Midland

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MIDLAND (VORWAHL: 705)

Stark frequentierter Badeort an der Georgian Bay und zugleich einer der Hauptschauplätze in der leidvollen Geschichte der Huronen-Indianer. Die hier ihr Unwesen treibenden französischen Jesuiten zeichneten sich dadurch aus, dass sie die Huronen partout zu »bekehren« suchten. Na wartet: wenn ihr Schwarzröcke erst mal in die ewigen Jagdgründe eingeht, dann Gnade euch Manitou! Bis heute trifft man noch auf Nachkommen der Huronenindianer und auf etliche Frankophone, bei denen man sein Französisch des 17. Jahrhunderts aufbessern kann – falls daran Bedarf besteht. Eine facettenreiche Gegend, auch wenn Midland selbst nichts Weltbewegendes zu bieten hat.

Traurige Geschichten aus der Geschichte

Die Bezeichnung »Huronen« leitet sich angeblich aus dem Ruf der französischen Seeleute »Quelles hures!« (Was für Schweinsköpfe!) ab, als diese der Indianer mit »Irokesenschnitt« ansichtig wurden. Ursprünglich nannten die sich nämlich Quendat. Rund 30.000 von ihnen lebten in der Gegend, als der französische Jesuit Jean de Brébeuf als erster einen Bericht über sie verfaßte. Lange Zeit lebten die Indianer vom Ackerbau, waren also seßhaft und wandten sich dann rasch dem Pelzhandel mit den Franzosen zu, die ihnen im Gegenzug Mehl, Tabak, Mais und andere Nahrungsmittel lieferten, aber auch verschiedene andere Dinge ... Die Irokesen, mit den Huronen und folglich auch mit den Franzosen verfeindet, führten zahlreiche Kriege gegen sie und dezimierten nach und nach die Zahl ihrer nur schwach bewaffneten Stammesmitglieder.

Als erste weiße Siedler kamen die Rekolleten, reformierte Franziskaner, und kurz darauf, von 1615 bis 1650, die Jesuiten ins Huronenland. Beseelt von missionarischem Eifer und zivilisatorischem Sendungsbewußtsein, trugen diese schließlich zur moralischen und physischen Vernichtung der Huronen bei, indem sie den Streit mit den Irokesen schürten, innere Zwistigkeiten heraufbeschwörten und ihren Schäfchen die eigenen Sitten und Gebräuche aufzwangen. Wir erinnern in diesem Zusammenhang an die perfide Angewohnheit aller Missionare, Angehörige der zu bekehrenden Ureinwohner – egal ob Indianer oder Schwarze – vordergründig wohlmeinend als unmündige Kinder zu behandeln, ihnen so das Selbstbestimmungsrecht abzusprechen und ihre Persönlichkeit zu zerstören. Nur ein gebrochener Mensch läßt sich schließlich dazu herbei, ihm zwangsläufig exotisch anmutende Glaubensgrundsätze und Verhaltensmuster zu verinnerlichen. Unsere Kirchenoberen haben also gar keine Veranlassung, mit dem Finger auf sogenannte Psychosekten zu zeigen, bedienten und bedienen sie sich doch – namentlich in der Mission – ähnlich verwerflicher Methoden. Soweit unser kleiner Exkurs in die Missionspsychologie. Zurück zum Bekehrungseifer der Jesuiten in Nordamerika: dieser fand tatkräftige Unterstützung durch die weiße Regierung in Quebec, welche die Huronen um freundliche Aufnahme der französischen Missionare bat – unter der Androhung, die Pelzgeschäfte sonst mit anderen Indianerstämmen zu tätigen. Mission und koloniales Machtstreben gingen auch damals Hand in Hand.

Die Angriffe der Irokesen erreichten 1649 einen Höhepunkt, als zahlreiche Jesuiten gefangengenommen und tausende Huronen massakriert wurden. Unter den Gefangenen waren auch Jean de Brébeuf und Gabriel Lalement, die Leiter der Mission in Sainte-Marie, die im März 1649 fürchterliche Folterqualen erdulden mußten. Doch die irdische Pein ward ihnen im Himmel gedankt: 1930 wurden sie vom Papst Pius XI. heilig gesprochen.

Die Museen und wieder aufgebauten Missionen, die das Leben der damaligen Zeit nachzuzeichnen versuchen, schlagen einen seltsamen Bogen um die Darstellung der geschilderten negativen Folgen – vornehm ausgedrückt – die sich aus dem Eingriff der Weißen in die Welt der Huronen ergaben. Folgerichtig ist das Bild der Eroberer mitunter ein wenig zu schön gezeichnet. Das könnte natürlich daran liegen, dass die einzigen Zeugnisse aus der damaligen Zeit von den Jesuiten selbst oder von jenem Samuel de Champlain stammen, der als Gouverneur und Entdecker »Neu-Frankreichs« zahlreiche Reiseberichte verfaßte. Oder sollten die Probleme nach wie vor aktuell sein?



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