Ottawa

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OTTAWA (VORWAHL: 613)

Ottawa wurde weniger seiner politischen Bedeutung wegen zur Hauptstadt auserkoren, als vielmehr aufgrund seiner günstigen Lage zwischen den beiden Sprachgebieten, die das Land kulturell zweiteilen – innerhalb des englischsprachigen Teils Kanadas ist es die Stadt mit dem höchsten Anteil frankophoner Bewohner. Die Architektur des ehemaligen Holzfällernestes am Ottawa-River wird bestimmmt von Hochhäusern und Parlamentsgebäuden auf der einen sowie eher kleinstädtisch anmutenden Wohngebieten mit ihren breiten, von Parks gesäumten Straßen auf der anderen Seite. Am Wochenende, wenn die zahlreichen Boote auf Ottawa River und Rideau-Kanal spazierenfahren, gleicht Ottawa eher einem Badeort als dem Verwaltungszentrum des flächenmäßig weltweit zweitgrößten Staates. Abends findet sich die Jugend im wieder aufgemöbelten Viertel um den Byward Market ein, um später in die Diskotheken der Schwesterstadt Hull umzuziehen, wo die Stühle erst um 3h hochgestellt werden. Erwähnenswert noch die Museum der kanadischen Bundeshauptstadt, welche die erfreuliche Angewohnheit haben, donnerstags keinen Eintritt zu verlangen.

Geschichten aus der Geschichte

Ottawa wurde erst 1857 zur Hauptstadt Ober- und Unterkanadas bestimmt, und zwar auf königlichen Beschluß hin. Vorher standen hier nur ein paar Holzfällerhütten und durchstreiften Trapper die Wälder auf der Suche nach Pelzen. Als es dann darum ging, eine Hauptstadt für ganz Kanada zu finden, konnten die Bewerberstädte Kingston, Quebec City, Toronto und Montreal über ihre hinterwäldlerische Konkurrenz nur müde lächeln. Was außer Sägewerken hatte Bytown alias Ottawa schon zu bieten? Aber wie die Geschichte häufig so spielt, macht das Rennen der, der zuletzt lacht: Königin Viktoria von England war des Gezerres um die Hauptstadtwürde müde und gab dem Nest in der Wildnis, seit einiger Zeit immerhin mit eigenem Eisenbahnanschluß, den Zuschlag, wobei sicher auch strategische Überlegungen eine Rolle gespielt haben mögen. Die Legende dagegen weiß von romantischen Gemälden mit Motiven aus dem Ottawa Valley zu berichten, die der Queen den Kopf verdreht haben sollen. Egal: 1859 begannen die Bauarbeiten zum Parlament auf dem heutigen Parliament Hill, fünfzig Meter oberhalb der Mündung des Gatineau River in den Ottawa River. Seither wiederholen sich gebetsmühlenartig die Klagen über das Leben in der subarktischen Wildnis, das angeblich ein trostloses ist. Sie gipfeln in Aussprüchen wie: »Das beste an Ottawa ist der Zug nach Montreal«. Dabei hat sich aus dem kulturell und städtebaulich vernachlässigten »Westminster in der Wildnis« in den letzten Jahrzehnten eine lebenslustige moderne Großstadt entwickelt, die gepflegte Diplomatie mit kleinstädtischem Charme verbindet. Und wenn´s ums Nachleben geht, so bietet sich ja immer noch die Schwesterstadt Hull am nördlichen Ottawa-Ufer als Ausweichmöglichkeit. Dazu muß man wissen, dass Ottawa im eher prüden Ontario, Hull dagegen in der »sündigen« Provinz Quebec liegt.



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