen und verschlammt die bisher klaren und lachsreichen Flüsse. Erosion an den Hängen und Überschwemmungen im Tiefland sind die fatalen Folgen. Auch das globale Klima wird über kurz oder lang Schaden nehmen: die Regenwälder an der nordamerikanischen Westküste haben nämlich eine große Bedeutung für die Bindung von Kohlendioxid, das maßgeblich für den Treibhauseffekt und Klimaveränderungen verantwortlich ist. Die Regenwaldfläche ist zwar kleiner als in den Tropen, dafür wachsen die Bäume aber wesentlich dichter, so dass der Wald an der Pazifikküste etwa siebenmal soviel Kohlendioxid zu binden vermag als die entsprechende Fläche im Äquatorialbereich. Wieso in den Medien dann immer nur von der Abholzung der tropischen Regenwälder in Brasilien, Afrika, Malaysia usf. die Rede ist? Nun, wer das Geld hat, bestimmt auch die Nachrichten ... Außerdem kann´s ja nicht schaden, von den eigenen Problemen ein wenig abzulenken, wie es ja auch bei der Diskussion um die Menschenrechte Usus ist.

Man lasse sich nicht von ausgefuchsten kanadischen Holzmultis täuschen: entlang der Trekkingpfade für die Urlauber werden häufig Urwaldstreifen stehengelassen, um die Kahlschläge dahinter zu verbergen! Ob das 1993 im Rahmen des Umweltprogramms der kanadischen Bundesregierung angestrebte »Netzwerk für Modellwälder« die Fehler der Vergangenheit wird ausbügeln können, bleibt abzuwarten. Bis zum Jahr 2000 sollen jedenfalls 1,2 Millionen Quadratkilometer als unantastbare Urwald- und Naturparkregion auf Dauer geschützt werden.

Hier ist auch an den mittlerweile vergessenen Absturz des russischen Spionagesatelliten Kosmos 954 zu erinnern, 1967 ins All geschossen und 1978 mit einem Atomreaktor von mindestens 45 kg hochangereichertem Uran westlich des Großen Sklavensees niedergegangen. Suchflugzeuge entdecken eine starke Strahlenquelle 480 Kilometer nordöstlich von Fort Reliance. Dorthin entsandte Fachleute mußten wegen der starken Strahlung, die auch von den Uran-Zerfallsprodukten wie Strontium 90, Cäsium 137 und Plutonium rührt, umkehren. Dass es sich um einen sowjetischen handelte, ist nebensächlich, denn auch der amerikanische »Snapshot«, 1965 ins All geschossen, verlor nach 45 Tagen den Kontakt zur Erde, unternahm ähnliche Kapriolen und verschwand ~ erst mal ....

Saurer Regen und Ozonloch

Der Schadstoffeintrag auf dem Luftweg, über hunderte von Kilometern hinweg, äußert sich auch im hohen Norden Kanadas, »da, wo die Natur noch unberührt ist« - jedenfalls lauten so die Versprechungen der Fremdenverkehrswirtschaft - bei Seen, Fließgewässern und Wäldern in bedenklich niedrigen pH-Werten (Näheres dazu im Kapitel »Algonquin-Park / Der saure Regen«).

Auch dass die vor schädlichen UV-Strahlen schützende Ozonschicht über der Nordpolarregion längst löchrig geworden ist, betrifft Kanada stärker als Länder in gemäßigteren Breiten. Noch erreichen uns keine Berichte von durch ungehinderte Einstrahlung bedingte Augenhornhaut-Verletzungen bei den Eskimos, während derlei auf der Südhalbkugel, in Australien, Neuseeland, Argentinien (Feuerland) usw., schon an der Tagesordnung ist. Dafür stellten Forscher in der Muttermilch von Eskimofrauen schon mehr giftige Verbindungen fest, als in anderen Bevölkerungsgruppen - auch in industriell belasteten Regionen - gewöhnlich gemessen werden: besonders PCB wandert über die Nahrungskette in den Weltmeeren bis zu deren Endglied, und das sind z.B. die Eskimos im Norden Kanadas.



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